Chronik der Genetik

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Die Chronik der Genetik ist naturgemäß unvollständig. Fast alle angegebenen Wissenschaftler haben Wikipediaartikel.

Vorgeschichte: Zytologie und botanische Vorarbeit vor Mendel[Bearbeiten]

  • 1665: Der Engländer Robert Hooke endeckt eine biologische Organisationseinheit und nennt sie in Anlehnung an einen Klosterraum "Zelle". Nach heutigem Kenntnisstand besteht der Mensch aus 100 Billionen Zellen. [1]
  • 1719: Der holländische Tuchhändler Antoni van Leeuwenhoek forscht in seiner Freizeit mit selbstgebauten Mikroskopen, er fertigt die erste Zeichnung eines Zellkerns an, doch erst Brown wird diesem 1831 auch einen Namen geben.
  • 1760er: Erste wissenschaftliche Kreuzungen von Pflanzen: Der Karlsruher Joseph Gottlieb Kölreuter ist nicht der erste, der Pflanzen kreuzt, geht aber als erster wissenschaftlich vor und publiziert die Ergebnisse von 136 Kreuzungen. [2]
  • 1831: Der schottische Botaniker Robert Brown beschreibt den Zellkern genau und gibt ihm seinen Namen. [3]
  • 1835: Zellteilung: Der Schwabe Hugo von Mohl beschreibt in Tübingen die Zellteilung erst bei einer Grünalge dann auch bei Landpflanzen, später wird man das "Mitose" nennen.[4]
  • 1838: Der Hamburger Botaniker Matthias Schleiden, ein Mitbegründer der Zelltheorie (Cytologie), vermutet, dass der Zellkern für die Zellvermehrung entscheidend ist, kann das aber nicht beweisen. [5]
  • 1841: Der deutsche Mediziner und Physiologe Robert Remak beschreibt tierische Zellteilung.
  • 1842/43: Der 25-jährige Schweizer Botaniker Carl Wilhelm von Nägeli, ein Schüler Schleidens, beschreibt an Pflanzen etwas, das er als „transitorische Zytoblasten“ missdeutet, später wird man es Chromosomen nennen.[6]
  • 1848: Der sächsische Botaniker Wilhelm Hofmeister fertigt Zeichnungen von Chromosomen an.[7]
  • 1855 ff: Der Anatom Jakob Henle (Uni Göttingen), einer der Lehrer Robert Kochs, der vor allem durch die nach ihm benannten Henleschen Schleifen in der Niere bekannt ist, veröffentlicht in seinem "Handbuch der systematischen Anatomie des Menschen" erstmals Zeichnungen von sich teilenden Zellkernen ohne Erklärungsversuch.

Von Mendel zu Sutton[Bearbeiten]

  • 1866: Der im heutigen Tschechien lebende österreichische Augustinermönch Gregor Mendel (1822-1884) entdeckt ab 1855 an Pflanzenhybriden, v.a. Erbsen, die ersten Vererbungsregeln (Uniformitätsregel, Spaltungsregel, Unabhängigkeitsregel). Seine 1866 veröffentlichten Erkenntnisse stoßen aber gut 30 Jahre auf keinerlei Resonanz.
  • 1869: Der 25-jährige Schweizer Friedrich Miescher (1844-1895) entdeckt in Tübingen im Zellkern von Leukozyten die erste Nukleinsäure (er redet erst einmal nur vom "Nuklein", erst 1889 verwendet der Mitochondrienentdecker Richard Altmann den Begriff "Säure"), zu denen auch die DNA und RNA gehören. Deswegen wird er heute oft als "Entdecker der DNA" bezeichnet. Weil er im Nuklein Phosphat nachweist, das es in keinem Protein gibt, und sich die Substanz nicht wie ein Protein zerlegen lässt, weiß er, dass es sich um etwas Einzigartiges handelt, doch eben darum stößt er unter anderem bei seinem Vorgesetzten Felix Hoppe-Seyler, dem Entdecker des Hämoglobins und Mitbegründer der Molekularbiologie, auf Unverständnis. [8]
  • 1875: Der deutsche Botaniker Eduard Strasburger (1844-1912) beschreibt den vier Jahre später Mitose genannten Vorgang, die in allen Zellen stattfindende einfache ungeschlechtliche Zellteilung, deren Ziel die Bildung genetisch identischer Tochterzellen (zwecks Wachstums und Regeneration) mit jeweils diploidem Chromosomensatz (bei Menschen 46, Karyotyp) ist.
  • 1875: Der hessische Zoologe Oscar Hertwig (1849-1922) beobachtet an Seeigeln, dass die Befruchtung durch die Vereinigung von Ei- und Samenzelle, insbesondere von Ei- und Samenkern zustande kommt. (1884 wird dies von Strasburger auch bei Blütenpflanzen nachgewiesen)
  • 1875: Der Belgier Edouard Van Beneden nennt den von der Kernhülle umspannten Inhalt des Zellkerns Nukleoplasma, Walther Flemming prägt dafür 1878 den ebenfalls gebräuchlichen Begriff Karyoplasma.
  • 1879: Der Mecklenburger Walther Flemming (1843-1905) prägt den Begriff "Chromatin" für das Material des Zellkerns, aus dem die Chromosomen bestehen (aus heutiger Sicht ein Komplex aus DNA und Proteinen) und nennt die von Strasburger vier Jahre zuvor beschriebene Zellteilung bei Eukaryonten "Mitose" (Eukaryonten ist ein damals noch unbekannter Begriff für Lebewesen mit Zellkern, zu denen alle Tiere und Pflanzen, nicht aber Bakterien, gehören).
    Flemming beschreibt die schon 1848 von Hofmeister gezeichneten Chromosomen ohne ihnen einen Namen zu geben.
    Die restlichen Komponenten des Zellkerns sind das Karyoplasma, die Nukleoli und die Kernhülle.
  • 1882: Walther Flemming entdeckt die Konstanz der Anzahl der Kernkörperchen bei der Mitose.
  • 1882: Strasburger prägt den Begriff Zytoplasma für den von einer Membran umschlossenen lebenden Inhalt einer Zelle. (Hugo von Mohl hatte etwas ähnliches 1846 "Protoplasma" genannt, der Begriff entpuppte sich aber aufgrund falscher vitalistischer Vorstellungen schnell als obsolet)
  • 1883: Der Thüringer Hugenotte Wilhelm Roux [ru:] (1850-1924) vermutet in „Über die Bedeutung der Kerntheilungsfiguren“, dass die Erbinformation in den später so bezeichneten Chromosomen sitzt ( der Begriff wird erst ab 1888 benutzt).
  • 1883-1890: Nachdem der Belgier Édouard van Beneden (1846-1910) bemerkt, dass bei der Befruchtung der tierischen Eizelle die Chromosomenzahl verdoppelt wird (diploid; vom Vater und Mutter stammende Chromosomen), postulieren August Weismann und andere 1885, dass es bei der Bildung der Keimzellen als Ausgleich auch eine Reduktionsteilung geben müsse, was 1890 beobachtet wird. Durch diese Reduktion hat die neue Zelle nur einen einfachen ("haploiden") Chromosomensatz (beim Menschen 23). Dies ist eine sich von der Mitose unterscheidende Art der Zellteilung, die im Rahmen der sexuellen Fortpflanzung nur in Geschlechtszellen (Keimzellen, Gameten) erfolgt und eine Rekombination des Erbguts der beiden Eltern ermöglicht, das Ziel des Vorgangs ist also nicht nur eine Kopie der Ausgangszelle wie bei der Mitose, man nennt diesen Vorgang ab 1905 Meiose. 1905 werden auch die Begriffe haploid und diploid geprägt werden.
  • (1884: Auch Oscar Hertwig, vgl.1875, kommt wie Roux ein Jahr zuvor zu dem Schluss, dass der Zellkern der Träger der Vererbung sei.)
  • 1884: In Analogie zum Begriff "Organ" als abgegrenzte Funktionseinheit des Körpers nennt der deutsche Zoologe Karl August Möbius (1825-1908) abgrenzbare funktionale Strukturen einer Zelle "Organell". Dazu zählen unter anderem Zellkern, Mitochondrien, Golgi-Apparat und das endoplasmatische Retikulum.
  • 1884: Die "Histone", basische Proteine, werden vom späteren deutschen Nobelpreisträger Albrecht Kossel (1853-1927) im Zellkern entdeckt, bis in die frühen 1990er Jahre aber als reines Packmaterial der DNA verkannt. Wie Flemming kommt Kossel aus Mecklenburg.
  • 1885: Kossel analysiert auch "Purine" und "Pyrimidine", Bausteine der 1888 als Nukleinsäuren beschriebenen Nukleine. [9]
  • (1885: Die Keimplasmatheorie wird von August Weismann (1834–1914) vorgestellt, er unterteilt den damals noch verwendten Bergriff "Protoplasma" in das über Generationen unveränderte Keimplasma und das absterbende Somatoplasma.)
  • 1885: Der Österreicher Carl Rabl (1853-1917) stellt fest, dass die Chromosomen während des Zellzyklus ihre Konsistenz erhalten und dass jede Spezies eine bestimmte Chromosomenzahl hat.
  • 1886: Der Deutsche Richard Altmann (1852-1900) entdeckt in Eukaryotenzellen (höhere Lebewesen) das Mitochondrium (von ihm zuerst "Bioblast" genannt, Carl Benda sorgt 1898 für die heutige Bezeichnung), ein von einer Doppelmembran umschlossenes kugelförmiges Organell mit eigener Erbsubstanz. (erst 1939, über 50 Jahre später, wird seine Funktion als Kraftwerk der Zelle deutlich werden)
  • 1888: Der Berliner Wilhelm (von) Waldeyer (1836-1921) prägt wegen ihrer guten Färbbarkeit den Begriff "Chromosomen" für die neun Jahre vorher von Flemming beschriebenen Fäden, die er auch in menschlichen Zellen entdeckt.
  • 1889: Richard Altmann (vgl.1886) stellt auch fest, dass Chromosomen aus „Nukleinsäure“ (er prägt diesen Begriff) und basischem Protein bestehen. (siehe auch Ph.Levene 1929)
  • 1889: Oscar Hertwigs (vgl. 1875) Bruder Richard und ein in Algier lebender Bibliothekar und Hobbyprotozoenforscher namens Émile Maupas (1842-1916) publizieren unabhängig voneinander erste Erkenntnisse zur Konjugation (Gentransfer) [10]bei Pantoffeltierchen (Paramecium). Ab 1946 (siehe dort) rückt dieses Phänomen bei Bakterien in den Mittelpunkt des Interesses.
  • 1891: Der Deutsche Hermann Henking (1858-1942) und der Amerikaner Clarence Erwin McClung entdecken unabhängig voneinander das später so genannte "X-Chromosom" (siehe auch 1905).
  • 1900: Hugo de Vries (Holland), Erich Edler von Tschermak-Seysenegg (Öst.) und Carl Erich Correns (Deu.) entdecken Mendel wieder. Correns publiziert sein Beobachtung, dass manche Merkmale meist zusammen vererbt werden ("Genkopplung"). De Vries führt ein Jahr später mit seinem Werk "Die Mutationstheorie" den Begriff „Mutation“ für dauerhafte Veränderung des Erbguts in die Vererbungslehre ein.
  • 1901/1902: Der Deutsche Hans Spemann (1869-1941) klont durch Zufall einen Molch aus einer Embryozelle (Nobelpreis 1935).
  • 1902: Der italienische Golgi-Schüler Emilio Veratti entdeckt das Organell "sarkoplasmatisches Retikulum (Glattes Retikulum)", eine Form des endoplasmatischen Retikulums, doch andere Wissenschaftler können dies nicht bestätigen, vermutlich weil sie nicht über die überlegenen Färbetechniken der Italiener verfügen und das Organell gerät 40 Jahre in Vergessenheit.
  • 1902: Der Brite William Bateson nennt die beiden Varianten der Gene (damals noch Erbfaktoren genannt) in jeder diploiden Zelle "Allelomorph", was später zu Allel verkürzt wird, es ist eine Art Schalterstellung. Wenn beide Allele für ein bestimmtes Merkmal gleich sind, nennt man das homozygot (reinerbig). Bei zwei verschiedenen Allelen spricht man von Mischerbigkeit oder Heterozygotie.[11] Bateson erkennt, dass Mendels Regeln auch auf Tiere übertragbar sind.
  • 1902: William Farabee beweist, dass Mendels Regeln auch auf Menschen übertragbar sind.

