Deutscher Nationalismus

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Der deutsche Nationalismus geht davon aus, dass alle Deutschen eine Nation bilden sollten. Sofern er die Vereinigung aller „Volksdeutschen“ fordert, ist der deutsche Nationalismus eng verwandt mit dem Pangermanismus.

Der Begriff des deutschen Nationalismus ist kein linearer, da er sich im Laufe der Zeit gewandelt hat. Der Nationalismus des frühen 19. Jahrhunderts war oftmals liberal bis sozialistisch ausgerichtet, darum bemüht, die Deutsche Einheit herbeizuführen. Im Deutschen Kaiserreich radikalisierte sich der deutsche Nationalismus durch das Entstehen völkischer Ideologien, die ihren Kulminationspunkt während der Zeit des Nationalsozialismus fanden. Aktuelle Organisationen des deutschen Nationalismus sind generell dem rechten bis rechtsextremen politischen Spektrum zuzuordnen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte[Bearbeiten]

Von den Türkenkriegen bis zum Dreißigjährigen Krieg[Bearbeiten]

Während der Türkenkriege um 1500 wurde erstmals an das „Deutsche“, das „Christliche“ gegen das „Türkische“, das „Muselmanische“ appelliert.[1][2] Gleichfalls begann zu dieser Zeit die nationale Stereotypisierung innerhalb Europas, ausgehend vom Humanismus. Bereits zu dieser Zeit bediente man sich der Figur des Arminius, auch Hermann der Cherusker genannt, zur Schaffung eines nationalen Mythos.[1] Arminius hatte im Jahr 9 die römischen Armeen des Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald vernichtend geschlagen. Anders jedoch als beispielsweise im Falle Frankreichs, wo sich schon früh Vorformen eines modernen Nationalstaats finden, lebten die Deutschen zu dieser Zeit jedoch in einer Vielzahl verschiedener Fürsten- und Königreiche innerhalb des Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation zusammen mit Italienern, Slawen, Böhmen und anderen Völkern. Die folgenden zwei Jahrhunderte waren stark geprägt von einer Territorialisierung und Konfessionalisierung der Konflikte und hielten so das Interesse an einem deutschen Nationalstaat gering. Im Schmalkaldischen und Dreißigjährigen Krieg wurde von protestantischer Seite der Kampf gegen die Katholiken bereits gezielt mit dem Deutschtum verknüpft[1]

 
Auf dieser Karte von 1880 wurden Niederländer und Flamen noch zu den Deutschen gezählt.

Als erschwerender Faktor für die Deutsche Frage kam damals hinzu, dass „deutsch“ ein ungenau umrissener Begriff war. Stets wurden darunter die Deutschsprachigen gefasst, oft jedoch auch Niederländer und Flamen sowie seltener die Engländer.

Das Entstehen der deutschen Nationalbewegung[Bearbeiten]

Bereits im 18. Jahrhundert war die Vereinigung der deutschen Staaten das Ziel vieler deutscher Intellektueller, darunter Lessing und Schiller. Nachdem Franz II. 1806 gezwungen war, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zu beenden, erwachte die Nationalbewegung zu neuem Leben. So schrieb der antinapoleonische Publizist Friedrich von Gentz im gleichen Jahr: „sollen die Staatskräfte Deutschlands je eins werden, so muß zuvor der Nationalwille eins sein.“[3]

Zu einer etwa ähnlichen Zeit entwickelte sich der Idealismus mit Johann Gottlieb Fichte als bedeutendem Vertreter. Der deutsche Idealismus war bemüht, eine spezifisch deutsche philosophische Denkrichtung zu etablieren. So erschien 1807 sein Werk Reden an die deutsche Nation. Sowohl von Gentz als auch Fichte als auch viele andere deutsche Nationalisten waren zuvor Anhänger der Französischen Revolution gewesen. Deswegen erhielt der deutsche Nationalismus zu Anfang eine stark liberale Prägung. Bereits zu dieser Zeit bemühte man sich des Arminius-Mythos zur Analogie zum Befreiungskampf gegen die Franzosen und sah die Germanen als „Urvolk“ (Fichte) der Deutschen an.[4]

