Berliner Burschenschaft Rugia

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Berliner Burschenschaft Rugia

Wappen Zirkel
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Basisdaten
Gründung: 4. Dezember 1886
Farbenstatus: farbentragend
Farben:
Mütze: rote Mütze
Stellung zur Mensur: schlagend
Wahlspruch: Furchtlos und treu!

Die Berliner Burschenschaft Rugia war eine 1886 gegründete schlagende Studentenverbindung in Berlin. Sie war bis zu ihrer Suspendierung am 1. Oktober 1969 Mitglied des Korporationsverbandes Deutsche Burschenschaft und ist 1982 aufgelöst worden.

Couleur[Bearbeiten]

Die Farben der Rugia waren schwarz-rot-gold, also die der burschenschaftlichen Bewegung. Es wurde ein Burschenband mit den Farben schwarz-rot von unten und goldener Perkussion zu einer roten Mütze getragen. Das Fuxenband hatte die Farben schwarz-rot-schwarz.

Geschichte[Bearbeiten]

Am 4. Dezember 1886 hatten sieben Studenten der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, deren Gebäudekomplex sich an der Straße Unter den Linden befand, einen Akademischen Verein gegründet, den sie „Vratislavia“ nannten - stammten sie doch alle aus Breslau und kannten sich aus ihrer Schulzeit. Die Statuten des Vereins wurden im nächsten Jahr vom Rektor der Universität genehmigt. Ihr Ziel sahen die Studenten in der Ausbildung ihrer körperlichen Fähigkeiten durch Fechten und Turnen, getreu dem Wahlspruch: „mens sana in corpore sano!“ Sie traten deshalb dem Akademischen Turnbund als besondere Riege bei.

Schon im Juli 1887 beschlossen die nunmehr vierzehn Mitglieder der Vereinigung, Couleur anzulegen: zum rosa-silber-grünen Bande wurden eine rosa Mütze oder ein weißseidener Stürmer getragen. Noch im selben Jahr wurden auch eigene Waffen angeschafft, um den Anfeindungen seitens der älteren Verbindungen begegnen zu können. Das erste Paukverhältnis wurde mit der Freien Burschenschaft „Teutonia“ (später Mitglied der Deutschen Burschenschaft und 1950 mit den Berliner Burschenschaften „Franconia“ und „Normannia“ zur Berliner Burschenschaft der Märker fusioniert) geschlossen. Im Oktober dieses Jahres änderte die Vereinigung ihre Farben, indem nun eine grüne Mütze oder ein grünseidener Stürmer getragen wurde. Wenig später wurde auch ein Fuxenband mit den Farben grün-silber-grün eingeführt.

Im August 1888 wandelte sich der Akademische Verein in eine Landsmannschaft um, die unter Beibehaltung der Farben den Namen „Makaria“ erhielt. Mit dem damit verbundenen Austritt aus dem Akademischen Turnbund entfiel nun das Turnen als sportliche Betätigung. Zum neuen Wahlspruch wurde erkoren: „Furchtlos und treu!“ – der übrigens durch sämtliche späteren Wandlungen der Verbindung erhalten blieb. Im Jahr 1889 konnte ein Altherrenverband gegründet werden, weil die ersten Mitglieder ihr Studium abgeschlossen hatten. Das Paukverhältnis mit der „Teutonia“ wurde im SS 1892 aufgelöst, weil diese dem Berliner Chargierten Convent beigetreten war. Ein neues Paukverhältnis wurde deshalb mit der freien Verbindung „Humboltiana“ begründet.

Die Landsmannschaft entwickelte sich weiter, der Fuxenzulauf blieb erfreulich, doch setzte sich besonders unter der jüngeren Mitgliedern die Ansicht durch, dass der landsmannschaftliche Charakter nicht mehr zeitgemäß sei und deshalb auch nicht mehr den Anschauungen der Mitglieder entspräche. So beschloss der Schlussconvent des WS 1893/94 die Umwandlung in eine Burschenschaft, wobei Farben und Wahlspruch beibehalten wurden. Die Freie Burschenschaft „Gothia“ eröffnete ihren Betrieb am 17. Mai 1894. Bereits im nächsten Semester schloss sie ein Paukverhältnis mit der Burschenschaft „Friderico-Guilelmia“, dem später auch die „Burschenschaft der Klosteraner“ beitrat.

Zu einem großen Ereignis wurde das 10. Stiftungsfest im WS 1896/97 mit einem Festball im Hotel Imperial Unter den Linden. Doch kurz darauf löste sie der Rektor der Universität Anfang Februar 1897 auf, weil dem Universitätsrichter angezeigt worden war, dass die „Gothia“ auch Studenten der TH Charlottenburg aufgenommen hatte. Mit Unterstützung ihres Paukverbandes konnte sie am 15. Februar 1897 mit dem Namen „Stauffia“ rekonstituieren. Für das Band wurden die Farben grün-silber-rosa gewählt, die einst für den Verein „Vratislavia“ gegolten hatten, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge. Kaum war jedoch das Verbot aufgehoben, wurden am 15. Juli 1897 der Name „Gothia“ und ihre Farben wieder angenommen. In diesem Semester schied „Friderico-Guilelmia“ aus dem Paukverhältnis aus, das im WS 1899/1900 vollständig aufgelöst wurde, weil die „Gothia“ die „Burschenschaft der Klosteraner“ wegen Kneifens in Verruf tat. Dafür trat die „Gothia“ mit dem Berliner Vertreterconvent der Turnerschaften in ein Paukverhältnis, das sich aber im SS 1903 lösen sollte, weil sie dem VC nicht beitreten, sondern Burschenschaft bleiben wollte.

