Die gesammten Naturwissenschaften (Widmung an und Schreiben von Alexander von Humboldt)

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Die Widmung an und Schreiben von Alexander von Humboldt ist ein wertvolles Dokument für die Beurteilung der Würdigung dieses Wissenschaftlers durch seine Zeitgenossen.

Humboldt übt bemerkenswerte Kritik an Veröffentlichungen seiner Zeit und spricht in diesem Zusammenhang von der „Begeistigung des Tannenholzes“.

Dem Andenken A. v. Humboldts.[Bearbeiten]

Widmung

Dem

„Grossmeister der Naturwissenschaften“,

Herrn Freiherrn

Alexander von Humboldt

im Namen der Herren Mitarbeiter

und

in tiefster Verehrung

gewidmet

von der Verlagshandlung.

Als diese Worte der Widmung zum erstenmale an die Spitze des vorliegenden Werkes gestellt wurden, zählte Der, dem sie galten, noch zu den Lebenden. Zwar lagen bereits mehr als acht Jahrzehnte der Mühen und des Ruhmes hinter dem Nestor der europäischen Wissenschaft. Aber in unalternder Jugend fortwirkend und schaffend, das Große und das scheinbar Kleine, das Nächste und das Fernste mit immer gleichem Sinn umfassend, schien er hoch über dem Schicksal der Sterblichen hinzuwandeln, als sei er nicht ihres Geschlechts. Und in der That, fast möchte man sagen: er war es nicht. Denn Genien, wie Alexander von Humboldt, die nicht mehr einem Lande, sondern der Welt gehören, und die mit der Größe des Geistes die der Seele zum Bilde edelster Menschlichkeit verbinden, erzeugen auch die Jahrhunderte nur selten. Fürsten und Könige haben um seine Freundschaft geworben, Städte und Inseln sich nach ihm genannt, ja, auf das Eis der Polargletscher und in die Fluten des Oceans hat die Wissenschaft seinen Namen geschrieben, und als im Frühling des Jahres 1859 Er selber nun zur Ruhe bestattet ward, haben Männer aus Afrika und Asien, aus Amerika und allen Staaten Europas wie im Siegeszuge seine Leiche geleitet. Wo hätte die Geschichte der Wissenschaften etwas Aehnliches aufzuweisen? Man muß über nicht weniger als zwei Jahrtausende hinweg, man muß bis auf Aristoteles zurückgehen, um wieder einem Namen zu begegnen, an welchem die Größe des Deutschen gemessen werden darf.

Die seltensten Gaben vereinigend bewährte A. v. Humboldt neben durchdringender Schärfe eine geniale, wahrhaft großartige Anschauung; ebenso glücklich als Forscher und als Entdecker, war er zugleich ein Darsteller von glänzender Meisterschaft; und in den Zungen fast aller gebildeten Völker redend und keinem Wissen fremd, entfaltete er jene erhabene Universalität, auf deren Grunde allein die „Wissenschaft vom Kosmos“ möglich wurde. Erwägt man weiter seine persönliche Einwirkung, die selbstverleugnende Förderung, welche er unzähligen Unternehmungen und Talenten angedeihen ließ, den Adel seiner Gesinnung, seine begeisterte Hingabe, seinen beispiellosen Fleiß und bei allem Selbstgefühle die echt menschliche Bescheidung, die der eigenen Schwächen eingedenk bleibt: so wird man bekennen dürfen, daß ein solches Leben allerdings ein einziges und bewundernswerthes gewesen.

Es in seiner ganzen Bedeutung zu würdigen, könnte nicht unseres Amtes sein. Dagegen glauben wir den Versuch nicht unterlassen zu dürfen, wenigstens im Umriß ein Bild der Erinnerung an den großen Todten zu geben. Denn wohl scheint ein solches an seiner Stelle zu sein in einem Werke, welches das Gesammtgebiet der Naturwissenschaften zur Darstellung bringen will, und welches der „Großmeister“ dieser Wissenschaften selbst nicht bloß durch Annahme der Widmung, sondern auch durch sein Urtheil in Wort und Schrift ehrenvoll ausgezeichnet hat. Nur daß wir uns selbstverstanden darauf beschränken müssen im gedrängten Überblick die Wendepunkte seines äußeren Lebens und den Umkreis seiner Wirksamkeit anzudeuten.