Zytogenetik[Bearbeiten]

  • 1902-1904: Chromosomentheorie der Vererbung:
    Der Amerikaner Walter Sutton ['wo:lter 'saton] (Columbia University) erläutert die Zusammenhänge/Wechselbeziehungen zwischen Mendel und der Zytologie. Er führt Mendels Regeln auf das Verhalten der Chromosomen bei der Meiose zurück.
    Der Franke Theodor Boveri, Bruder des Industriellen Walter Boveri (vgl. Asea Brown Boveri), weist unabhängig von Sutton an Seeigeln nach, dass die Chromosomen Träger der Erbinformation sind, zusätzlich stellt er qualitative Unterschiede zwischen einzelnen Chromosomen fest.
  • 1903: Waldeyer (s.o.) prägt den Begriff Centromer für den Punkt, an dem die Chromatiden der Chromosomen zusammenhängen und eine Art "X" bilden, das Centromer liegt nicht immer in der Mitte.[12]
  • 1905: Gonosomen/Gonadale Geschlechtsdeterminierung: Die Amerikanerin Nettie Stevens ['neti 'sti:vens] und ihr Landsmann Edmund B. Wilson belegen unabhängig voneinander (auf Henking und C.E. McClung aufbauend, siehe 1891), dass das Geschlecht bei Insekten durch unterschiedliche Chromosomen bestimmt wird ( vgl. Wikipedia "Geschlechtsdetermination"). Die an der Geschlechtsdeterminierung nicht beteiligten Chromosomen nennt man Autosomen. [13]
  • 1905: Der Brite Reginald Punnett veröffentlicht das erste populärwissenschaftlich Buch über Genetik, das noch "Mendelism" heißt, weil der Name Genetik erst ein Jahr später erfunden wird. Etwas später erfindet er das Punnett-Quadrat, ein Hilfsmittel der Vorhersage der Genotypen von gezüchteten Nachkommen.
  • 1905: Eduard Strasburger prägt die Begriffe diploid und haploid für das Vorhandensein zweier oder nur eines homologen Chromosomensatzes. Diploidie ist das Ergebnis der Verschmelzung zweier haploider Gameten bei der Befuchtung. [14]
  • 1906: Der Brite William Bateson ['wilyäm 'bäytson], vgl. 1902, prägt den Begriff Genetik.
  • (1907: Edmund Wilson (vgl.1905) entdeckt bei Insekten die irregulären "B-Chromosomen". Sie wurden aber bis heute nicht bei Menschen gefunden.)
  • 1908: Hardy-Weinberg-Gleichgewicht ( siehe Wikipedia ). Der britische Mathematiker Godfrey Hardy und der Deutsche Wilhelm Weinberg entwickeln unabhängig voneinander die Gesetzmäßigkeit, wonach in einer idealen Population die relative prozentuale Häufigkeit, mit der bestimmte Allele im Genpool (Gesamtheit der Allele einer Population) vorhanden sind, über Generationen hinweg unveränderlich ist. Dies bereitet das Fach "Populationsgenetik" vor, das in den 20ern von Ronald Fisher und Sewall Wright etabliert wird.
  • 1909: Der dänische Botaniker Wilhelm Johannsen prägt den Begriff "Gen" für die hypothetische Vererbungseinheit (Erbfaktor), die materielle Natur desselben ist aber damals noch unbekannt. (Nach heutigen Erkenntnissen ist ein Gen ein Abschnitt der DNA, aus denen Chromosomen maßgeblich bestehen). Er führt zur Unterscheidung die Begriffe Genotyp (die genetische Ausstattung der Zellkerne eines Organismus) und Phänotyp (äußeres Erscheinungsbild eines Organismus, das auf den Genen aufbaut) ein.
  • 1909: Der litauische Jude Phoebus Levene entdeckt den Zucker "Ribose" ( siehe auch 1929).
    (1910 stellt er eine lange einflussreiche Tetra-Nukleotid-Hypothese der DNA auf, die der DNA eine zu primitive Struktur unterstellt und die sich erst dank E.Chargaff als falsch erweisen wird.)
  • ( kurzer Aufsatz schon 1902 ) 1909: Der Engländer Archibald Garrod ['a:rtschibald 'gärod] veröffentlicht erste Forschungen zu Erbkrankheiten, die durch das Fehlen von Enzymen hervorgerufen werden. Er vermutet den Zusammenhang "Ein Gen – ein Enzym", was lange eine wichtige Hypothese der Genetik sein wird. [15]
  • 1910: Der Amerikaner Thomas Hunt Morgan (Nobelpreis 1933) beweist endgültig, dass Chromosomen Gene tragen, die auf ihnen linear angeordnet sind, ihre physische Position heißt Locus. Ein Team unter der Leitung seines blinden Schülers Alfred Sturtevant erstellt 1913 eine Chromosomenkarte; Morgans Experimente an der Taufliege Drosophila melanogaster (die sich viel schneller vermehrt als die bis dahin benutzten Pflanzen und nur vier Chromosomenpaare hat) untermauern die Chromosomentheorie der Vererbung empirisch (siehe 1902)). Botaniker werden ab Morgan nur noch eine kleine Rolle spielen.
    Morgan beschäftigt sich mit dem Faktorenaustausch und führt den Begriff „Crossing-over“ für die intrachromosomale Rekombination während der Meiose ein (1931 von McClintock und seinem Schüler Carl Stern bewiesen). Je näher Gene auf einem Chromosomen zusammenliegen, desto größer ist die Chance, gemeinsam vererbt zu werden.
  • 1910: Bateson und Punnett gründen das "Journal of Genetics".
  • 1914: George Shull [dʃordʃ ʃal] bemerkt den "Heterosis-Effekt", die besondere Leistungsfähigkeit von Hybriden.
  • 1915: Bakteriophagen, kurz "Phagen", werden vom Engländer Frederick Twort entdeckt und vom Kanadier Félix d’Hérelle 1917 so genannt. Diese von Bakterien lebende Virengruppe werden später ein breites Anwendungsspektrum in der Forschung erhalten, s.u.
    Sie gelten aber in der heutigen Virus-Taxonomie als veraltetes Taxon. [16]
  • 1916: Calvin Bridges [kälvin bridʃes], ein Mitarbeiter Morgans, entdeckt die "Non-Disjunction" (Fehlsegregation), die Nicht-Trennung eines homologen Chromosomenpaares oder von Schwesterchromatiden während der Zellteilung. Es ist die häufigste Ursache von Aneuploidien (vgl. Wikipedia), Genmutationen, bei denen die Chromosomenzahl von der Norm abweicht (Bsp. "Down-Syndrom").
  • 1918: Der Brite Ronald Fisher veröffentlicht "The Correlation Between Relatives on the Supposition of Mendelian Inheritance".
  • 1920: Der Sachse Hans Winkler prägt den Begriff Genom für die Gesamtheit der vererbbaren Informationen. (Seit den 70ern benutzt man den Begriff verstärkt, allerdings für zwei verschiedene Dinge, nämlich 1."Gesamt-DNA" oder 2."alle Gene eines Organismus") [17]
  • 1920: Der von Bateson ausgebildete russische Botaniker Nikolai Wawilow, Leiter des nationalen genetischen Instituts, veröffentlicht "Das Gesetz der homologen Reihen". Er leistet gewaltige Aufbauarbeit in seinem Fach, trägt 250.000 Pflanzen aus aller Welt zusammen um besseres Getreide zu züchten, 1937 wird er zum Präsidenten des Weltkongresses der Genetiker gewählt. Er wird aber zum Opfer seines stalinistischen Widersachers Lysenko, schikaniert und schließlich zu Tode gequält. [18]
  • 1926/27: Hermann Muller (USA) erzeugt durch Röntgenbestrahlung bei Taufliegen Genmutationen ( Nobelpreis 1946 ), was die Forschung enorm beschleunigt. [19]
  • 1928: "Griffiths Experiment" ( vgl. Wikipedia): Der Brite Frederick Griffith erbringt den ersten Nachweis der Transformation bei Bakterien. Dabei handelt es sich um die Übertragung von genetischer Information zwischen Bakterien der selben Art. Es ist das erste Beispiel des horizontalen Gentransfers von einem Organismus in einen anderen bereits existierenden Organismus (vgl. Konjugation 1946; Transduktion 1947 & 1952) im Gegensatz zum vertikalen Gentransfer durch Fortpflanzung von einer Generation zur nächsten.[20](Vorsicht, heute wird der Begriff unscharf auf mehrere Arten des Gentransfers bezogen)
  • 1929: Obwohl sich Phoebus Levene seit Beginn des Jahrhunderts in eine grundfalsche Hypothese des DNA-Aufbaus verrannt hat (vgl. 1909), entdeckt er an der New Yorker Rockefeller University den Zucker Desoxyribose in einigen Nukleinsäuren, die man später DNA nennt. Er prägt auch den wichtigen Begriff Nukleotid für Grundbausteine von Nukleinsäuren, diese bestehen immer aus bestimmten (Nukleo-)Basen, Zucker (Pentosen) und Phosphatresten. (Es gibt auch Nukleoside mit s, sie bestehen aus Basen und Pentosen ohne Phosphatreste ).
  • 1929: Adenosintriphosphat (ATP) wird vom deutschen Biochemiker Karl Lohmann in den Mitochondrien entdeckt ( 1939 wird es als Energiequelle der Zelle erkannt werden).
  • 1930: Ronald Fisher (vgl.1918) lässt Genetik und Statistik in die Evolutionstheorie einfließen. In seinem bahnbrechenden Werk "Genetical Theory of Natural Selection" formuliert er das "Fundamentale Theorem der natürlichen Selektion". [21]
  • 1931: Die amerikanische Botanikerin Barbara McClintock und ihre Schülerin Harriet Creighton weisen das von Morgan an Fliegen beschriebene Crossing-over (siehe 1910) auch am Mais ( 1938 wird es auch am Menschen nachgewiesen) nach.
    Unabhängig von ihnen gelingt dies auch dem Deutschen Curt Stern (an Drosophila), der 1933 als Jude emigrieren muss. Stern hatte Jahre zuvor auf Empfehlung Richard Goldschmidts bei Thomas Morgan arbeiten dürfen.
  • 1933: Bedeutung der RNA: Der Belgier Jean Brachet [ʒo: bra'ʃe:] zeigt, dass DNA fast nur in Chromosomen vorkommt, RNA dagegen im gesamten Zytoplasma, und zwar universell in allen Organismen, es muss also eine gewaltige Bedeutung haben.
  • 1934: Die Schweden Torbjörn Caspersson und Einar Hammarsten beweisen, dass die DNA ein Polymer ist. Caspersson entwickelt später mit der Firma Carl Zeiss das Universal-Mikrospektrofotometer (UMSP), er widerlegt die damals vorherrschende Hypothese Phoebus Levenes (vrgl.1909,1929). (1979 Balzan-Preis)
  • 1935: Der in Berlin lebende Russe Nikolai Timofejew-Ressowski veröffentlicht mit Max Delbrück und Karl Günther Zimmer ein Werk über Genmutationen, in dem sie als erste vorschlagen, Gene als komplexe Atomverbände aufzufassen ( "Drei-Männer-Arbeit"). Timofejew-Ressowski wird nach Kriegsende als "Kollaborateur" in den Gulag verschleppt. [22]
  • 1937-1947: Der gebürtige Berliner Max Delbrück, ein Urenkel Justus von Liebigs, verlässt Nazideutschland und baut am "Cold Spring Harbor Labor", New York State, eine Forschungsgruppe auf, die an Phagen (Bakterien befallende Viren ) forscht.[23]
  • 1937: Der Morgan-Schüler Theodosius Dobzhansky, ein gebürtiger Ukrainer, veröffentlicht sein einflussreiches Werk "Genetics and the Origin of Species" und begründet mit dem gebürtigen Schwaben Ernst Mayr (Hauptwerk: Systematics and the Origin of Species (1942)) die "synthetische Evolutionstheorie". [24]
  • 1939-1941: Energiequelle ATP: Fritz Lipmann (vor den Nazis geflohener Jude aus Königsberg) erkennt, dass das in den Mitochondrien hergestellte ATP (siehe 1929) die Hauptenergiequelle in Zellen ist, Mitochondrien funktionieren also wie kleine ATP-Kraftwerke (Nobelpreis 1953). (Eine chemische ATP-Synthese wird 1949 von James Baddiley und Alexander Robertus Todd veröffentlicht. ) [25]
  • 1940: Der in den USA lebende Belgier Albert Claude [albe:r clo:d] entdeckt mit Hilfe der Dunkelfeldmikroskopie RNA-enthaltende Granula, die kleiner als Mitochondrien sind, kann ihre Natur aber nicht näher beschreiben. Seit den 50er Jahren nennt man sie Ribosomen, sie sind entscheidend für die Proteinherstellung. (vgl. 1955)[26]
  • 1941: George Beadle [dʃordʃ 'bi:dl] und Edward Tatum ['edword 'täytum] untermauern die "ein Gen - ein Enzym Hypothese" von Garrod (1909) durch Experimente an Brotschimmel (Nobelpreis 1958). Heute würde man diese Hypothese aber "Ein-Gen-ein-Polypeptid"-Hypothese nennen und auch diesen Ausdruck näher definieren.[27]
  • 1942: Julian Huxley, Enkel von Thomas H. und Bruder von Aldous und Nobelpreisträger Andrew H., popularisiert in seinem Buch "Evolution: The Modern Synthesis" die Beziehung von Evolutionstheorien und Genetik. Er wird später erster Präsident der UNESCO.
  • 1943: "Luria-Delbrück-Experiment" (auch "Fluktuationstest", vgl. Wikipedia ). Salvador Luria, ein vor dem Faschismus geflohener italienischer Jude der Delbrück-Gruppe, weist nach, dass Darwins Gesetze auch für Bakterien gelten, sie mutieren zufällig und ungerichtet. Luria und Delbrück bekommen 1969 den Nobelpreis. [28]