Die Auseinandersetzung der jungen Burschenschaft mit der Universitätsbehörde stand in direktem Zusammenhang mit dem Versuch der Universitätshierarchien, die Gleichberechtigung der Ingenieur-Studenten zu verhindern. Schon bei der Einführung der Realgymnasien 1859 in Preußen erhielten deren Abiturienten deshalb zunächst nur einen begrenzten Zugang zu den klassischen Studiengängen wie Jura oder Medizin. Mit der Umwandlung der Polytechnischen Lehranstalten in Technische Hochschulen entstand ein konkurrierendes System der Hochschulausbildung, in dem die Universitätsabsolventen ihren Rang als Akademiker vor den als nicht gleichwertig erachteten Ingenieuren lange zu schützen suchten. Erst am 11. Oktober 1899 regelte Kaiser Wilhelm II. als König von Preußen in einem Erlass das Recht der Technischen Hochschulen, den Grad eines Diplom-Ingenieurs zu erteilen, und verlieh ihnen das Promotionsrecht. Die anderen deutschen Staaten schlossen sich diesem Vorbild in den nächsten Jahren an. Der Kampf um die akademische Freiheit der TH-Studenten war damit aber noch nicht beendet, galt es doch, die Lern- und Lehrfreiheit und das Recht der freien Meinungsäußerung durchzusetzen. An diesem Kampf war die junge Burschenschaft führend vertreten, meistens vertreten durch den im WS 1901/02 aktiv gewordenen Friedrich Jähne, der an der TH Charlottenburg Maschinenbau studierte.

Zum 15. Stiftungsfest im WS 1901/02 hatte die Altherrenschaft einer mehr als zwanzig Köpfe zählenden Aktivitas eine erste Bundesfahne übergeben. Zum zweiten Mal erfolgte kurz nach einem festlichen Höhepunkt im Juni 1902 das Verbot des Rektors: wieder war ihm hinterbracht worden, dass Studenten der TH Charlottenburg aktiv waren. Am 26. Juni 1902 rekonstituierte der Bund vorläufig unter dem Namen „Guestphalia“, konnte dann aber doch durchsetzen, dass die Aufnahme von Studenten der TH Charlottenburg zugelassen und das Verbot aufgehoben wurde. Die Burschenschaft eröffnete am 31. Januar 1903 mit neuer Zulassung nunmehr sowohl an der Universität als auch an der TH ihren Betrieb nunmehr unter dem Namen „Rugia“ mit den burschenschaftlichen Farben schwarz-rot von unten mit goldenem Vorstoß für das Band und roter Mütze. Das Fuxenband erhielt die Farben schwarz-rot-schwarz. Die Namensgebung leitete sich von den engen Verbindung der Volksstämme Rugier und Goten her.

Der Kampf um die Zulassung als studentische Korporation an der Universität hatte aber auch verdeutlicht, dass ein Heim für die Burschenschaft erforderlich war. Die Aktivitas und die noch schwache Altherrenschaft entschlossen sich deshalb gemeinsam, in der Linienstraße nördlich des Universitätskomplexes eine Wohnung als Konstante zu mieten. Im SS 1903 trat die „Rugia“ in ein Paukverhältnis mit dem Charlottenburger Deputiertenconvent der Burschenschaften an der TH Charlottenburg und suchte schließlich als einzige Universitätsburschenschaft im Deutschen Reich beim Rüdesheimer Verband der Burschenschaften an den Technischen Hochschulen um Aufnahme nach, die auf dem Verbandstag im SS 1904 erfolgte. Unter dem Einfluss des im SS 1897 aktiv gewordenen Otto Luttermann und des im SS 1901 aktiv gewordenen Franz Genschmer, die neben dem Mitbegründer der „Vratislavia“ Friedrich Krüger das Ehrenband erhielten, gedieh die Burschenschaft in den letzten Jahren vor Ausbruch des 1. Weltkrieges merklich; allein im SS 1914 wurden zehn Füxe aktiv. Es war auch die Zeit der glänzenden „Pro Patria“-Suiten, in der Leonhard Frederich über 25 Partien schlug.

Im Ersten Weltkrieg waren die Aktivitas, die sich geschlossen zum Wehrdienst gemeldet hatte, im Felde. Der Studien- und Bundesbetrieb ruhten vollständig. In Berlin hielt „Onkel Luttermann“ die Verbindung unter den Bundesbrüdern aufrecht. Treffpunkt war stets ein Lokal in der Französischen Straße, das von der Mutter des schon 1914 gefallenen Bundesbruders Hans-Joachim Oertler bewirtschaftet wurde. Achtzehn Mitglieder ließen auf dem Schlachtfeld ihr Leben.

