Dachsternwarte

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Die Einrichtung von ortsfesten Dach- und Terrassensternwarten ist ein zunehmender Trend unter Amateurastronomen zur preisgünstigen Finanzierung einer kleinen Privatsternwarte. Er hängt u. a. damit zusammen, dass eine zunehmende Zahl von Stadtwohnungen mit großen Terrassen oder Dachgärten ausgestattet sind.

Die erste Sternwarte Wiens auf dem Dach der Universität, Gemälde von Bernardo Bellotto 1758

Zu Dachsternwarten im weiteren Sinn können auch manche frühere Observatorien gezählt werden, wie sie bis etwa 1850 auf dem Dach von Palästen, Instituten oder anderer repräsentativer Gebäude errichtet wurden -- etwa die ersten Universitätssternwarten (z.B. in Wien oder Bonn) oder die Specola von Castel Gandolfo. Später ist man jedoch dazu übergegangen, dafür eigene, schwingungsarme Bauten mit tiefgegründeten Messpfeilern zu errichten.

Dachterrasse oder Flachdach[Bearbeiten]

Im Gegensatz zu traditionellen Sternwarten benötigt ein auf einem flachen Dach oder einer Terrasse errichteter astronomischer Beobachtungsplatz keine Kuppel für das Teleskop, weil die Instrumente nach Gebrauch ins Innere des Hauses verbracht werden können. Der Standplatz des Fernrohrs kann hier

  1. variabel sein – meist auf einem Dreibeinstativ, was größere Flexibilität und baulich keinen Mehraufwand bedeutet,
  2. oder fix sein – z. B. auf einem festen Pfeiler, was bei geeignetem Unterbau eine höhere Stabilität mit sich bringt;
  3. manchmal erfolgt auch die Montage auf einer Brüstung oder einem nicht benutzten Kamin.[1]
Zwei Achtzöller (C8 und Meade) auf einer Dachterrasse. Auf der Brüstung ist ein Apogee-Teleskop angeflanscht. Alle Fernrohre sind parallel zu einem hellen Stern ausgerichtet

Die einfachste Lösung für den Beobachtungsplatz ist eine mindestens 10 m² große Terrasse oder ein stabiles Flachdach, bei denen der Blick auf den Himmel möglichst wenig eingeschränkt ist. Es sollten sich keine Schornsteine in Dachnähe befinden, weil sie starke Luftunruhe verursachen können. Helle Lichtquellen von Nachbarhäusern oder der Straßenbeleuchtung kann man mit Platten oder einer fixen Holzwand abdecken, die auch als Windschutz dienen können.

Die Aufstellung des Fernrohrs auf einem guten Stativ ist jedenfalls vorteilhaft, wenn der Blick auf den Himmel eingeschränkt ist. Sie lässt sich dann der vorwiegenden Beobachtungsrichtung (meist Südost bis Südwest) anpassen. Markierungen auf dem Boden erleichtern einen schnellen Wechsel; mittels der Rillen zwischen den Fliesen kann dabei sogar die Orientierung der Fernrohrmontierung genähert erhalten bleiben. Für die Ausrichtung (bzw. die Initialisierung einer GoTo-Montierung) empfiehlt sich die Auswahl und Einmessung einer Mire oder eines Fernziels (Kirchturm, an dem neben dem Azimut oft auch der Horizont eingestellt werden kann.

Ab etwa 20 kg Gesamtgewicht sollte das Stativ durch eine massive Teleskopsäule ersetzt werden, die in den Boden einbetoniert wird [2]. Dabei muss aber der Übertragung von Schwingungen bautechnisch vorgebeugt werden.

