Banking-Theorie

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Mit dem Begriff Banking-Theorien, Banking-Lehren oder gelegentlich Banking-Schule werden wirtschaftswissenschaftliche, präziser geldtheoretische, Lehrmeinungen zusammengefasst, die private Geldschöpfung in unterschiedlichem Umfang zulassen. Meist werden dabei entsprechend qualifizierte Banken, die sogenannten Geschäftsbanken, neben staatlichen Zentralbanken in die Lage versetzt, in unterschiedlichem Umfang selbstgeschaffenes Giralgeld in Umlauf zu bringen und durch Kreditvergabe eine aktive Geldmengenpolitik zu betreiben. Der Gewinn aus der Geldschöpfung, die Seigniorage, verbleibt als zusätzlicher Profit im Besitz der Banken. Das Geldsystem in der Europäischen Union und Nordamerika funktioniert derzeit nach einem solchen Modell.

Demgegenüber erlauben die Currency-Theorien ausschließlich das vom Staat ausgegebene Geld als Zahlungsmittel, verbieten jede sonstige Geldschöpfung und die Kontrolle der verfügbaren Geldmenge obliegt allein dem Staat.

Historisches und Hintergrund[Bearbeiten]

Seit Entstehung der Zentralbanken vor etwa 300 Jahren gibt es zwischen ihnen und den normalen Geschäftsbanken eine Arbeitsteilung mit durchaus wechselhaftem Verlauf. Finanzwissenschaftlich und geldpolitisch ist dieser Verlauf seit den 1830er Jahren begleitet von der Kontroverse zwischen Currency- und Banking-Lehren.

Banking-Theorien stehen in der Nachfolge von Thomas Tooke und John Fullarton. Sie betrachten Geld als Privatsache. Deshalb soll als Geld alles zugelassen sein, was die Banken und das Publikum als Bezahlung akzeptieren. Anstelle einer staatlichen Kontrolle der Geldmenge solle es den Banken und den Geld- und Kapitalmärkten überlassen bleiben, was sie als Zahlungsmittel in Umlauf geben (die Währungen) und wie viel davon (die Geldmenge). Den Geldschöpfungsgewinn sollen die Banken privat vereinnahmen dürfen.

Banking-Lehren werden vor allem von Bankiers und Bankern selbst vertreten. Wissenschaftler mit ausgeprägtem Banking-Standpunkt finden sich nur vereinzelt, besonders exponiert zum Beispiel Friedrich von Hayek (1977 [1]), der die radikale Entstaatlichung und Kommerzialisierung des Geldes in der Hand von Banken forderte.

Aktuelles und Kritik[Bearbeiten]

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Infolge der Ausbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs sind die Banken heute zunehmend weniger auf die Zentralbank angewiesen. De facto bestimmen die Banken die Geldmenge durch ihre Kreditvergabepraxis meist ohne Rücksicht auf die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft, da sie sich am eigenen Profit orientieren. Hierbei verhalten sie sich ausgeprägt prozyklisch. Sie übersteuern die Geldmenge wiederkehrend, indem sie in Wachstums- und Haussephasen überschießend zu viel Geld, in Stagnations- und Baissephasen zu wenig Geld in Umlauf bringen.

Die Banken realisieren aus ihrer Giralgeldschöpfung einen privaten Zinsextragewinn. Infolge der großen Giralgeldmenge entgeht den Zentralbanken, damit der öffentlichen Hand, ein großer Teil des Geldschöpfungsgewinns. Deren Summe bewegt sich für Deutschland in einer Größenordnung von jährlich 10–30 Milliarden Euro je nach Expansion der Geldmenge. Die Seigniorage entspricht in erster Annäherung einem Zuwachs der Geldmenge M1 in Proportion zum realen Wirtschaftswachstum, nach heutigen Maßstäben Summen in der Größenordnung von jährlich 25 bis 50 Milliarden Euro.[2]

Infolge der kaum mehr steuerbaren Entwicklung der Geldmengen M1 bis M3 haben sich die Zentralbanken von der Geldmengenpolitik auf Zinspolitik verlegt. Gemessen an den Resultaten ist dies weitgehend wirkungslos geblieben: Im Zeitraum von 1992 bis zum Kriseneinbruch 2008 hat sich die Geldmenge M1 in Deutschland um 189 Prozent ausgedehnt. Damit wuchs die Geldmenge fast viermal stärker als das Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen, dessen Zuwachs sich auf 51 Prozent belief, und mehr als achtmal stärker als das preisbereinigte reale Bruttoinlandsprodukt, das um 23 Prozent stieg. [3]

In diesem Sachverhalt kommt zum Ausdruck, dass die prozyklisch überschießende Kreditexpansion und damit Giralgeldschöpfung nicht nur anhaltende Inflation nährt, teils schwächer, teils stärker, sondern zunehmend auch selbstbezügliche Finanzgeschäfte über den Bedarf der Realwirtschaft hinaus. Aus diesem Zusammenhang erklärt sich auch die massive Expansion des Investmentbanking in diesem Zeitraum sowie die in allen Teilen der Welt häufiger auftretenden Spekulationsblasen mit schweren Krisenfolgen, in Amerika und Europa vor allem die Dotcom Krise 2000 bis 2001 und die Finanzkrise von 2007 bis 2009, aber auch die Asienkrise von 1997 bis 1998.

Der Zusammenhang zwischen Kreditschöpfung und Wirtschaftswachstum sowie Vermögenswertezyklen wurde erst 1992 theoretisch dargelegt in einer 'Disaggregierten Quantitätsgleichung des Kredits' von Richard A. Werner [4], sowie empirisch belegt. Werner testete die herkömmlichen Geldtheorien, sowie die disaggregierte Kredittheorie anhand der volkswirtschaftlichen Daten von Japan, wo einer spekulativen Blase in den 1980er Jahren über ein Jahrzehnt Rezession folgte. Dies wurde zur Grundlage seines 'neuen monetären Paradigmas'.[5][6]

Siehe auch[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

Einzelnachweise und Quellen[Bearbeiten]

  1. Friedrich von Hayek: Entnationalisierung des Geldes, Mohr Siebeck, Tübingen 1977. ISBN 3-16-149224-2
    Erweiterte Neuauflage 2010: ISBN 3-16-149223-4 und ISBN 978-3-16-149223-5
  2. Joseph Huber, James Robertson: Geldschöpfung in öffentlicher Hand. Gauke Verlag, Kiel 2008, S. 15, 35, 86, ISBN 978-3-87998-454-1.
  3. Geldmenge M1 nach den Monatsberichten der Bundesbank, Tab. II.2. Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen nach den Jahrbüchern des Statistischen Bundesamtes. Reales Bruttoinlandsprodukt errechnet nach Zeitreihe JJ5000: VGR – Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt. Auch jährliche Inflationsraten der Verbraucherpreise nach Destatis, STATMagazin, Juni 2009.
  4. Richard A. Werner: ‘Towards a New Monetary Paradigm: A Quantity Theorem of Disaggregated Credit, with Evidence from Japan’, Kredit und Kapital, vol. 30, no. 2, July 1997, Berlin: Duncker & Humblot, pp. 276-309; The Economist, Economics Focus, 19 June 1993 reviewing an early version of Werner's paper.
  5. Richard Werner: New Paradigm in Macroeconomics, Basingstoke: Palgrave Macmillan, 2005
  6. Richard Werner: Neue Wirtschaftspolitik, München: Vahlen Verlag, 2007
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