Erinnern wir uns dabei zuvörderst des Zustandes, in welchem die Naturforschung gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts sich befand. Im Grunde konnte damals nur die Astronomie für eine ausgebaute Wissenschaft gelten; ihr zunächst entwickelte sich die Physik. Alle übrigen Zweige beruhten mehr oder weniger auf bloßer Erfahrung, und oft reichte der Fleiß des Sammlers aus, einen Namen zu machen, der freilich keine andere als eine zünftige Bedeutung hatte. Aber schon begann die Gährung. Große Gedanken, geistvolle Ahnungen warfen Licht in das Chaos. Linné und Werner vor allen hatten zuerst eine eigentlich wissenschaftliche Charakteristik und eine strenge Systematik eingeführt, jener in die organischen, dieser in die anorganischen Gebiete der Naturbeschreibung, und von Priestleys und Scheeles epochemachenden Entdeckungen geleitet, ward Lavoisier der wahre Gründer der Chemie. Ueberall bereitete sich eine neue folgenreiche Entwicklung vor.

In diese Zeit fiel Humboldts Jugend. Zwei Jahre jünger als sein hochberühmter Bruder Wilhelm von Humboldt, wurde er am 14. September 1769 auf dem Schlosse Tegel bei Berlin geboren. Eine treffliche Mutter überwachte die Erziehung der beiden Knaben, welche anfangs in Tegel, später in Berlin von Männern wie Campe, Engel, Dohm, Friedländer, Chodowiecki u. s. w. unterrichtet wurden. Als das Werk der Bildung seinen ersten Abschluß erhalten, begaben sich die Brüder nach Frankfurt, Wilhelm um sich den Sprachwissenschaften zu widmen, Alexander getheilt zwischen naturgeschichtlichen und volkswirthschaftlichen Neigungen, zugleich jedoch eifrig bestrebt, das bis dahin völlig verabsäumte Studium des Griechischen nachzuholen. Indessen war der Aufenthalt in Frankfurt nur ein vorübergehender, wie Humboldt eben damals unmuthig schreibt, „nur als ein nothwendiges Uebel erträglich.“ Erst die klangvollen Namen der Göttinger Universität fesselten das Brüderpaar für längere Zeit und übten besonders auf Alexander jene tiefeinwirkenden Anregungen, deren er noch im Greisenalter mit Dankbarkeit gedachte. Hier lehrte Heyne, der Schöpfer der deutschen Philologie, Spittler, der Historiker, Lichtenberg, der Physiker und Humorist, Blumenbach, der Zoolog, Murray, der Botaniker. Aber noch bedeutungsvoller ward für den Jüngling die Freundschaft mit Georg Forster, dem Schwiegersohn Heynes. Dieser berühmte Weltumsegler war gewissermaßen ein Vorgänger Humboldts: ein Gelehrter, der über die Grenzen seiner Wissenschaft hinaus den Blick auf die großen Entwicklungen der Menschheit richtete, ein begeisterter, genialischer Beobachter, der seine Erfahrungen und Anschauungen in den lebendigsten, blendendsten Bildern spiegelte. Kein Wunder, daß Forster seine wissenschaftlichen Wanderlust auch auf Humboldt übertrug. Die nächste Folge war eine im Frühjahr 1790 gemeinsam unternommene Reise durch Holland und England, die Humboldt stets als eine besondere Gunst des Schicksals bezeichnete und die für die großen Entschlüsse seiner späteren Jahre allerdings von dem belebendsten Einflusse war. Zugleich erschien eben jetzt, als Ergebniß eines im Jahre zuvor unternommenen Ausflugs, die eigentliche Erstlingsschrift Humboldts („über die niederrheinischen Basalte“). Wie dieselbe neben einem überraschenden philologischen Wissen bereits eine außergewöhnliche Schärfe der Beobachtung und ein besonnenes Maß des Urtheils bekundete, so mochte sie für Humboldt selbst noch ein neuer Anlaß werden, die geologischen Studien da weiter fortzusetzen, wo zur Zeit die einzige wirkliche Hochschule jener Wissenschaft war, in Freiberg. Es genügt, die Namen Werners und seines größten Schülers Leopolds v. Buch zu nennen, um anzudeuten, welche neue und dauernde Förderung Humboldt hier empfangen.