DNA Ära[Bearbeiten]

  • 1944: Der Kanadier Oswald Avery (mit Colin MacLeod und Maclyn McCarty) erkennt, dass die DNA die Trägersubstanz des Erbmaterials ist und nicht etwa Proteine, wovon man 50 Jahre ausging. Seine Behauptung passt ganz und gar nicht in die allgemeinen Vorstellungen, so dass ihr bis 1952 mit allgemeiner Skepsis begegnet wird. Avery stirbt 1955 ohne den Nobelpreis bekommen zu haben.
  • 1944: Physiklegende Erwin Schrödinger redet in seinem Buch "Was ist Leben?" vom Chromosomencode. Heute heißt für ein Protein codieren in der Genetik, Informationen für die Herstellung eines Proteins in sich tragen.
  • 1945: Keith Porter beschreibt das Organell Endoplasmatisches Reticulum (ER), ein verzweigtes Kanalsystem, das an der Proteinsynthese, der Fettsäureproduktion und der Kalziumspeicherung beteiligt ist.
  • 1946: Durchbruch der Bakteriengenetik: Endgültiger Nachweis der Konjugation (zweite Art des horizontalen Gentransfers, vgl. 1928) bei Prokaryoten (Lebewesen ohne Zellkern; Bakterien und Archaeen), der Übertragung von genetischem Material durch direkten Kontakt von Zelle zu Zelle durch den 20-jährigen Joshua Lederberg (Nobelpreis 1958) und Edward Tatum bei Escherichia coli. Das Sensationelle daran ist, dass Bakterien eine Art Geschlechtsleben haben, zumindest Gene tauschen können und sich nicht rein klonal vermehren. E. Coli ist der genetische Modellorganismus schlechthin unter Bakterien. (siehe auch 1952)
  • 1948 (ein anderes kursierendes Datum 1944 bezieht sich wahrscheinlich auf ihre Forschung, nicht auf die Veröffentlichung): Transposons: Barbara McClintock veröffentlicht ein Papier über DNA-Abschnitte, die spontan ihren Ort verlassen können (umgangssprachlich "springende Gene") im Mais (später auch beim Menschen entdeckt). Die Tragweite ihrer Forschung bleibt lange unbeachtet, schließlich bekommt sie aber 1983 den Nobelpreis.[29] Transposons werden für Krankheiten verantwortlich gemacht, aber auch für die Evolution.
  • 1949: Lysosome: Der Belgier Christian de Duve (Nobelpreis 1974) weist in tierischen Zellen Lysosome chemisch nach (1955 optisch entdeckt). Es handelt sich dabei um Organellen mit Verdauungsenzymen, die für die Autolyse, der Selbstauflösung abgestorbener Zellen, wichtig sind. (Bei Pflanzen und Pilzen sind Vakuolen dafür zuständig).
  • 1950: "Chargaff’sche Regeln" des österreichischen Holocaustflüchtlings Erwin Chargaff: Die vier DNA-Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin liegen paarförmig vor, Levenes Tetra-Nukleotid-Hypothese der Nukleinsäuren (siehe 1909) ist falsch.[30]Bei der RNA ersetzt Uracil das Thymin.
  • 1951: Die Engländerin Rosalind Franklin erstellt am Londoner King's College via Röntgenkristallographie neuartige DNA-Fotografien, wegen der Strahlen stirbt sie mit nur 37 Jahren an Krebs und bekommt daher nie den Nobelpreis. Ihr Mitarbeiter Raymond Gosling macht mit ihrer Technik das berühmte "Photo 51", als er innerhalb des Labors zu Franklins neuseeländischem Intimfeind Maurice Wilkins versetzt wird, sieht der diese Aufnahme und gibt sie an Crick und Watson weiter (s. 1953). Franklin selbst gibt 1953 Max Perutz in Cambridge über mathematische Berechnungen Auskunft, der Crick und Watson mit diesen ebenfalls zentralen Informationen versorgt. Crick begreift schneller als Franklin, was diese Daten bedeuten, weil er für seine Doktorarbeit das Hämoglobin von Pferden analysiert hatte, wo es einige Parallelen gibt.[31]
  • 1952: Endgültiger Beweis der DNA-Bedeutung: Alfred Hershey (Nobelpreis 1969) und Martha Chase markieren DNA und Verpackungsproteine von Phagen radioaktiv und beobachten, wo sich bei befallenen Bakterien welche Strahlung ansammelt. Sie bestätigen Averys Ansichten von 1944 und verhelfen ihnen nach langer Skepsis in der Wissenschaftsgemeinde zum Durchbruch.[32]
  • 1952: Plasmide: Joshua Lederberg und Edward Tatum (s. 1946) entdecken Plasmide, meist ringförmige DNA-Moleküle, in Bakterien und anderen niederen Organismen. Sie werden in der Folge ein wichtiges gentechnisches Werkzeug, da man mit ihnen Information in Organismen einschleusen kann (vgl. Wikipedia "Vektor (Gentechnik)" ).
  • 1952: Transduktion: Lederberg und Norton Zinder forschen zur "Transduktion", dem DNA-Transfer, den Viren in Bakterien erbringen, wenn sie mehrere von ihnen nach und nach befallen und DNA der ersten Bakterie in die zweite verschleppen (in Wikipedia: Transduktion (Genetik)). Es ist die dritte Art horizontalen Gentransfers (vgl. 1928 Transformation nach Griffith, 1946 Konjugation) bei Prokaryoten.
  • 1952: Robert Briggs und Thomas King (beide USA) übertragen Zellkerne aus Embryo­nen in ent­kernte Eizellen. Es gelingt, Kaulquappen auch aus älteren Froschembryo-Kernen (Leopardenfrosch "Rana pipiens") zu klonen (vgl. Spemann 1901), allerdings wird keine zum Frosch. Sie stellen fest, dass das Klonen mit zunehmendem Alter der Spenderkerne schwieriger wird. (siehe auch 1966)
  • 1953: DNA-Struktur: James Watson (USA) und Francis Crick (GB) vom Cavendish-Laboratorium, Cambridge, beschreiben in "Nature" die DNA-Struktur als wendeltreppenartige Doppelhelix. Der Durchmesser einer Helix beträgt ca. zwei Nanometer. Sie profitieren sowohl von einer unveröffentlichten Arbeit Linus Paulings, die ihnen sein Sohn gezeigt hatte, den sie auf einer Party kennengelernt hatten, als auch von unveröffentlichten Aufnahmen Rosalind Franklins und Raymond Goslings vom King's College, die sie in diesem Artikel nicht erwähnen, was aber mit ihr abgesprochen worden war. Sie haben kein einziges Experiment selbst ausgeführt, sondern nur mit den Daten anderer getüftelt. Zusammen mit dem neuseeländischen Physiker Maurice Wilkins bekommen sie 1962 den Nobelpreis.[33]Franklin ist zum Zeitpunkt der Preisverleihung schon gestorben (1958, fünf Jahre nach Veröffentlichung).
  • (1954: Der in den USA lebende ukrainische Physiker George Gamow versucht herauszufinden, wie sich die Anordnung der Basen in DNA-Ketten auf die Proteinsynthese auswirkt. Seine Vorstellungen entpuppen sich zwar als falsch, beeinflussen aber die weitere Forschung stark, insbesondere Francis Crick.)
  • 1955: Ribosomen: Der gebürtige Rumäne George Palade, ein Schüler Claudes ( siehe 1940), beobachtet 1953 Ribosomen, die Proteinfabriken der Zelle, mit dem neuerdings eingesetzten Elektronenmikroskop und veröffentlicht 1955 ihre erste präzise Beschreibung. Sie bestehen zu etwa zwei Dritteln aus ribosomaler RNA (rRNA) und einem Drittel aus ribosomalen Proteinen. (Nobelpreis 1974 mit seinem Lehrer Albert Claude und dem ebenfalls belgischen Christian de Duve ). 1956 wird endgültig von Borsook und Zamecnik nachgewiesen, dass die Ribosomen des Endoplasmatische Reticulums der Ort der Proteinsynthese (Translation) sind, der Begriff Ribosom wird 1958 von Richard B. Roberts vorgeschlagen und setzt sich durch. ( siehe auch 2000)[34]
  • 1955: 46 Chromosomen: Der Indonesier Joe Hin Tjio (im Labor des Schweden Albert Levan) erkennt, dass der Mensch nur 46 Chromosomen pro Zellkern hat, nicht 48, wie seit 1923 immer wieder fälschlich behauptet wurde. 22 homologe Chromosomenpaare plus zwei Geschlechtschromosomen (XX bei der Frau, XY beim Mann).
  • 1955: DNA Polymerasen: Arthur Kornberg (Nobelpreis 1959) isoliert "DNA Polymerasen", Enzyme, die die Synthese von DNA aus den Nukleotiden katalysieren.
  • 1956: mRNA/Boten-RNA: Der südafrikanische Jude Sydney Brenner (Nobelpreis 2002) interpretiert eine Entdeckung der eher obskuren Elliot "Ken" Volkin und Lazarus Astrachan als mRNA ( messenger RNA, Boten-RNA ), die von der DNA kopierte Information aus dem Zellkern zu den Ribosomen (zwecks Polypeptid/Proteinsynthese) transportiert. Die RNA-Synthese nennt man heute Transkription, es geht aus der Literatur nicht eindeutig hervor, wer den Begriff wann zuerst gebrauchte.
  • 1956: tRNA: Paul Zamecnik, Mahlon Hoagland und Mary Stephenson beschreiben erstmals tRNA (transfer-RNA), eine Art Adapter, der die verschiedenen proteinogenen Aminosäuren mit der mRNA verbindet und daher in vielen Varianten hergestellt wird.[35]
  • 1957: Arthur Kornberg (vgl.1955) und der vor den Faschisten in die USA geflohene Spanier Severo Ochoa (beide Nobelpreis 1959) synthetisieren DNA und RNA in vitro.[36]
  • 1957: Robert Holley beschreibt die Rolle der tRNA bei der Proteinsynthese genauer. 1962 kann er sie isolieren, 1964 klärt er ihre Struktur (Nobelpreis 1964).[37]
  • 1958: Francis Crick stellt die "Zentralhypothese der Molekularbiologie" (zunächst gar als "Dogma" bezeichnet) auf: die Information bewegt sich zum Protein hin, nicht von ihm weg.
