Die Bereinigung Südosteuropas von Juden (1942)

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Die Bereinigung Südosteuropas von Juden war die Überschrift eines Presseartikels, den die vom Reichsjustizminister herausgegebene Zeitschrift "Deutsche Justiz" im Jahre 1942 in ihrer Presseschau abdruckte. Dieser Artikel war zuvor in der "Berliner Börsen-Zeitung" Nr. 424 vom 8. September 1942 erschienen und enthielt genaue Angaben über die Verfolgung, Unterdrückung und Deportation von Juden aus der Slowakei, Ungarn, Kroatien, Serbien, Bulgarien und Rumänien.

Presseartikel als antijüdische Propaganda[Bearbeiten]

Dieser Artikel steht für die offene antijüdische Propaganda des NS-Regimes, wobei die konkreten Verfolgungsmaßnahmen nicht verschwiegen wurden. Jeder kritische Zeitungsleser bzw. kritische Jurist konnte aus der Schilderung dieses Artikels seine Schlussfolgerungen ziehen. So übersah der Chronist Friedrich Keller in seinen Tagebuchdokumentationen diesen Artikel in der Zeitschrift "Deutsche Justiz"[1] nicht und klebte ihn am 25. September 1942 in sein Tagebuch[2].

Er schrieb unter den Artikel unmittelbar folgende Sätze:

Die sogenannte "Bereinigung" [3]Europas von Juden wird ein dunkles Kapitel in der Menschheitsgeschichte bleiben. Wenn wir in Europa so weit sind, daß wir Menschen einfach beseitigen, dann ist Europa rettungslos verloren. Heute sind es die Juden, morgen ist es ein anderer schwacher Volksstamm, der ausgerottet wird…."

Auszugsweise Zitate[Bearbeiten]

Der Artikel begann mit der offenen Feststellung über den Untergang der Juden in Südeuropa:

Vor fünf Jahren[4] hätte es jedermann für unmöglich gehalten, daß die Judendämmerung in Südosteuropa so rasch kommen könnte, wie es tatsächlich geschehen ist.

Es folgten die Maßnahmen nach dem Vorbild des NS-Regimes:

Alle Staaten entlang der Donau haben nach dem Beispiel Großdeutschlands begonnen, … die Juden aus dem eigenen Lebensraum abzuschieben. Die Slowakei beschritt als erster Staat nach Großdeutschland zielstrebig den Weg zur vollständigen Entjudung[5]. Schrittweise drängt sie seit 1939 das Judentum hinaus und begann im Frühjahr 1942 mit der Aussiedlung der Juden. Von 89.000 Juden wurden 65.000 in Transporten abgeschoben….

Danach bezog sich der Artikel auf die Juden in Ungarn:

Ungarn … hat einen komplizierten Weg zur allmählichen Ausscheidung der Juden angetreten und bereits wertvolle Ergebnisse erzielt. … Das Kulturleben ist bereits weitgehend, im Bereich des Theaters, Films, und Schrifttums vollständig entjudet.

Es folgte der Bezug auf Kroatien:

Kroatien hat seine annähernd 60.000 Juden aus dem nationalen Leben völlig ausgeschaltet und sie zu nützlichen Arbeiten[6] auf der Adriainsel Pag und bei verschiedenen Meliorationsarbeiten[7] eingesetzt.

Verschwiegen wird für Kroatien, dass schon im August 1942 5.500 Juden aus Kroatien in das KZ Auschwitz deportiert wurden.

Auch für Serbien konnte der Autor des Artikels melden:

Serbien und das Banat sind judenrein und die ersten Landschaften in Südosteuropa, in denen es keine Juden mehr gibt.

Da Bulgarien nur zögerlich auf den deutschen Druck zur Judenverfolgung reagierte, konnte der Autor des Artikels nur vermelden, dass die Juden streng abgesondert wären. Allerdings könnten sich die Juden noch ohne besondere "'Kennzeichnung" in Bulgarien bewegen.

Für Rumänien stellte der Artikel fest:

Rumänien … zählt ohne Transnistrien, Bessarabien und Buchenland heute noch 272.000 Juden, außerdem im Buchenland 16.000, während Bessarabien judenrein ist. Etwa 112.000 Juden befinden sich in Lagern in Transnistrien. Fast ein Drittel der Juden, 98.000, lebt in Bukarest. Die Aussiedlung wird vorbereitet.

Der Artikel endete mit einer deutlichen Ankündigung:

… in einem Jahr[8] wird es in der Slowakei, in Kroatien, in Serbien und Rumänien keinen Juden mehr geben….

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Deutsche Justiz, Ausgabe A, Jg. 104, Nr. 38 vom 18.9.1942, Berlin 1942, S. 611
  2. Friedrich Keller, "Vernebelt, verdunkelt sind alle Hirne" - Tagebücher 1939-1945, Band 1, Göttingen 2011, S. 314-315
  3. den Ausdruck "Bereinigung", den Keller in Anführungsstrichen setzt, ist tatsächlich ein Begriff des Nazi-Jargons, der in der NS-Presse üblicherweise verwendet wurde
  4. also im Jahr 1937
  5. der Ausdruck "Entjudung" ist weiterhin ein in diesem Zusammenhang verwenderter Ausdruck im Nazi-Jargon, der die Entrechtung und meistens Deportation von Juden verharmlosen sollte
  6. gemeint ist hier selbstverständlich keine freiwillig gewählte Betätigung sondern Zwangsarbeit
  7. gemeint waren Arbeiten zur Entwässerung und Bewässerung in der Landwirtschaft
  8. in einem Jahr würde also Ende 1943 bedeuten

Literatur[Bearbeiten]

Markus Roth: Chronist der Verblendung - Friedrich Kellners Tagebücher 1938 / 39 bis 1945. Beiheft zur Ausstellung: Die Last der ungesagten Worte. Die Tagebücher Friedrich Kellners 1938/39 bis 1945 (= Gesprächskreis Geschichte. Heft 83). Bonn 2009, ISBN 978-3-86872-241-3, S. 27 (PDF-Datei (8,5 MB) [abgerufen am 14. Juni 2013]).