Aber weit entfernt, sich in dem Labyrinth der Geologie zu verlieren, war er auch hier in der allumfassenden Weise thätig, welche vorher als Grundzug seines Genies bezeichnet war. Beobachtungen über den Magnetismus der Erde, chemische Untersuchungen über die Gase und die atmosphärische Luft, botanische über geschlechtlose Pflanzen u. s. w. liefern ihm Stoff zu Aufsätzen und Schriften, und als 1792 Galvanis Entdeckung ihm kund wird, sehen wir ihn mit gleich bewundernswürdigem Eifer den neuen Weg beschreiten. An seinem eigenen Körper macht er die schmerzhaftesten Versuche; selbst zu Pferde begleitet ihn der galvanische Apparat. Endlich, nachdem er gleichsam streifend an der Erfindung der elektrischen Säule vorübergegangen, darf der Dreiundzwanzigjährige es wagen, mitten in den Streit hineinzutreten, der zwischen Galvani und seinem großen Gegner begonnen und bald die ganze Welt in Bewegung gesetzt hatte. Er veröffentlicht sein Werk „über die gereizte Muskel- und Nervenfaser“, und tritt damit der richtigen Lösung näher als irgend einer der Zeitgenossen. Humboldt, der hier zuerst die thierische Elektricität von der Metallelektricität geschieden, gehört von Stund an zu den Größen der physischen Wissenschaft.

Mittlerweile hatte Preußen nicht verabsäumt, einer so ausgezeichneten Kraft den würdigen Wirkungskreis im Staate zu eröffnen. Noch im Jahre 1792 ward Humboldt nach Berlin berufen, um kurz darauf in den „fränkischen Fürstenthümern“ die Leitung des uralten, aber tief vernachlässigten Bergbaues zu übernehmen. Eine Reihe rühmlicher Erfolge bezeichnet seine fünfjährige Thätigkeit in diesem Dienst. - Aber die Enge eines Amtes, wenn auch des ehrenvollsten, konnte dem Immerstrebenden nicht genügen. In die fernen Zonen hinaus, nach den Ländern jenseit der Meere zog ihn eine unüberwindliche Sehnsucht, und die Reisen, welche er neuerdings mit Buch, Freiesleben u. A. gemacht, konnten sie nur mächtiger entzünden. So gab Humboldt, durch den Tod der Mutter zum Besitz genügender Mittel gelangt, 1797 den Staatsdienst auf. Zunächst wandte er sich nach Jena zu seinem Bruder Wilhelm, und hier traten ihm unsere beiden großen Dichter nahe, gleich als wolle der Genius der deutschen Muse sich dem Weltwanderer vor dessen Scheiden noch einmal in der herrlichsten Offenbarung verkünden. Nach mehreren Monaten des idealsten Verkehrs begab sich Humboldt nach Paris. Von dort aus gedachte er sich einer Expedition nach Oberägypten anzuschließen. Aber der Plan scheiterte, und wie dieser scheiterten auch alle anderen Reiseentwürfe. Der Unstern, welcher seine Beharrlichkeit auf so schwere Proben setzte, wandte sich´erst im Jahre 1799. Da, in der Blüte des angehenden Mannesalters, im Bunde mit einem für das ganze Leben erworbenen Freunde, rüstete sich Humboldt Europa zu verlassen, um das spanische Amerika zu durchforschen. Ein Sturm trug das Schiff der Reisenden (den „Pizarro“) aus dem Hafen von Corunna mitten durch feindliche Segel; am 5, Juni erreichten sie die hohe See, die Küsten traten allmählich zurück, bald verhüllte der Abend sie völlig. Nur ein blitzender Punkt, das Licht einer Fischerhütte von Sisarga, zuckte noch einige Augenblicke über dem Flutendunkel auf - dann war auch dieser letzte Schimmer der heimatlichen Erde hinter dem Gesichtskreis versunken!