 
Ernst Moritz Arndt, bedeutender Denker des rechten deutschen Nationalismus

Die Befreiungskriege, die nach dem misslungenen Russlandfeldzug Napoleons ausbrachen, trugen den Charakter eines Volkskrieges. In Preußen entwickelte sich dabei rasch ein preußischer Nationalismus mit der wenige Jahre zuvor verstorbenen Luise von Preußen als Identifikationsfigur, aber auch in anderen deutschen Regionen entwickelten sich Formen des Patriotismus. Bedeutsam, weniger in kriegerischer denn in propagandistischer Hinsicht, war das Lützowsche Freikorps. Auf die „Lützower“, Soldaten aller deutscher Staaten gehen die deutschen Nationalfarben zurück. Viele von ihnen waren national-liberale Vordenker der Romantik wie Theodor Körner, aber auch Konservative bis Reaktionäre wie Friedrich Ludwig Jahn. Der Konservatismus einiger deutscher Nationalismus speiste sich aus der Ablehnung der „französischen“ Aufklärung. Diese, eng mit der Romantik verknüpfte, Auslegung trug exklusive Züge. Auch Ernst Moritz Arndt ist der konservativen Strömung des frühen deutschen Nationalismus zuzurechnen. Mit seiner Schrift Über Volkshass schrieb er ein protorassistisches Werk gegen die französische Besatzungsmacht, das mitunter religiöse Züge trug: Arndt forderte ewigen Hass gegen die Franzosen.[5] Arndt, Jahn und Fichte gehörten später zu den entscheidenden Protagonisten bei der Gründung der Urburschenschaft 1815. Die Urburschenschaft verfolgte das Ziel, sämtliche Landsmannschaften an den Universitäten zugunsten einer nationalen Verbindung abzuschaffen.

Die deutsch-evangelische Intelligenz traf 1817 beim ersten Wartburgfest zusammen, um ein Ende der deutschen Kleinstaaterei zugunsten eines geeinten Nationalstaates zu fordern. 1835 reihte sich das Hambacher Fest in diese Tradition ein. In Opposition zur Restauration forderten die Bürgerlichen die nationale Einheit Deutschlands. Vorausgegangen waren dem Ereignis bereits Revolutionen in Frankreich, Polen und Belgien. Etwa zeitgleich fanden mit ähnlichen Forderungen das Gaibacher Fest, das Sandhof-Fest, Nebelhöhlenfest und das Wilhelmsbader Fest statt. In der Deutschen Revolution 1848 und im darauf folgenden Jahr kam es zu republikanischen Erhebungen mit nationalen Zügen. Von Mai 1848 bis Mai 1848 tagte in Frankfurt die Nationalversammlung, die eine demokratische Regierung aller Deutschen bilden sollte. Auch zu dieser Zeit war die Frage „Was ist des Deutschen Vaterland?“ (Arndt) unbeantwortet geblieben und nach dem Wiener Kongress 1815 hatte sich das Problem des Deutschen Dualismus um die Vorherrschaft in Deutschland zwischen Preußen und Österreich ergeben, es wurde eines der zentralen europäischen Probleme während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Vom zweiten Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus[Bearbeiten]

Unter Reichskanzler Otto von Bismarck wurden von 1864 bis 1871 die Reichseinigungskriege geführt, allesamt gegen preußische Nachbarstaaten. Zuerst 1864 gegen die Dänen, dann 1866 gegen den vormaligen österreichischen Verbündeten. 1871 besiegten die Armeen der Preußen, Sachsen und Bayern die Franzosen. Damit ergab sich für die Deutsche Frage die Kleindeutsche Lösung – der Reichsnationalismus erhielt einen preußischen, protestantischen Charakter. Doch auch in Österreich existierte weiterhin ein starker nationalistischer politischer Flügel, der sogenannte „Deutschnationalismus“.