  • 1958: Semi-konservative DNA-Replikation: Matthew Meselson und Franklin Stahl (beide USA) zeigen im Meselson-Stahl-Versuch ( vgl. Wikipedia ), dass das Erbgut der Tochterzellen nach der Zellteilung je zur Hälfte aus der Erbinformation der Mutterzelle besteht und zur Hälfte neu synthetisiert wird. Die beiden anderen Hypothesen konservativer und disperser Mechanismus gelten als widerlegt.[38]
  • 1958 (laut amerikanischen Quellen 1959): Der Deutsche Friedrich Vogel prägt den Begriff Pharmakogenetik, der beschreibt, wie ein Patient genbedingt individuell unterschiedlich auf Medikamente reagiert. Das Gebiet rückt im 21. Jh. unter dem Schlagwort "individualisierte Medizin" in den Blickpunkt des Interesses (ein fast synonymer Begriff ist "Pharmakogenomik").
  • 1958 : Erste Transfektion, Einbau von Fremd-DNA oder RNA in eukaryotische Zellen (normalerweise geht es um tierische Zellen, in der Praxis um Säugetierzellen). Für unterschiedliche Zellarten wird eine Reihe von vollkommen unterschiedlichen Einpflanzmethoden (Elektroporation, Magnetofektion, Lipofektion, Mikroinjektion, Genkanone, Sonoporation) entwickelt, das chemische Verfahren "Calcium-Phosphat-Präzipitation" (1973) ist das älteste, das auch heute noch weithin angewandt wird.[39]
  • 1959: "Operon". Steuerungsmechanismen bei Prokaryoten (Einzeller ohne Zellkern, v.a. Bakterien): Die Franzosen François Jacob [fʁɑ̃.swɑ ʒa'kob] und Jacques Monod [ʒak mo'no:] beginnen mit Studien zu Steuerungsmechanismen auf der DNA. Sie weisen die Existenz von Proteinen mit mehreren Funktionen nach. Zwei Jahre später, 1961, beschreiben sie Regulator-Gene und veröffentlichen ihr sogenanntes „Operon-Modell der Gen-Regulation“ bei Prokaryoten (Nobelpreis 1965), das darstellt, wie Zellen Gene aktivieren oder stilllegen.[40]
  • 1960: RNA Polymerase: Jerard Hurwitz, Sam Weiss, Audrey Stevens und James Bonner erkennen, welches Enzym für die Herstellung der mRNA sorgt.[41] Polymerasen sind Enzyme, die die Polymerisation von Nukleotiden (Bausteine der DNA und RNA, vgl.1929) katalysieren.
    2001 wird Roger Kornberg, der Sohn des Nobelpreisträgers Arthur Kornberg, den Mechanismus erklären (Nobelpreis 2006).
  • 1961-1966: Genetischer Code: Forscherteams um Marshal Nirenberg und Gobind Khorana (beide Nobelpreis 1968) entschlüsseln den Zusammenhang zwischen Genen und Proteinbildung, den genetischen Code. Die Abfolge von jeweils drei Bausteinen (Triplett) auf der DNA legt eine Aminosäure beim Aufbau eines Proteins fest. Beim "Poly-U-Experiment" (ausschließlich Uracil als RNA-Base, vgl. Wikipedia) von Nirenberg und dem deutschen DAAD-Stipendiaten Heinrich Matthaei 1961 kann dabei erstmals eine Aminosäure einem Basentriplett zugeordnet werden.
    Das Nirenberg-Leder Experiment 1964 baut darauf auf.
    (In diesem Zusammenhang steht auch das Phagen-Experiment 1961 von Crick, Brenner, Barnett und Watts-Tobin, das ebenfalls ergibt, dass ein Basentriplett der DNA einer Aminosäure entspricht.)
    Bis Ende der 70er hält sich die mechanistische Auffassung, dass es bei der Genexpression nur um die Entwicklung DNA-Tripletts -> mRNA -> Protein/Enzym geht, dann merkt man, dass die Mechanismen sehr viel komplizierter sind, dass zum Beispiel ein Gen mehrere Proteine codieren kann.[42]
  • 1961: Als Hayflick-Grenze wird bei Eukaryonten die begrenzte Anzahl von Zellteilungen bezeichnet, denen sich eine Zelle unterziehen kann, bevor der Programmierte Zelltod eingeleitet wird, weil die Telomere eine kritische Länge erreicht haben. (nach dem Gerontologen Leonard Hayflick, *1928)
  • 1962: Robert Holley (Nobelpreis 1968) gelingt die Isolierung der 1956 entdeckten "tRNA (transfer-RNA)", welche die Aminosäuren in die Ribosomen bringen und zum entsprechenden Codon auf der mRNA vermitteln.
  • 1962: 27 Wissenschaftler diskutieren auf dem Symposium "Man and his future" in London die Zukunft der Gentechnik.
  • 1963: Das Ehepaar Margit und Sylvan Nass (USA) belegt die Existenz von mitochondrialer DNA (mtDNA), die nur mütterlicherseits vererbt wird.[43]
  • 1964: Howard Temins „Provirus-Hypothese“ (entgegen Cricks Zentralhypothese von 1958) besagt, dass virales RNA-Genom zuweilen in DNA umgeschrieben wird. 1970 entdeckt er auch tatsächlich das Enzym "Reverse Transkriptase".
  • 1965: Brenner entdeckt Stopcodons, Basen-Tripletts der mRNA, für die keine tRNA vorliegt. Sie stoppen die Proteinsynthese (Translation).
  • 1966: Der Brite John Gurdon (& Donald Brown) transplantiert Erbgut aus den Hautzellen von erwachsenen Krallenfröschen (Xenopus laevis) in Eizellen, deren eigenes Erbgut inaktiviert war (vgl. 1952). Er beleuchtet die Wirkungsweise der Nucleoli (Kernkörperchen) bei Eukaryonten. Fast 50 Jahre später, 2012, bekommt er den Nobelpreis.[44]
  • 1966: Nobelpreisträger J.Crick stellt die Wobble-Hypothese zur Erklärung der Tatsache, dass je nach Organismus lediglich bis zu 41 verschiedene tRNA-Moleküle existieren und nicht die erwartbaren 61. Die dritte, 5'-gelegene Base des Anticodons, kann schwanken (engl. to wobble), so dass andere Bindungen möglich sind. [45]
  • 1967: In verschiedenen Laboratorien werden die (DNA)Ligasen, Enzyme, die die Erbsubstanz zusammenfügen, isoliert. Sie werden eine wichtige Ergänzung der verschiedenen Genscheren, die man nach und nach entwickelt.
  • 1967: Repressor: Der Amerikaner Mark Ptashne isoliert den ersten Repressor, ein Protein, das vom Regulator-Gen gebildet wird, wenn bestimmte Produkte von der Zelle nicht mehr benötigt werden.
  • 1967: Der Italiener Ruggero Ceppellini prägt für die Kombination der Allele mehrerer gekoppelter Gene eines einzelnen Chromosoms den Begriff Haplotyp. [46]
  • 1968 (teils schon ab '62 ): Restriktionsenzyme (Restriktionsendonukleasen) Schon in den 50ern war in diversen mit Phagen arbeitenden Labors, z.B. Lurias, bemerkt worden, dass sich Viren, die in einigen Bakterien gut gedeihen, in einem verwandten Bakterienstamm viel schlechter vermehren.
    Der Schweizer Werner Arber postuliert daraufhin bei den wehrhafteren die Existenz von Restriktions-Endonukleasen, bakteriellen Enzym-Waffen, mit denen diese die DNA der Phagen-Angreifer an ganz bestimmten Erkennungssequenzen spalten. Diese Vermutung bestätigt sich in den 60ern, Hamilton Smith weist sie 1970 endgültig nach und erhält mit Arber und Daniel Nathans den Nobelpreis. Die besondere Bedeutung dieser Entdeckung ist es, dass man jetzt das Rüstzeug hat, um Material an bestimmten Punkten aufzuschneiden ("Gen-Schere"), wovon Paul Berg (vgl.1972) beim Beginn der Gentechnik großen Gebrauch machen wird. Nukleasen sind Enzyme, deren hauptsächliche Funktion im Abbau von Nukleinsäuren besteht.
  • 1968: Das japanische Ehepaar Tsuneko und Reiji Okazaki entdeckt das Okazaki-Fragment, einen während der DNA-Replikation entstehenden kurzen Abschnitt des Folgestrangs aus DNA und RNA.
  • 1968: Der japanische Evolutionsgenetiker Motoo Kimura stellt die von Neodarwinisten um Ernst Mayr heftig bekämpfte "neutrale Theorie der molekularen Evolution" auf, nach der die meisten Mutationen auf molekularer Ebene (nicht im Großen) evolutionär neutral sind. Sein Schüler Tomoko Ohta wird später sogar behaupten, dass die meisten Mutationen sich negativ auf die Fitness auswirken.[47]
  • 1968: Tumorsuppressorgene werden entdeckt.[48]
  • 1969: Gen-Isolierung: Jonathan Beckwith (USA) gelingt in Harvard die Isolierung eines einzelnen Gens aus dem Erbgut von Colibakterien (Escherichia coli).
  • 1969: Ein Teil der DNA, der eine andere Dichte als normale DNA hat und aus sich vielmals wiederholenden kurzen Nucleotidsequenzen (sog. repetitiven Sequenzen, repeats) besteht, wird unter dem Namen Satelliten-DNA bekannt, sie ist für die Bildung wichtiger chromosomaler Strukturen wie Zentromeren (Einschnürungsstelle der Chromosomen) zuständig.
  • 1970: Reverse Transkriptase: Howard Temin (vgl.1964) und David Baltimore entdecken unabhängig voneinander das Enzym "Reverse Transkriptase", das bei den unorthodoxen Retroviren einen Umschreibungsprozess von RNA in DNA bewerkstelligen kann, sie bekommen 1975 den Nobelpreis.
  • (1970: Der Schwede Torbjörn Caspersson verbessert die Chromosomenfärbung entscheidend.)
  • 1971: Telomere: Schon Anfang der 30er hatten Hermann Muller und Barbara McClintock Chromosomenenden beschrieben, die "Telomere" genannt werden. Der russische Gerontologe Aleksey Olovnikov rückt die Problematik der Telomere neu ins Licht und sagt die Existenz der Telomerase-Enzyme voraus (1984 von Carol Greider entdeckt, die 2009 den Nobelpreis bekommt), seine Arbeiten bleiben aber international lange unbekannt.