In wenigen Tagen hatten sie Teneriffa erreicht, und schon hier boten sich neue überraschende Anschauungen. Aber welch eine Fülle von Aufschlüssen, Bildern und großen Gedanken öffnete sich erst, als Humboldt im Juli bei Cumana den Boden der neuen Welt betrat! Es würde weit über die Grenzen dieser Darstellung hinausführen, wollte man versuchen, Gang und Gewinn seiner Forschungen auch nur im Allgemeinen zu zeichnen. Bald die grasreichen Ljanos durchwandernd, bald im gebrechlichen Kano die Stromschnellen hinabschwimmend, hier durch die Nacht des Urwaldes, dort empor zu den Schneehäuptern der Cordilleren dringend, hat er für alles Auge und Herz, bleibt nichts ihm fremd oder bedeutungslos. Er ist überall der Erdbeschauer im großen Maßstabe. Er beobachtet über der Savanne den stillen Zug der Gestirne und am Krater gelagert den Aufruhr unterirdischer Gewalten; er verfolgt das leise Schaffen der Pflanzen, das regsame Leben der Thiere, die Bewegungen und Mischungen der Luft; er geht den Schwankungen der Magnetnadel nach, sucht in den wildgethürmten Massen der Gebirge das leitende Gesetz, bestätigt die oft bestrittene Verbindung des Orenoko und des Marannon; er verweilt bei den einsamen Malen einer untergegangenen Cultur und lauscht sinnend den Sagen des rothen Mannes; um es kurz, mit einem Dichterworte seines Bruders zu sagen,

„er ringt der Welt tiefspähend ab die Welt.“

Und so kehrte er nach fünfjähriger Abwesenheit mit überreicher Ausbeute zurück. Obgleich fast ein Dritttheil der Sammlungen und Tagebücher in den Wellen untergegangen war, betrug doch allein die Zahl der heimgebrachten neuentdeckten Pflanzenarten mehr als 3000, während man ein Menschenalter zuvor überhaupt nur 8000 Gewächse kannte. Aber hatte es des aufopferndsten Muthes, der unermüdlichen Geduld und nie rastenden Fleißes bedurft, um diese Schätze zu erwerben, so blieb nun die kaum minder schwierige Aufgabe: dieselben zu einem Gemeingute der Wissenschaft zu machen. Humboldt siedelte zu dem Ende nach Paris über. Hier, in der dermaligen Metropole der Naturforschung, umgeben und unterstützt von den ausgezeichnetsten Gelehrten, meinte er am ehesten und würdigsten diese Arbeit vollenden zu können. Es liegen Jahrzehnte zwischen dem Beginn und dem Abschluß des Gesamtwerkes: aber es ist dasselbe ohne Zweifel auch eines der großartigsten Erzeugnisse, welche der Buchdruck ans Licht gefördert. Schon die eigentliche Reisebeschreibung umfaßt 6 Theile, und zählt man alles zusammen, was auf diese Reise sich gründet, so ergiebt sich eine Summe von 29 Bänden in Folio, von 12 Bänden in Quart, von 20 Bänden in Octav nebst 1425 Kupferplatten. Was darin für Geschichte und Geographie niedergelegt, welche unabsehbare Erweiterung die eigentlichen Naturwissenschaften dadurch erfahren, wie das Alte neue tiefere Deutung, das bisher vereinzelte Halt und Zusammenhang gewann: müssen wir verzichten anzudeuten. Nur das bleibe nicht unerwähnt, daß wie früher schon durch Humboldt die Physiologie der Nerven so jetzt eine Geographie und Physiognomik der Pflanzen, eine Meteorologie und Klimatologie von ihm geradezu neu geschaffen wurden.