Zudem war ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Nationalismus im 19. Jahrhundert die „Erbfeindschaft“ mit Frankreich. Im Laufe der Zeit wurde der deutsche Nationalismus zusehends antisemitischer, so wie er etwa vom Alldeutschen Verband vertreten wurde. Es gab jedoch auch eine Reihe an jüdischen Deutschnationalen. Man kann also nicht von einer homogenen Erscheinungsform des deutschen Nationalismus sprechen.[6]

Mit dem Dreikaiserjahr 1888 und der Entlassung Bismarcks zwei Jahre später wurde der Nationalismus unter Wilhelm II. eine imperialistische und verstärkt militaristische Ideologie. Ab den 1890er Jahren begann die Völkische Bewegung an Bedeutung zu gewinnen. Allen voran wurden die Völkischen vom Alldeutschen Verband repräsentiert. Die Völkische Bewegung stand in der Tradition protestantischen Denkens, verstärkt trat nun der antisemitische, rassistische Gedanke hervor. Dieser Völkische Nationalismus lieferte einen entscheidenden Teil präfaschistischen Gedankengutes.

In der Weimarer Republik waren die Deutschnationale Volkspartei, der Bund Königin Luise, der Hamburger Nationalklub und die Organisation Consul die wichtigsten Vertreter des rechten Nationalismus. Auf linker Seite widmeten sich der Hofgeismarer Kreis und die Lensch-Cunow-Haenisch-Gruppe dem deutschen Nationalismus. Im nationalsozialistischen Deutschland lieferte der deutsche Nationalismus eine wichtige ideologische Grundlage und wurde zur Staatsräson.

Nach dem Zweiten Weltkrieg[Bearbeiten]

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Nationalismus in der BRD jenseits einiger weniger Parteien weit rechts und insb. seit 1990.
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Pegida-Demonstration am 25. Januar 2015 in Dresden

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vertrat die 1950 gegründete Sozialistische Reichspartei eine nationalsozialistische Politik, wurde jedoch 1952 verboten. Wichtigste Partei des demokratisch-nationalistischen Spektrums in der Nachkriegszeit war die Deutsche Partei, die von 1949 bis 1960 an der Bundesregierung beteiligt war. Aus der Deutschen Reichspartei ging unter anderen 1964 die NPD hervor. Sie gilt heute als wichtigste ultra-nationalistischste respektive rechtsextreme Partei.

Durch die Teilung Deutschlands in die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik entstand in beiden deutschen Staaten der Wunsch nach einer Vereinigung in einem gesamtdeutschen Staat. Beide Regierungen sahen sich als die legitimen Vertreter Gesamtdeutschlands. So forderte der DDR-Historiker Jürgen Kuczynski die „nationale Befreiung der Kolonie Westdeutschland“.[7] Der nationale Gedanke wurde in der DDR sowohl von Regierungsseite als auch von der Sowjetunion gefördert, ablesbar am Namen vieler Institutionen, beispielsweise der Nationalen Volksarmee. Die National-Demokratische Partei Deutschlands (NPDP) vertrat als Blockpartei den nationalen Gedanken. Die DDR-Führung richtete den Patriotismus gegen die Vereinigten Staaten und interpretierte den Nationalismus prosowjetisch.[8]

Im Februar 2013 wurde die Alternative für Deutschland gegründet, die zur Zeit erfolgreichste nationalkonservative Partei. Seit Dezember 2014 existiert mit Pegida eine von den Medien viel beachtete nationalistische Gruppierung. Einige Burschenschaften, gegründet im Geiste des demokratischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts, gelten heute als nationalistisch bis rechtsextrem.

Kunst[Bearbeiten]

Seit 1842 werden in der Gedenkstätte Walhalla bedeutende Persönlichkeiten „teutscher Zunge“ mit Marmorbüsten und Gedenktafeln geehrt. Die nationalistische Kunst hat nach und während der Reichseinigungskriege viele Siegessäulen aufgestellt, beispielsweise in Berlin. Zudem wurden etliche Bismarckdenkmäler errichtet. 1875 wurde das Hermannsdenkmal bei Detmold eingeweiht, es stellt Arminius' Sieg über die Römer in Bezug zum Deutsch-Französischen Krieg und verglich Arminius selbst mit Wilhelm I. Ein weiteres Nationaldenkmal, das Wilhelm I. in Bezug zu einer bedeutenden Identifikationsfigur stellt, ist das 1890–1896 errichtete Kyffhäuserdenkmal: Es knüpft an den Barbarossa-Mythos an. 1913 wurde, im Beisein Kaiser Wilhelm II., das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig eingeweiht. An ihm finden sich zahlreiche nationale Allegorien und Symbole.