Beobachtung am Balkon[Bearbeiten]

Bei Stadtwohnungen steht dem Sternfreund oft nur ein Balkon zur Verfügung. Die drei Möglichkeiten der Teleskop-Montierung sind

  • Stativaufstellung -- zwar flexibel, aber meist eingeschränkter Himmel. Ein Holzstativ [3] ist günstiger als ein marktübliches aus Metall, weil es Schwingungen besser dämpft.
  • Verwendung eines Tischstativs auf einer stabilen Platte, die z.B. vom Geländer hochgeklappt wird.
  • Montierung am Geländer -- wodurch aber der Standplatz des Beobachters eingeschränkt sein kann. Zur Minimierung von Schwingungen empfiehlt sich eine Tragekonstruktion übers Eck[4]. Bei einer Brüstung ist die Aufstellung stabiler.

Ein Balkon Richtung Südost bis Süd ist günstiger als ein Westbalkon, weil die Erwärmung der Hauswand früher abklingt und daher das Seeing weniger beeinträchtigt. Wegen der störenden Einflüsse von Wind und Schwingungen kann meist über eine 50- bis 80-fache Vergrößerung nicht hinausgegangen werden. Deshalb und wegen der beengten Platzwahl sind Aussichtsfernrohre mit 45°-Einblick (z.B. TS-Gigant 20x100) gut geeignet [5]. Für eine bequemere Haltung kann man das Zenitprisma statt senkrecht auch zur Seite klappen.

Beobachtung durch ein Dachfenster[Bearbeiten]

Wenn ein südseitiges, großes Fenster in der Dachschräge zur Verfügung steht, gibt es die Möglichkeit für einen -- gegenüber dem Balkon etwas eingeschränkten -- Beobachtungsplatz. Der Boden muss allerdings schwingungsarm sein. Zur besseren Ausnützung des Himmelsausschnittes kann man das Fernrohrstativ unter dem Fenster in die beste Position verschieben.

Eine aufwendigere Lösung ist eine in den Betonboden eingelassene Säule. Im Optimum kann sie bis knapp unter die Fensterfläche hinaufreichen. [6]

Wenn sich die Raumtemperatur nicht viel von der Außentemperatur unterscheidet, kann die Luftunruhe unter etwa 2-5" gehalten werden, was Beobachtungen bis zu etwa 100-facher Vergrößerung erlaubt. Eine Beobachtung bei geschlossenem Fenster kann diesen Effekt prinzipiell verringern, doch braucht es für stärkere Vergrößerungen eine sehr hohe Glasqualität. Für Beobachtungen mit dem Fernglas ist es hingegen eine gute und besonders im Winter bequeme Lösung.

Eine Arbeitsgruppe der Volkshochschule Siegerland benützt für ihre Antares-Dachsternwarte ein großflächiges Atelierfenster. [7]

Dachausbau[Bearbeiten]

Die aufwendigste Lösung ist der Dachausbau eines Pult- oder Satteldaches - entweder durch einen Schiebe- bzw. Klappmechanismus oder durch Aufsetzen einer Kuppel, wie sie der Fachhandel anbietet. Für genügende Stabilität, Dichtheit und Schwingungsdämpfung ist allerdings größerer Aufwand nötig -- siehe Privatsternwarte#Dachausbau.

Vom maximalen Ausblick her wäre ein Beobachtungsplatz direkt am Dachfirst das Optimum, jedoch bautechnisch schwierig. Eine praktikable Möglichkeit ist ein Schiebedach genau im Winkel der Dachneigung mit einer im Boden des Dachgeschoßes verankerten Teleskopsäule. Diese Bauart wurde z.B. an einem Haus in der Boker Heide realisiert. [8]

Literatur[Bearbeiten]

  • Wolfgang Schroeder, Praktische Astronomie für Sternfreunde. Kosmis.Verlag, Stuttgart 1958
  • SAG-Autorenkollektiv, Astro-Amateur. Schweiz. Astr. Ges., Zürich 1962
  • Detlev Block, Astronomie als Hobby. Bassermann, München/Tecin 2005
  • Michael Pietschnig & Wolfgang Vollmann: Dachsternwarten – ihre Ausrüstung und ihre Leistung. Sternenbote Jahrg.51/1, Wien 200

Einzelnachweise[Bearbeiten]

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