Beginn des Gentechnischen Zeitalters (synthetische Biologie)[Bearbeiten]

  • 1972: Gentechnik: Paul Berg [po:l börg] (Nobelpreis 1980) fügt in Stanford die DNA-Sequenzen unterschiedlicher Organismen zu Hybrid-DNA-Molekülen zusammen. (Englisch "recombinant DNA molecules"), diese künstlichen Moleküle überleben nicht nur in Bakterien, sondern sind genetisch aktiv und vermehren sich.
    Er benutzt dafür die Werkzeuge REN (siehe 1968) und Ligasen (siehe 1967) . Es ist ein Meilenstein in der gezielten Übertragung von Erbsubstanz über Artgrenzen hinweg. Genetisch veränderte Organismen, in die Gene aus anderen Arten eingeschleust wurden, werden auch als transgene Organismen bezeichnet, die eingeschleusten Gene als "Transgene". Berg hat große Bedenken bezüglich seines Fortschritts und regt die Asilomar-Konferenz 1975 (s.u.) an.[49]
  • 1972: Walter Fiers (Belgien) sequenziert ein Gen, aber von einer RNA-Kopie, nicht von der DNA ( in der Phage MS 2 ).[50]
  • 1972: Künstliche Gensynthese: Die erste Synthese eines kompletten Gens, einer Hefe tRNA, wird von Har Gobind Khorana und seinen Mitarbeitern vollzogen
  • 1972: Einführung des Begriffs "Apoptose" für den natürlichen Zelltod während der Ontogenese (wenn Mitochondrien so beschädigt sind, dass ihre Wände Löcher bekommen) in Abgrenzung zur pathologischen "Nekrose".
  • 1972: Susumu Ohno prägt das Schlagwort Junk DNA für die nichtcodierende DNA, ab 2012 wird diese Gegenstand hitziger Debatten werden (siehe dort).[51]
  • 1973: Erster "rekombinanter Organismus/ Hybridorganismus" (Klonierung, DNA-Klonierung): Herbert Boyer und Stanley Cohen (in Stanford, genau wie Berg ein Jahr zuvor) transferieren zum ersten Mal DNA von einem Organismus in einen anderen: Sie vereinen virale und bakterielle DNA und kreieren ein "Plasmid" (in Bakterien vorkommende ringförmige DNA-Moleküle), das sie in die DNA des Darmbakteriums E.coli integrieren. ( Diese DNA-Klonierung ist nicht zu verwechseln mit dem Klonen, sie pflanzen nur etwas in Bakterien ein). Boyer wird später Co-Gründer von Genentech.[52]
  • 1973: Das Ehepaar Ada und Donald Olin beschreibt die kleinste Einheit des Chromatins im Zellkern eukaryotischer Zellen bestehend aus einem "Histonoktamer" aus acht Histonen (spez. basischen Proteinen) und der darum gewundenen (spiralförmigen) DNA. Die beiden geben diesem Gebilde den Namen Nukleosom.
  • 1974: Der Pole Wacław Szybalski popularisiert den 1910 vom Franzosen Stéphane Leduc (damals noch weitgehend unbeachtet) erfundenen Begriff "synthetische Biologie".
  • 1975: Auf der vom Gentechnikpionier Paul Berg (vgl.1972) angeregten kalifornischen Asilomar-Konferenz erarbeiten 140 Wissenschaftler Sicherheitsregelungen der Gentechnologie.[53]
  • 1975–1977: Elizabeth Blackburn, der die Erkenntnisse Olovnikovs (siehe 1971) nicht bekannt sind, forscht in Yale zu Telomeren, sie bekommt 2009 den Nobelpreis.
  • 1976: "Genentech" ['dschänentek], die erste Gentechnik-Firma, wird in South San Francisco vom Stanfordbiologen Herbert Boyer (vgl.1973) und dem Investor Bob Swanson gegründet. 2009 wird Roche für das Unternehmen $46,8 Mrd. bezahlen.
  • 1976: Elsevier bringt das englischsprachige Fachblatt "Gene" [Dschi:n] auf den Markt. (2015 hat es einen Impactfaktor von 2.319)
  • 1976: In E.Coli-Bakterien entdeckt der Deutsche Hartmut Hoffmann-Berling Helikasen, Enzyme, die unter anderem die Verdopplung der DNA durch das Entwinden der Einzelstränge initiieren (1978 auch in Pflanzen, 1982 in Viren, 1985 in Säugetieren, 1990 in Menschen entdeckt). [54]
  • 1976: Der kämpferische englische Atheist Richard Dawkins stellt in "Das egoistische Gen" Gene als Objekte der Selektion dar.
  • 1976: John Finch und Aaron Klug schlagen als nächsthöhere DNA-Verpackungsstufe (bzw.Chromatineinheit) nach Nukleosomen (vgl.1973) eine "Solenoidstruktur" der 30 nm Chromatinfaser vor.
  • 1977: Allan Maxam und Walter Gilbert (USA) gelingt die erste DNA-Sequenzierung (vgl. 1972); Doch der Brite Frederic Sanger (der dafür seinen zweiten Nobelpreis bekommen wird) entwickelt im selben Jahr die überlegene "Didesoxymethode" der DNA-Sequenzierung, die später für die Genomprojekte eingesetzt wird, s.u. Er schafft die erste Vollsequenzierung eines Gens der Phage PhiX174.
  • 1977: Richard Roberts und Phil Sharp entdecken Introne, sie zeigen, dass eukaryontische Gene (damals noch "Mosaikgene" genannt) nicht aus einer einzigen durchgehend codierenden Nucleotidsequenz bestehen (Nobelpreis). Aus der DNA entsteht prä-mRNA, dann wird bei einem Spleißen genannten Vorgang einige Teile herausgelöst (Introns) der Rest (Exons) wird zusammengeklebt zur mRNA. Die beiden Begriffe Exon + Intron werden ein Jahr später von Walter Gilbert geprägt. ( vgl. Wikipedia Spleißen (Biologie) und RNA-Prozessierung)
  • 1977: Entdeckung der "Pseudogene", durch Mutationen entstandene, als inaktiv geltende Abkömmlinge aktiver Gene. Stand 2014 gibt es beim Menschen etwa 20.000 Pseudogene. Im 21. Jahrhundert mehren sich jedoch die Hinweise, dass zumindest einige dieser Fossilien und Retrokopien eine noch nicht begriffene Funktion haben.
  • 1978: Erstmals wird von "Exxon" mit einem ölabsorbierenden Bakterium ein gentechnisch veränderter Organismus patentiert.
  • 1978: Robert Weinberg (USA) entdeckt, dass genetische Veränderungen im Erbgut von Zellen Krebs verursachen können und isoliert die ersten Onkogene (publiziert in den frühen Achtzigern). Bis 2014 sind über 300 Onkogene bekannt. Weinberg ist einer der ersten Preisträger des "Breakthrough Preises" 2013.[55]
  • 1978: Edward B. Lewis entdeckt homeotische Gene (Nobelpreis 1995), eine Art Regulatorgen.
  • 1978: Michael L. Goldberg und David S. Hogness (USA) entdecken die "TATA-Box" (auch Goldberg-Hogness-Box), eine DNA-Sequenz zur Genregulation der Transkription bei Eukaryoten und Archäen.
  • 1979-1981: Das "Shotgun Sequencing", eine später im Humangenomprojekt ( s.u.) weit angewandte Methode, wird entwickelt. Später wird es von Michael Hunkapillers "PE Biosystems" (heute: Applied Bioystems) weiter entwickelt, Hunkapiller ist 1998 einer der Gründer von "Celera".
  • 1980: Die Deutsche Christiane Nüsslein-Volhard und Eric Wieschaus (USA) entdecken in Heidelberg Gene, die die homeotischen Regulatorgene aktivieren, die sie "gap," "pair-rule," und "polarity" Gene nennen. (Nobelpreis)
  • 1980: Das U.S. Supreme Court entscheidet, dass vom Menschen hergestellte Organismen patentierbar sind.
  • 1981: Sangers Team isoliert das menschliche Mitochondriengenom.
  • 1982: Mit Humulin (Human-Insulin) von Genentech erhält erstmals ein bedeutendes gentechnisch hergestellte Medikament behördliche Genehmigung. Es wird im Jahr darauf durch den Lizenznehmer Eli Lilly sehr erfolgreich auf den Markt gebracht; Bakterien wurde dafür ein menschliches Gen eingepflanzt.
  • 1982: Thomas Cech (USA) entdeckt Ribozyme, katalytisch aktive RNA-Moleküle, die zwar wie Enzyme chemische Reaktionen katalysieren, aber keineswegs Proteine sind. „Selbstspleißen“ („self-splicing“) ist damit nachgewiesen. (Nobelpreis 1989)
  • 1982: Gründung der "GenBank", der frei zugänglichen DNA-Sequenzdatenbank des US-amerikanischen National Institutes of Health. Margaret Oakley Dayhoff hatte Anfang der 60er Jahre, v.a. mit "Atlas of Protein Sequence and Structure" (1965) die Grundlagen der Bioinformatik geschaffen. (1986 folgt die DNA Data Bank of Japan (DDBJ), die dritte große Datenbank EMBL-Bank gehört dem European Molecular Biology Laboratory (EMBL)).
  • 1983: Kary Mullis [Kärri Mallis] entdeckt mit der Polymerase-Kettenreaktion (PCR, vgl. Wikipedia ) die Möglichkeit der schnellen und automatisierten Vervielfältigung von DNA-Abschnitten im Reagenzglas. Für diesen Durchbruch bekommt er den Nobelpreis. Allerdings fällt er bis heute durch überaus exzentrische Aussagen in anderen Themengebieten auf.[56]
  • 1984: Der genetische Fingerabdruck wird vom Briten Alec Jeffreys entwickelt. [57]
  • 1984: Der Schwede Svante Pääbo, Sohn von Nobelpreisträger Sune Bergström, begründet die "Paläogenetik" als er die DNA einer Mumie kloniert. Er entschlüsselt später in Berkeley ausgestorbene Tierarten und seit 1997 am neugegründeten "Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie" das Genom des Neanderthalers.
  • 1985: Norman R. Pace [Päyss] von der Indiana University legt die Grundlagen der Metagenomik, der Forschungsdisziplin, die DNA einer mikrobiellen Gemeinschaft im Ganzen zu untersuchen.[58]
  • 1986: "Positionelle Klonierung" ( Englisch: Genetic Screen ): Methoden zur Identifikation unbekannter DNA-Sequenzen in unmittelbarer Nachbarschaft einer bekannten DNA-Sequenz. Diese Methode ergänzt das biochemische „funktionale Klonieren“. [59]
  • 1986: Marktreife der von John Sanford ( Cornell Uni) und dem US-Chemieriesen DuPont entwickelten "Genkanone", einem Gerät, mit dessen Hilfe man Zellen mit Mikroprojektilen beschießt, welche mit DNA beschichtet sind. [60]