1841 dichtete August Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf Helgoland die heutige deutsche Nationalhymne, das Lied der Deutschen.


Symbole[Bearbeiten]

Der Anführer der himmlischen Heerscharen, Erzengel Michael war der Schutzpatron des Heiligen Römischen Reiches, diese Funktion ging später auf Deutschland über. Bedeutende nationale Allegorien Deutschlands sind Germania und der deutsche Michel. Vor allem in den vergangenen zwei Jahrhunderten galten Arminius, Fürst Bismarck und Barbarossa als bedeutende Identifikationsfiguren der Deutschen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Stefan Berger: Britischer und deutscher Nationalismus im Vergleich. Probleme und Perspektiven. In: Ulrike von Hirschhausen, Jörn Leonhard (Hrsg.): Nationalismen in Europa. West- und Osteuropa im Vergleich. Wallstein Verlag, 2001, S. 96–116.
  • Jörg Echternkamp: Der Aufstieg des deutschen Nationalismus (1770–1840). Campus Verlag, Frankfurt/New York 1998.
  • Jörg Echternkamp, Sven Oliver Müller (Hrsg.): Die Politik der Nation. Deutscher Nationalismus in Krieg und Krisen, 1760–1960. R. Oldenbourg Verlag, München 2002.
  • Dieter Langewiesche: Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa. C.H. Beck, München 2000.
  • Hans-Ulrich Wehler: Nationalismus. Geschichte, Formen, Folgen. 4. Auflage, C.H. Beck, München 2011. Abschnitt Der deutsche Nationalismus, S. 62–89.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 Ute Planert: Nation und Nationalismus in der deutschen Geschichte. (Artikel) Wie kaum eine andere Macht hat der Nationalismus die deutsche Geschichte der letzten Jahrhunderte geprägt. Ein wesentliches Kriterium des modernen Nationalismus war das Wechselspiel von Partizipation und Ausgrenzung. In: Bundeszentrale für politische Bildung. 13. September 2004, abgerufen am 25. Dezember 2015.
  2. Dieter Mertens: Nation als Teilhabeverheißung. Reformation und Bauernkrieg. In: Dieter Langewiesche, Georg Schmidt (Hrsg.): Föderative Nation. Deutschlandkonzepte von der Reformation bis zum Ersten Weltkrieg. R. Oldenbourg Verlag, München 2000, S. 115–134, auf S. 125–126.
  3. Manfred Görtemaker: Deutschland im 19. Jahrhundert. Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 274, Bonn 1996, S. 53.
  4. Görtemaker, S. 54 f.
  5. Görtemaker, S. 56 S.
  6. Nation und Nationalismus. (Artikel) Ursprünglich eine emanzipative Idee, entwickelte sich der Nationalismus im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer rechtsorientierten Ideologie. Ein Reichsnationalismus entstand, der Feindbilder beschwor – außen wie innen. Mit dem Alldeutschen Verband schließlich trat der pangermanisch-völkische Nationalismus auf die Bühne, der eindeutig präfaschistische Züge aufwies: Er forderte die Schaffung einer homogenen, national, politisch und rassisch einheitlichen Volksgemeinschaft. In: Bundeszentrale für politische Bildung. 27. September 2012, abgerufen am 24. Dezember 2015.
  7. Jürgen Kuczynski: Kolonie Westdeutschland, Ost-Berlin, 1950
  8. Michael Lemke: Nationalismus und Patriotismus in den frühen Jahren der DDR. Welches Ziel verfolgte die SED-Führung mit ihrer Propaganda gegen „Amerikanismus“ und Westintegration während der fünfziger Jahre? Sie wollte vor allem starken Einfluss auf die Bundesrepublik nehmen. (Artikel) In: Bundeszentrale für politische Bildung. 26. Mai 2002, abgerufen am 30. Dezember 2015.
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