Es darf nicht befremden, daß Humboldt dieses Werk in der Sprache desjenigen Landes schrieb, in dem er seine zweite Heimat gefunden, und mit dessen hervorragendsten Männern er in unzertrennlicher Gemeinschaft stand. Nur die 1808 veröffentlichten „Ansichten der Natur“ machen eine Ausnahme. Aber gerade sie haben Humboldts Ruhm als deutscher Klassiker begründet, wie er durch seine anderen Werke sich den Musterschriftstellern des französischen Volkes angereihet hat. Wirklich leuchtet aus den „Naturansichten“ eine noch immer unerreichte Kunst der Schilderung; die Auffassung ist so großartig als neu, die Sprache, die zwischen der Pracht Schillers und zwischen Göthes schmeichelnder Klarheit gleichsam mitten inne steht, erscheint bis ins Einzelnste gewogen, und bezeichnet mit glücklichem Wagniß und wunderbar treffend Anschauungen und Stimmungen, welche bis dahin dem Bereiche unseres Ausdruckes völlig fern lagen.

Fast zwei Jahrzehnte hatte Humboldt in Paris gelebt, als ihn der Wunsch des Königs und die Sehnsucht nach seinem Bruder in's Vaterland zurückrief. Er selbst feierte seine Heimkehr durch jene Vorträge über den Kosmos, welche später die Grundlage seines gleichnamigen Werkes wurden. Aber noch immer war der Drang des Geistes nicht gestillt, und in einem Alter, in welchem sonst der Mensch sich ruhigem Genusse hingiebt, unternahm der Unermüdliche seine zweite große Reise. Ehrenberg und G. Rose waren seine Begleiter. Wie einst mit Bonpland die Ljanos, so durchzog jetzt der Sechzigjährige mit ihnen die Steppen der Kirgisen, überstieg den Ural, den Altai und drang bis zu den chinesischen Wachtposten am Dsaisangsee und bis zu den Fischerstämmen am Kaspischen Meere vor. Der Ertrag auch dieser Reise war höchst wichtig, insbesondere für die noch immer halb fabelhafte Geographie jener Länder, so wie für die Erkenntniß der magnetischen Kraft und ihres Wirkens. Humboldt sammelte sie in den „Fragments de Géologie et de Climatologie Asiatique“ 1831 und in „Asie Centrale“, 1841. Aber eine vielleicht noch bedeutsamere Frucht dieser Reise war die Errichtung meteorologischer Warten, welche damals durch Humboldt veranlaßt, jetzt fast über alle Erdtheile ihren Gürtel ziehen, um in jedem Augenblicke der Wissenschaft Rede zu stehen.

Endlich trat eine äußerlich ruhigre Epoche in dem Leben des großen Mannes ein, wenn schon es ihr nicht an schmerzlichen Unterbrechungen fehlte. 1835 starb sein Bruder, wenige Jahre später sein königlicher Schützer, Friedrich Wilhelm III. Um so bedeutsamer aber ward diese Zeit für den Abschluss der Humboldtschen Ideen. Der Gedanke, ein großes Weltgemälde zu entrollen, den ewigen Zusammenklang der Kräfte darzustellen, welche unter der Decke der Erscheinungen sich verhüllen, endlich die Spiegelung dieser sichtbaren Welt in die Welt des Menschengeistes zu verfolgen - dieser gewaltige Gedanke war gewissermaßen das Ziel, auf welches alle Bestrebungen und Schriften Humboldts vorbereitend hinwiesen. Jetzt, im Jahre 1845, begann er ihn auszuführen, und diesem letzten größten Werke hat er noch sterbend seine Kraft gewidmet. Auf die kühnste Weise angelegt, gleichsam aus den Bausteinen aller Wissenschaften aufgeführt, steht der „Kosmos“ da, unvollendet zwar und in Einzelnem von der unaufhaltsamen Forschung überflügelt, und doch das Vollendetste, was die zusammenfassende Kraft des Geistes auf diesem Gebiete geschaffen hat.