  • 1986: Klonen eines Säugetier-Embryos: Der Däne Steen Willadsen, ein Pionier des Tieffrierens von Embryonen, klont am "British Agricultural Research Council" Lämmer aus Embryonen.( Schon 1984 hatte er die Embryozellen von Schafen und Ziegen vermengt und eine "Schiege" kreiert.) Nachdem bisher nur Amphibienembryos 1901, 1952, 1966 erfolgreich geklont wurden, nimmt sich die Wissenschaft nun der wesentlich schwierigeren Säugetiere an.[61]
  • 1986: Leroy Hood und Kollegen entwickeln am California Institute of Technology (Caltech) den ersten Sequenzierautomaten.[62]
  • 1987: Die Zeitschrift "Genomics" erscheint. Unter Genomik versteht man jetzt das DNA-Sequenzieren im großen Stil.
  • 1987/88: Der Doktorand Robert Malone am Salk Institute im kalifornischen La Jolla hat die wegweisende Idee mRNA mit Fett zu vermengen und bringt damit Zellen dazu, ein bestimmtes Protein zu produzieren. Später gelingt es ihm sogar, das Fett-mRNA-Gemenge in Frosch-Embryos einzuschleusen, er weiß schon damals, dass man so Arznei erzeugen kann, aber von dieser Vermutung bis zur praktischen Umsetzung vergehen Jahrzehnte, in denen der verbitterte Malone, der sich als “inventor of mRNA vaccines” betrachtet und um Geld und Anerkennung gebracht sieht und in den 2020ern sogar aggressiv Impfgegnern das Wort redet.[63]
  • 1988: Philip Leder ( Assistent von Nirenberg, siehe 1961) und Timothy Stewart patentieren erstmals ein gentechnisch verändertes Säugetier, eine "Krebsmaus" ( vgl. Wikipedia, auch Onkomaus ), die besonders tumoranfällig ist und zur Krebsforschung benutzt wird.
  • 1989: Mario Capecchi ( USA ) stellt mit der Knock-out-Methode eine zuverlässige Technik vor, mit der bestimmte Gene in Mäusen gezielt ausgeschaltet werden können, er bekommt 2007 den Nobelpreis. ( es gibt auch "Knock-in", das Einpflanzen von Transgenen, und "Knock-down", das Dämpfen der Genexpression). Capecchi hatte als Kleinkind in Italien auf der Straße gelebt, weil seine Mutter im KZ saß.[64]
  • 1989: Stephen Fodor (USA) entwickelt sogenannte Microarrays und später die "DNA-Chip-Technologie", sie nutzt Techniken aus der Halbleiterfertigung, um bekannte Gene auf einem Trägermaterial, einem fingernagelgroßen Plastik- oder Glasplättchen, dem Microarray, zu identifizieren und ihre Aktivität zu messen.(siehe Wikipedia)
  • 1989: Beginn der umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID), der genetischen Untersuchung von Zellen eines nach künstlicher Befruchtung gezeugten Embryos in vitro vor seiner Übertragung in die Gebärmutter. In Deutschland ist sie seit 2011 begrenzt zugelassen.[65]
  • 1989: Lap Chee Tsui, Francis Collins und Jack Riordan finden das Gen der Stoffwechselkrankheit Mukoviszidose (zystische Fibrose (ZF))
  • 1990: Mary-Claire King (USA) beweist, dass ein einziges Gen, BRCA1 auf "Chromosom 17", für viele Brustkrebs- und Eierstockkrebserkrankungen verantwortlich ist. Das führt in der Presse verschiedentlich zum falschen Eindruck, dass grundsätzlich einzelne Gene entscheidende Eigenschaften repräsentieren.
  • 1990: Das Humangenomprojekt wird als klassisches "Big Science"-Projekt mit dem Ziel gegründet, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln. Über 1.000 Wissenschaftler in 40 Ländern arbeiten daran. [66]
  • 1990: Gentechnikgesetz in Deutschland
  • 1990: William French Anderson (USA) führt erstmalig ein Gentherapieexperiment an einem Menschen mit der Krankheit SCID durch, der Erfolg ist umstritten, aber es ist ein Startsignal für Forschungen in diesem Bereich, der in der Folge stetig, wenn auch eher langsam, vorankommt.(Anderson wird 2007 zu 14 Jahren Gefängnis wegen Kindesmissbrauchs verurteilt, was aber nichts direkt mit seiner Arbeit zu tun hat ).
  • 1991: Craig Venter entwickelt eine schnelle Methode zum Aufspüren von Genen namens Expressed Sequence Tags" (EST), die im Vergleich zu Komplett-cDNA-Sequenzen oder Genomsequenzierungen mit relativ geringem Aufwand erzeugbar sind. Ein Jahr später verlässt er das staatliche NIH und gründet das von Sponsoren finanzierte Sequenzierunternehmen "The Institute for Genomic Research" (TIGR). Der provokant auftretende Venter wird in der Folgezeit das Gesicht der privaten Genomforschung werden (s. 1998) und die öffentlichen Forschungseinrichtungen herausfordern.
  • 1991: Nanowissenschaftler Nadrian Seeman begründet an der NY University die DNA-Nanotechnologie, er baut einen Nanowürfel aus DNA (Feynman Preis 1995, Kavlipreis 2010). Seine Faltungstechnik wird als "DNA-Origami" bekannt, die für Laien wie eine Spielerei wirkt aber einen ernsten Hintergrund hat. Durch den Bau von molekularbiologischen Nano-Maschinen will man vor allem medizinische Wirkstoffe präzise zu ihrem Ziel schleusen.[67]
  • 1993: miRNAs (microRNAs): Erstbeschreibung der "miRNAs", kurzer, nichtcodierender RNAs (der Name wird jedoch erst 2001 geprägt werden)
  • 1993/94: Menschliche Embryonen werden von Jerry Hall von der George-Washington-Universität geklont und überleben im Reagenzglas mehrere Tage. Er möchte nach eigenen Angaben damit eine politische Reaktion provozieren.
  • 1994: Der Begriff Proteom wird vom Australier Marc R. Wilkins in Anlehnung und Analogie zu den Begriffen Genom und Transkriptom (die Gesamtheit aller zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer Zelle von der DNA in RNA transkribierten Gene, das „RNA-Profil“ ), definiert. Als Proteom bezeichnet man die Gesamtheit der Proteine einer Zelle oder eines Gewebes - als Produkte der „angeschalteten“ Gene - während eines bestimmten Entwicklungs- oder Differenzierungszustandes.[68] Proteom und Transkriptom haben also anders als das Genom einen dynamischen Charakter.
  • 1994: DNA-Reparatur (Wikipedia Lemma). Das reparierende Enzym wird als "Molecule of the Year" bezeichnet.
  • 1994: Grüne Gentechnik: Die "Flavr-Savr-Tomate" ("Anti-Matsch“-Tomate) ist das erste genetisch veränderte Lebensmittel, das zugelassen wird, setzt sich aber am Markt nicht durch.
  • 1995: Als erstes Lebewesen wird das Genom der Bakterie "Haemophilus influenzae" von TIGR mithilfe des Nobelpreisträgers Hamilton Smith sequenziert, hier zeigt sich die Schlagkraft der von Jared C. Roach verbesserten Ganzgenom-Shotgunmethode (WGS). Venter hatte von der US-Gesundheitsbehörde NIH keine Fördergelder bewilligt bekommen, weil die Shotgun-Methode angeblich "unmöglich" zum Erfolg führen könne.
  • 1995: Patrick Brown und sein Team nutzen an der Stanford Uni erstmals den b 1988 erfundenen DNA-Microarray ("Biochip"). [69]
  • 1996: Das Genom der Hefe "Saccharomyces cerevisiae" ist die erste sequenzierte Eukaryonte (wenn auch nur ein Einzeller).
  • 1996: Restriktionsenzyme namens Zinkfingernukleasen (ZFN) werden erstmals künstlich hergestellt, sie erhalten in der Folgezeit Bedeutung als gentechnisches Werkzeug [70].
  • 1997: Emma Ott kommt als erstes genmanipuliertes Baby zur Welt — sie trägt in ihrem Erbgut die Gene dreier Menschen. Den Eizellen ihrer Mutter, Maureen Ott, fehlten bestimmte Substanzen, daher spritzte Jacques Cohen vom St. Barnabas Medical Center in New Jersey vor der Befruchtung Zellplasma einer anderen Frau in Otts Eizellen.[71]
  • 1997: Das erste aus einer erwachsenen Körperzelle (vom Euter) geklonte Säugetier, das Klonschaf „Dolly“, kommt im schottischen Roslin Institute durch eine Team unter Leitung von Ian Wilmut auf die Welt, der dafür den Darmstädter-Preis bekommt (vgl. 1986 Säugetier-Klonen aus Embryos). Später räumt er aber ein, dass sein Kollege Keith Campbell die meiste Arbeit dafür geleistet hat [72] (beide bekommen zusammen 2008 den Shaw Preis). Aus 277 Eizellen entsteht nur erfolgreich ge­klontes Exemplar. Später wird dort „Polly“ geboren, ein aus Körperzellen geklontes Schaf, dem ein menschliches Gen eingesetzt wurde.
  • ab 1997: Klonen weiterer Säugetiere, nur vier seien hier aufgeführt: 1997 Maus "Cumulina". Die erste geklonte Katze "CC" ( für "Carbon Copy" oder "Copy Cat") kommt 2001 zur Welt. 2003: Haflingerstute "Prometea" in Italien. 2005: Afghanischer Windhunds "Snuppy" ( Akronym für „Seoul National University Puppy“ ) in Südkorea; es ist das einzige Projekt des Skandalwissenschaftlers Hwang Woo-suk ( vgl. Wikipedia), das nicht in einem der größten Wissenschaftsskandale 2005/6 als Schwindel entlarvt wird.
  • 1998: Das erste genetisch entschlüsselte Tier ( und erster Vielzeller) ist der Fadenwurm "Caenorhabditis elegans", der Brite John Sulston bekommt dafür den Nobelpreis.
  • 1998: Craig Venter wird Präsident des Unternehmens "Celera Genomics" (Maryland), das mit Genpatenten Geld verdienen will und die staatliche NIH herausfordert. Er setzt voll auf ein von Michael Hunkapillers Applied Biosystem entwickelten Verfahrens namens "Kapillar(gel)elektrophorese". Venter provoziert mit der Aussage, Celera würde den Menschen entschlüsseln, die staatlichen Forscher könnten sich ja dann der Mäuse annehmen. Aber Sponsoren und staatliche Stellen stocken ihre Fördermittel auf, ein Wettlauf entsteht. Celeraaktien werden für 15 Dollar ausgegeben, gut ein Jahr später, Ende 1999 sind sie 190 Dollar wert, dann bricht der Kurs infolge allgemeiner Desillusionierung aber dramatisch ein.