Nach Kriegsende nahm die Burschenschaft „Rugia“ einen Aufschwung, in den Trimestern des ersten Nachkriegsjahres 1919 traten 28 Füxe ein. Die Räume in der Linienstraße wurden zu klein. Nach Verhandlungen gelang es, in der Französischen Straße - nahe am Gendarmenmarkt - ein neues Heim zu finden. Mit der 1919 erfolgten Verschmelzung des Rüdesheimer Verbandes mit dem Eisenacher Verband der Universitätsburschenschaften gehörte auch die „RUGIA“ nun der neu gebildeten Deutschen Burschenschaft (DB) an. Sie trat 1920 dem „Bauernbund“ bei, einer losen Vereinigung von Bünden an den Technischen Hochschulen, der jedoch keine rechte Arbeitsmöglichkeit im Dachverband fand und sich im Juli 1927 auflöste. Auf Anregung der „RUGIA“ erfolgte danach die Gründung der „Wartburggruppe“ von kartellfreien Burschenschaften. Da diese allerdings auch alsbald Auflösungserscheinungen zeigte, betrieb die „RUGIA“ 1931 die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft, die den Namen „Schwarzer Ring“ annahm. Von der engen Verbundenheit der Alten Herren mit der Aktivitas zeugte besonders die aus Spenden ermöglichte Anschaffung einer nun schwarz-roten Bundesfahne, die am 12. Juni 1929 geweiht wurde. Zum Jahresende 1933 bestanden in Berlin 24 Burschenschaften der DB: mit 86 Mitgliedern der Aktivitas war die „RUGIA“ dabei eine der stärksten Verbindungen. Doch die studentischen Korporationen passten nicht mehr in das politische Konzept eines nationalsozialistischen Einheitsstaates, so dass der Bundesconvent am 16. Februar 1936 die Auflösung beschließen musste, um Zwangsmaßnahmen zu entgehen. Nur teilweise gelang es, danach in der gemeinsam mit der Burschenschaft „Marcomannia“ gebildeten „Kameradschaft Ostland“ die Tradition fortzusetzen.

Im Zweiten Weltkrieg fielen 34 Bundesbrüder, ein weiteres Dutzend wurde vermisst. Die Überlebenden waren verstreut, so dass es nur mühsam gelang, die alten Kontakte wiederherzustellen. Bis zum 5. April 1950 unterlag das deutsche Vereinswesen, zu dem auch die Studentenverbindungen gezählt wurden, einem strikten Reglement durch die Besatzungsmächte. So konnte sich der Altherrenverband der „RUGIA“ erst nach Aufhebung des Lizensierungszwanges am 13. Mai 1950 rekonstituieren. Der aktive Bund eröffnete dann wieder am 5. April 1951. Es gelang, ein Haus in der Thielallee 20 zunächst zu mieten und später zu erwerben, so dass der Aktivenbetrieb in unmittelbarer Nähe der Freien Universität erfolgen konnte. Pfingsten 1952 wurde die „Rugia“ wieder in die Deutsche Burschenschaft aufgenommen und gründete im WS 1954/55 gemeinsam mit den Burschenschaften „Thuringia“ zu Braunschweig, „Schlägel und Eisen“ zu Clausthal und „Teutonia“ zu Aachen den „Schwarz-Weißen Ring“.

Die weitere Entwicklung in West-Berlin war von mannigfachen Schwierigkeiten gekennzeichnet. Als schließlich geeigneter Nachwuchs ausblieb, suspendierte der Bundesconvent die Aktivitas am 1. Oktober 1969. Da die Versuche einer Wiederbelebung scheiterten, wurde die Burschenschaft 1982 endgültig aufgelöst.

Bekannte Mitglieder[Bearbeiten]

  • Friedrich Jähne (1879 - 1965), Vorstandsmitglied IG Farben, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Farbwerke Hoechst AG
  • Kurt Tank (1898 - 1983), Chefkonstrukteur der Focke-Wulf Flugzeugbau GmbH Bremen
  • Kurt Eberhard (Psychologe) (1938 - 2008), Psychologe, Hochschulprofessor
  • Dieter Hallervorden (*1935), Schauspieler, Theaterleiter, Kabarettist (später ausgetreten)[1]

Literatur[Bearbeiten]

  • Festschrift zum 75. Stiftungsfest der Berliner Burschenschaft Rugia, 1961 (als Manuskript gedruckt)
  • Wolfram, Herwig: Die Goten, 4. Auflage, C. H. Beck, 2001, ISBN 3 406 33733 3
  • Grobe, Frank: Zirkel und Zahnrad, Band 17 der Darstellungen und Quellen zur Geschichte der deutschen Einheitsbewegung im 19. und 20. Jahrhundert, Winter Verlag, 2009, ISBN 978 3 8253 5644 6

Einzelnachweise[Bearbeiten]

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