Am 6. Mai 1859 starb A. v. Humboldt. Noch verewigt in der Heimat kein Denkmal seine Züge; aber als der 14. September 1869 die Feier der hundertjährigen Erinnerung an seine Geburt brachte, verbündete sich der Kreis deutscher Meister zum Werke einer wissenschaftlichen Biographie*) desselben, und gleichzeitig wurde aus Beisteuern fast aller gebildeten Völker die „Humboldtstiftung für Naturforschung und Reisen“ begründet. So bringen Vaterland und Welt den Zoll der Dankbarkeit, und so wirkt Geist und Bild des großen Abgeschiedenen, wie in lebendiger Gegenwart, durch die Kette nachfolgender Geschlechter.

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Hinweis auf andere Veröffentlichung dieser Widmung[Bearbeiten]

*) Dieses Werk, mit edlem Stolze alle panegyrische Kunst ablehnend, ist in Wahrheit ein geistiges Denkmal Humboldts. Es führt den Titel: „Alexander von Humboldt. Eine wissenschaftliche Biographie im Verein mit R. Avé-Lallemant, J. V. Carus, A. Dove, H. W. Dove, J. W Ewald, A. H. J. Grisebach, J Löwenberg, O. Peschel, G. H. Wiedemann, W. Wundt, bearbeitet und herausgegeben von Karl Bruhns, Professor und Direktor der Sternwarte in Leipzig. In drei Bänden. Leipzig, Brockhaus, 1872.“

Schreiben Sr. Excellenz des Freiherrn Alex. v. Humboldt[Bearbeiten]

Seite XII mit dem Schreiben Humboldts

an den Verleger bei Annahme der Dedication.

Ew.[1] Wohlgeboren werden gütigst verzeihen, wenn ich, von den Folgen des Alters und einer auf mir lastenden immer zunehmenden Correspondenz bedrängt, auch Ihnen so spät erst meinen Dank darbringe für das ehrenvolle Anerbieten, das im Namen einer Gesellschaft kenntnißvoller Männer Sie die Güte haben an mich zu richten. Ich kenne nur zu sehr den Unterschied zwischen Streben (Unternehmen) und Gelingen, als daß eine persönliche Verherrlichung, wie die, welche ich von Ihrem gelehrten Vereine erfahre, mir nicht einige Scham bereiten sollte. Die Geduld, lange zu leben, sage ich mir gern, macht einen Theil und einen sehr beträchtlichen des erhöht sich verbreitenden Rufes aus. Ich nehme aber mit Dankbarkeit Ihr gewogentliches Anerbieten an.

Die begonnene Schrift wird ein Gegengift sein für die vielen inhaltleeren populären Schriften, mit denen Deutschland mehr als die Nachbarstaaten überschwemmt ist, in denen freilich „die Begeistigung des Tannenholzes“ sich auch forterhält.

Mit der ausgezeichnetsten Hochachtung

Ew. Wohlgeboren

Berlin, 16. Nov. 1856 gehorsamster

A. v. Humboldt.

Verwendete Quelle[Bearbeiten]

Die gesammten Naturwissenschaften

Für das Verständnis weiterer Kreise und auf wissenschaftlicher Grundlage bearbeitet von

Dippel, Gottlieb, Gurlt, Koppe, Mädler, Masius, Moll, Nauck, Nöggerath, Duenstedt, Reclam, Reis, Romberg, Zech.

Eingeleitet von Hermann Masius.

Dritte, neubearbeitete und bereicherte Auflage.

In drei Bänden.

Mit zahlreichen in den Text eingedruckten Holzschnitten und drei Sternkarten.

Erster Band.

Essen, Druck und Verlag von G. D. Bädeker. 1873.

Weblinks[Bearbeiten]

 Commons: Die gesammten Naturwissenschaften – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Die verwendeten Abbildungen des Buches „Die gesammten Naturwissenschaften“[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

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