"Postgenomisches Zeitalter"; Aufkommen der Epigenetik[Bearbeiten]

  • 1998: "Epigenetik" ft "RNA-Interferenz"(RNAi): Andrew Fire und Craig Mello (Nobelpreis 2006) erklären die (zufällig 1995 von Su Guo und Kenneth Kemphues entdeckte) "RNA-Interferenz" , einen wichtigen Spezialfall der zielgerichteten Abschaltung von Genen bei Eukaryonten via Stilllegung ihrer Boten-RNA.[73]
    Das stärkste RNAi gibt es bei doppelsträngiger RNA (dsRNA), die durch das Enzym "Dicer" in sehr kurze "siRNA" (small interfering RNA) gehäckselt wird (siRNA wird erst ein Jahr später isoliert). Die siRNA binden dann an ein sogenanntes "Argonauten"protein, das sie so weiter verarbeitet, dass sie mRNA auschalten können und Proteinbildung verhindert. Zweijahre später (2000) wird ein "Schalter"-Komplex aus RNA und Proteinen beschreiben und als "RNA-induced silencing complex (RISC)" bezeichnet. Forscher interessiert vor allem die Möglichkeit der Blockade pathologischer Gen-Segmente, etwa bei AIDS und Hepatitis B.[74]
    Die RNA-Interferenz gehört zum neuen heißen Themenbereich Epigenetik. Darunter versteht man durch Umwelteinflüsse und Erfahrungen induzierte molekulare Mechanismen, die zu einem stärkeren oder schwächeren Ablesen von Genen führen. Nicht die gespeicherte Information wird verändert, sondern der Aktivitätszustand der Gene. (Neben RNAi geht es vor allem um die epigenetische Prägung (imprinting) und die Modifikation von "Histon" genannten Zellkernproteinen)
  • 1999: Mit "Chromosom 22" wird erstmals ein menschliches Chromosom voll sequenziert.[75]
  • 1999: siRNA (Small interfering RNA) werden vom Engländer David Baulcombe entdeckt. Diese sehr kurzen (nur gut 20 Basenpaar langen) doppelsträngigen RNA-Stücke sind ein entscheidender Baustein der RNA-Interferenz (siehe 1998). Künstlich produzierte siRNA wird schon kurz darauf zu Forschungszwecken eingesetzt, weil Wissenschaftler mit diesem Hilfsmittel gezielt die Produktion ausgewählter Proteine unterbinden können.
  • 1999: "GloFish": Yorktown Technologies lässt drei aufgrund eines gentechnischen Eingriffs fluoreszierende Fischarten patentieren, sie werden v.a. als Labortiere verwendet. 2004 kommen die veränderten Zebrabärblinge sogar als erstes transgenes Haustier in den Handel.
  • 2000: Das Genom der Modellpflanze "Acker-Schmalwand" (Schotenkresse, Gänserauke; Arabidopsis thaliana) wird sequenziert.
  • 2000: Die Israelin Ada Yonath sowie Thomas Steitz und Venkatraman Ramakrishnan (beide USA) veröffentlichen Erkenntnisse zur Struktur von Ribosomen. Insbesondere die beharrliche Yonath hat in über 20 Jahren Bahnbrechendes geleistet, sie züchtete aus den oft instabilen Ribosomen Kristalle und beleuchtete sie mit Röntgenstrahlen. Anhand der Beugungsmuster kann man auf die räumliche Struktur zurückschließen, was insbesondere wichtig ist, weil Ribosome von Bakterien als vielversprechende Angriffspunkte für neue Antibiotika gelten. ( alle drei bekommen 2009 den Nobelpreis) Sah man früher in RNA einen passiven Informationsvermittler, weiß man spätestens jetzt, dass sie eine aktive Rolle bei Syntheseprozessen in der Zelle spielt.[76]
  • 2000: Großbritannien gewährt der "Geron Corporation" ein Patent auf das Klonen menschlicher Embryos.
  • 2000: Schon 1987 bei einer Bakterienart beschriebene antivirale Verteidigungsmechanismen werden auch bei anderen Bakterien und Archäen entdeckt. Sie werden ab 2002 "CRISPR" (clustered regularly interspaced short palindromic repeats) genannt. Zehn Jahre später erhalten diese Mechanismen in einem gentechnischen Werkzeug namens CRSPR cas überragende Bedeutung.
  • 2000: (vgl .RNAi, 1998) Der Amerikaner Gregory Hannon vom Cold Spring Harbor Laboratory entdeckt RISC (RNA-induced silencing complex), einen RNA-Protein-Verbund, der die Produktion spezifischer Proteine ausschalten oder verringern (Gene Silencing) kann.
  • 2001: Der mit $500.000 dotierte Gruber-Preis für Genetik wird ausgelobt.
  • 2001: Ein Team um Roger Kornberg (USA) klärt die Struktur der RNA-Polymerase. Er erhält wie sein Vater Arthur Kornberg den Nobelpreis.[77]
  • 2002: Das deutsche Stammzellgesetz (StZG) regelt Einfuhr und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen.
  • (2003: Das EU-Parlament beschließt, die Forschung an embryonalen Stammzellen zu fördern. )
  • 2003: Austin Burt entwickelt den Gen Drive zur beschleunigten Ausbreitung von gewünschten Eigenschaften in Populationen. [78]
  • 2003: Abschluss des Humangenomprojekts wird bekanntgegeben. Es gibt gut 20.000 proteinkodierende menschliche Gene und über 8.000 RNA-kodierende Gene. Entgegen der Auffassung der Öffentlichkeit sind nicht alle Gene entschlüsselt, sondern nur diejenigen, die man mit der derzeitigen Technologie bewältigen konnte.[79]
    Insgesamt gilt das Ergebnis eher als enttäuschend, man kann nicht einfach einen "Code lesen" und versteht dann das Leben, die Abläufe sind weitaus komplexer. Für das 21. Jahrhundert benutzt man häufig das nicht sauber definierte Schlagwort "postgenomisches Zeitalter".
  • 2003: "ENCODE" ( ENCyclopedia Of DNA Elements, vgl. Wikipedia ) wird als Folgeprojekt des Humangenomprojekts vom amerikanischen "National Human Genome Research Institute" (NHGRI) initiiert. Ziel ist es, alle Elemente im Erbmaterial DNA aufzuspüren, die eine Funktion haben.
  • ca.2003: Aufkommen der heftig umstrittenen Idee, mit "DNA-Barcoding" eine Speziesdatenbank aufzubauen.[80]
  • 2003: Die "World Anti-Doping Agency" (WADA) beschließt, ab 2004 "Gendoping" zu verbieten, das leistungsfördernde Einschleusen von DNA- oder RNA-Molekülen in den Körper.
  • (2004: In der UN scheitert ein Vertragsentwurf, das Klonen weltweit zu verbieten. )
  • 2004: Optogenetik: Der Amerikaner Karl Deisseroth entwickelt mit Edward Boyden und Feng Zhang in Stanford eine Methode, lichtabhängige Proteine (Channelrhodopsine) in bestimmten Nervenzellen zu exprimieren. Sie können Zellen mit Licht steuern.[81] Der Österreicher Gero Miesenböck verbessert diese Methoden in Oxford weiter.
  • 2006: Entdeckung der Klasse der nichtkodierenden piwi-interacting RNAs (piRNAs), die etwas länger als miRNAs und siRNAs sind. Sie binden an PIWI-Proteine und sind ausschließlich in Keimzellen zu finden. Mit snRNAs und snoRNAs bilden sie die Klasse der "kleinen RNAs".
  • 2007: Start des "Roadmap Epigenomics Project" des amerikanischen National Institutes of Health (NIH). Für verschiedene menschliche Zelltypen soll in Anlehnung zu ENCODE ein Epigenom erstellt und publiziert werden (Human Epigenome Atlas), dabei handelt es sich um die Gesamtheit der chemischen Markierungen an der DNA und ihren Verpackungsproteinen (Histonen).
  • 2008: Das 1000-Genome-Projekt ( vgl. Wikipedia ) will bis 2011 2.500 Menschen sequenzieren. 2012 wird in "Nature" die Sequenzierung von 1092 Genomen bekannt gegeben, 2015 sind 2.500 erreicht. [82]
  • 2008: Der deutsche Bryologe Ralf Reski von der Uni Freiburg demonstriert an Moosen Gen-Silencing durch künstliche microRNAs.
  • 2009: TALEN (Transcription activator-like effector nuclease) sind künstlich hergestellte Restriktionsenzyme, Designer-Nukleasen wie die "Zinkfingernukleasen" (1996). Ihre Verwendung fällt unter den Begriff "Genome editing with engineered nucleases" (GEEN), sehr ähnlich wird "Genome engineering" verwendet.[83] (siehe auch 2012: CRISPR-Cas)
  • 2010: Laut Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie stammen ein bis vier Prozent des Erbguts von Menschen nichtafrikanischer Abstammung vom Neandertaler.[84] Die Basenpaare sind zwischen beiden Arten zu 99,7 Prozent identisch, zum Vergleich: Es gibt 98,8 Prozent Gemeinsamkeiten mit Schimpansen.
  • 2012: ENCODE ermittelt, dass die 98 Prozent der DNA, die nicht kodiert und früher despektierlich als "junk DNA" bezeichnet wurde, eher ein großer Steuerapparat ist und zahlreiche regulatorische Gene enthält, die die Aktivität anderer Gene beeinflussen.[85] Echten Müll gibt es demnach in der DNA kaum, fast alles hat eine Aufgabe.
    Kritiker dieser Darstellung erwidern, dass man lediglich festgestellt habe, dass viel mehr transkribiert wird als bisher angenommen, dass die Transkripte aber nicht unbedingt eine genetische Funktion haben.[86]

CRISPR/Cas-Zeitalter[Bearbeiten]

  • 2011-2012: Eine Arbeitsgruppe um Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna stellt fest, dass mittels des CRISPR/Cas-Systems der Mikroorganismen, die als Genschere genutzt werden, spezifische DNA-Ziele in vitro geschnitten werden können.[87] Sie reichen ihre wissenschaftliche Arbeit am 8. Juni 2012 bei der Fachzeitschrift Science ein, wo sie am 28. Juni veröffentlicht werden. Parallel arbeitet eine andere Arbeitsgruppe um Virginijus Šikšnys an der Methode, die im April 2012 ihre Arbeit bei Cell einreicht; die aber abgelehnt wird, wenngleich die Herausgeber von Cell dem Artikel nachträglich eine große Bedeutung zugeschrieben haben.[88] CRISPR steht für clustered regularly interspaced short palindromic repeat, Cas für CRISPR-assozierte Proteine. Es kann als einfache und kostengünstige molekularbiologische Methode benutzt werden, um DNA gezielt zu schneiden und zu verändern. Das Erbgut von Tieren oder Pflanzen lässt sich damit viel gezielter und umfassender als bisher verändern.[89][90][91]Das beteiligte Enzym Cas9 hat sich in verschiedenen Bakterienstämmen unabhängig voneinander entwickelt.[92][93]
  • 2013: Shoukhrat Mitalipov klont an der Oregon Health and Science University in Portland Embryonen aus Hautzellen menschlicher Föten. Er betont, nur auf der Zell-Ebene zu arbeiten, um mit embryonalen Stammzellen vielleicht eines Tages individuellen Gewebe-Ersatz für kranke Menschen etwa mit Parkinson oder Alzheimer zu züchten.[94]
  • 2014: Jef Boeke von der New York University pflanzt einer Hefezelle ein Designer-Chromosom ein. [95]
  • 2015: Gen-Editieren von menschlichen Embryos: Chinesische Wissenschaftler um Puping Liang von der Universität Guangzhou benutzen die CRISPR/Cas9-Technik, um fehlerhafte DNA-Abschnitte zu ersetzen.[96]
  • 2016: Die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) erlaubt Genversuche an nicht lebensfähigen menschlichen Embryonen. Eine Forschergruppe um Kathy Niakan will herausfinden, wie defekte Gene in den ersten Embryonalstadien zur Unfruchtbarkeit beitragen. Keimbahnexperimente an entwicklungsfähigen Embryonen bleiben aber verboten.[97]
  • 2016: Minimalgenom: Craig Venter berichtet von erfolgreicher Herstellung eines lebensfähigen Organismus mit nur 473 Genen namens Syn 3.0, die Funktion von 149 von diesen ist aber noch unbekannt, so dass sich diese Zahl in Zukunft wohl noch senken lässt. Zum Vergleich: Mycoplasma genitalium, die Bakterienart mit dem kürzesten natürlichen Erbgut benötigt 525 Gene, das recht bekannte E.coli gut 4.000.[98][99]
  • 2016: Im Anschluss an das Human Genom Project 1990-2003, s.o., das jetzt "HGP Read" genannt wird, wird von Jef Boeke (New York University), George Church (Harvard) und Andrew Hessel (Autodesk Research) ein neues Projekt HGP Write zum Neudesign menschlicher Zellen angekündigt.[100][101]
  • 2016: Physiker um Hartmut Schiessel weisen an der Uni Leiden mittels Computersimulationen nach, dass die Genexpression in den Zellen auch von der Faltung der DNA im Nukleus abhängt. Das könnte klären helfen, wie identische DNA völlig verschiedene Zellformen hervorbringt.
  • 2017: DNA als Langzeitspeichermedium: George Church (Harvard;s.o.) speichert ein Bild einer Hand und eine kurze Filmsequenz, die ein galoppierendes Pferd zeigt, in einer Population lebender Bakterien.[102]
  • 2017: Shoukhrat Mitalipov (vgl. 2013) hat erstmals in den USA genetisch veränderte Menschenembryonen hergestellt. (vgl. China 2015)
  • 2017: Mit einem neuen Werkzeug namens Crispr/cas13 kann man auch die RNA verändern. Während Crispr/Cas9 eine spezielle Basenabfolge in der Nähe der zu verändernden Stelle braucht, ist das bei Cas13 nicht nötig. [103]
  • 2018: Die NASA gibt bekannt, dass sich die DNA des Astronauten Scott Kelly im All gegenüber derjenigen seines eineiigen Zwillingsbruders Mark, der auf der Erde blieb, deutlich verändert hat. Der Grund ist noch unbekannt, es wird über die Auswirkung der Schwerkraft spekuliert. Scotts DNA-Methylierung verringerte sich, die Telomere wurden überraschenderweise länger. [104]
  • 2018: Der Chinese He Jiankui hat in Shenzhen die weltweit ersten genetisch veränderten Babies kreiert. Ihr Vater war HIV-positiv, dennoch wird der Eingriff in die Keimbahn einhellig als Tabubruch kritisiert und selbst von chinesischen Politikern abgelehnt.[105]
  • 2018: Das Earth BioGenome Project (EBP) wird vorgestellt, ein Projekt zur Sequenzierung aller bekannten 1,5 Mio. eukaryotischen Spezies binnen zehn Jahren. Die Kosten dafür werden auf knapp $ 5 Mrd. veranschlagt.[106]
  • 2019: Steven Benner (Harvard) stellt Hachimoji-DNA vor (japanisch «hachi» (acht) und «moji» (Buchstaben)), künstliche Erbgutmoleküle, die statt vier gleich acht Basen benutzen. Sie existiert nur im Labor und kann sich im Gegensatz zur natürlichen DNA nicht selbst erhalten. Drei der vier künstlichen Basen kommen gar nicht natürlich vor. [107]
  • 2019: Ein Team um Andrew Anzalone (Harvard) stellt ein neues auf CRISPR aufbauendes Verfahren namens „Prime Editing“, kurz PE, vor. Theoretisch könnte man damit fast 90 Prozent der etwa 75.000 zu Krankheiten führenden genetischen Veränderungen korrigieren, aber die Technologie steckt noch in der Frühphase.[108]]

Inhaltsverzeichnis

Weblinks[Bearbeiten]

Wikipedia-Listen[Bearbeiten]

Bibliographie[Bearbeiten]

  • Rolf Knippers: Eine kurze Geschichte der Genetik. Springer-Spektrum. ISBN 978-3-8274-2914-8
  • Sam Kean: Doppelhelix hält besser. ISBN 978-3455502602.
  • mentor Abiturhilfe. Biologie Oberstufe Genetik. ISBN 978-3580656928.
  • Jennifer A. Doudna, Samuel H. Sternberg: Eingriff in die Evolution: Die Macht der CRISPR-Technologie und die Frage, wie wir sie nutzen wollen. Springer Verlag, Berlin Heidelberg, 2018, ISBN 3-662-57444-6.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. SPEKTRUM
  2. Karlsruher Institut für Technologie
  3. Kurzbiographie Browns von Michaela Hummer
  4. Biografie bei SPEKTRUM
  5. Biografie bei SPEKTRUM
  6. Chromo-soma.de
  7. Biografie bei SPEKTRUM
  8. [Sam Kean "Doppelhelix hält besser", S. 26 ff]
  9. Kossel bei SPEKTRUM
  10. Uni Illinois: "Emile Maupas (1844-1916) ...and the Maupas MedaI"
  11. Allel bei SPEKTRUM
  12. Genoe News Network
  13. Eintrag im Biologie Lexikon
  14. Diploidie-Eintrag bei SPEKTRUM
  15. GNN-Kurzbio
  16. Norkinvirology über Felix d’Herelle
  17. NPR
  18. Biographie-pdf bei National Center for Biotechnology Information
  19. uller bei GNN
  20. Spektrum, Bedeutung "3"
  21. Bio
  22. ["Eine kurze Geschichte der Genetik, S.63]
  23. Delbrück-Biografie bei Laborjournal.de
  24. Uni Berkeley
  25. Biografie Lipmanns des Nobelpreisinstituts
  26. Nobelpreisbio
  27. Spektrum über "Ein Gen-ein Protein"
  28. "Fluktuationstest" bei Spektrum
  29. Die ZEIT 1983 "Springende Gene und bunte Körner"
  30. Chargaff Regeln bei Spektrum
  31. Guardian 2015, "Sexism in Science"
  32. Erklärung auf Oliver Kohlhaas.de
  33. ZEIT 25.4.2013: "Zwei Chaoten knacken die DNA"
  34. Ribosomen-Erklärung bei Spektrum
  35. Wobble-Hypothese der tRNA
  36. National Institute of Health;The Arthur Kornberg Papers-The Synthesis of DNA, 1953-1959
  37. Nobelpreis-Bio
  38. Erklärung bei Biologie-Schule.de
  39. Transfektion im Spektrum-Lexikon
  40. Operon-Modell
  41. RNA Polymerase bei Spektrum
  42. Academics.de
  43. NCBI über die Entdeckng von DNA in Organellen
  44. Edward M. De Robertis vom NCBI über John Gurdon
  45. Erklärung bei SPEKTRUM
  46. Eintrag bei SPEKTRUM
  47. Paul Natterer :Philosophie der Biologie, p.23 ff
  48. Fasebj.org
  49. Roche über die Neuerungen 1972 und 73
  50. Marc Anderson "50 Schlüsselideen Genetik", S.44
  51. Scientific American "What is junk DNA and what is it worth?"
  52. Klonierung bei Simply Science
  53. Asilomarkonferenz in Spektrum
  54. Helikasen bei Spektrum.de
  55. Bioinfo.org
  56. Polymerase Kettenreaktion bei Spektrum
  57. Beschreibung bei Meine Moleküle.de
  58. Helmholtzzentrum für Infektionsforschung: Metagenomik
  59. Uni Mainz
  60. Die WELT 15.10.1999
  61. Spiegel 43/1998
  62. GNN-Eintrag Leroy Hood
  63. Nature 2021
  64. Knockout in Pharmazeutische Zeitung
  65. PID bei onmeda
  66. Humangenomprojekt bei GNN
  67. Science Magazine 3.Juni 2011 "DNA Nanotechnology Grows Up"
  68. Definition bei Biosicherheit.de
  69. Liss Harris, 2005, "The DNA Microarray" in The Scientist
  70. Ncbi, Abschnitt "Gene Targeting With ZFNs"
  71. Slate Feb.2016 "Three-Parent Children Are Already Here"
  72. Guardian, 11.3.2006 Ian Sample "Who really made Dolly?"
  73. Bundesministerium für Bildung und Forschung, Biosicherheit
  74. "RNA-Interferenz: Die Zuversicht ist wieder zurückgekehrt", Bio-Pro
  75. Genome.gov
  76. Darstellung Yonaths bei Nobelpreise
  77. New York Times , 5. Oktober 2006
  78. Gen drive Erklärung bei transgen
  79. Statnews 20.6.2017 "Psst, the human genome was never completely sequenced."
  80. Erklärung
  81. Optogenetik-Erklärung in Spektrum
  82. Wired 2015
  83. Transgen.de zu TALEN
  84. SPIEGEL 6.5.2010
  85. Ärzteblatt 2012
  86. Wissensschau.de
  87. E. Pennisi: The CRISPR craze. In: Science Band 341, Nummer 6148, August 2013, S. 833–836, doi:10.1126/science.341.6148.833, PMID 23970676.
  88. Martin Schlak: Mister Crispr. Wie ein litauischer Biochemiker die Chance seines Lebens verpasste. In: Der Spiegel. Nr. 43, 2019 (online).
  89. Transgen.de über CRISPR
  90. Deutschlandfunk Mai 2014 "Revolution im Gen-Labor"
  91. santa Cruz Biotechnologie
  92. Doccheck:CRISPR-Cas-System unter der Lupe
  93. Deutschlandfunk. Schöne neue Gentechnik, 6.9.2015
  94. Süddeutsche "Klonen" 18.12.2015
  95. The Verge
  96. Ärztezeitung 6.Mai 2015
  97. Sciencemag 1.Feb 2016
  98. http://www.stern.de/panorama/wissen/mensch/craig-venter--das-kleinste-erbgut-der-welt-6763996.html Stern, März 2016]
  99. Sciencenews März 2016 Scientists build minimum-genome bacterium
  100. The Scientist 2.6.2016
  101. Zellstoff-Blog
  102. Neue Züricher, Juli 2017, M.D.Weitze "Ein Film in lebenden Bakterien gespeichert"
  103. Spektrum , Oktober 2017. "Größte Probleme von CRISPR/Cas9 gelöst"
  104. Galileo-Tv 2017, die Ergebnisse von 2018 bestätigen den Befund
  105. ZEIT 21.11.18:"He Jiankui muss Forschung an Babys beenden"
  106. Science Magazine Nov.2018
  107. NZZ 25.Februar 2019 Stephanie Kusma "Aus vier mach acht: Wissenschafter schaffen künstliche DNA"
  108. [https://www.welt.de/gesundheit/article202277978/Prime-Editing-Verbesserte-Gen-Schere-mit-praeziserer-Klinge.html WELT 21.10.2019 Anja Garms "Verbesserte Gen-Schere mit präziserer Klinge"
  Dieser Artikel ist im Marjorie-Wiki entstanden.