Böhm-Bawerk-Denkmal
Das Böhm-Bawerk-Denkmal befindet sich am zweiten Arkadenpfeiler der Universität Wien auf der von der Aula aus gesehen linken Seite des Hofes, der so genannten Juristenseite.
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[Verbergen]Beschreibung[Bearbeiten]
Das Denkmal besteht aus einer hochformatigen 5 cm starken, hellen Steintafel mit gesprenkelter Oberfläche der Ausmaße 56 cm x 80 cm. Die obere Hälfte der Tafel trägt ein kreisrundes Bronze-Medaillon des Gelehrten im Profil mit einem Durchmesser von 30 cm. Das Gesicht ist nach rechts in den Arkadengang gerichtet. In der unteren Hälfte der Tafel sind der Name, die wesentlichen ausgeübten Funktionen sowie die Lebensdaten des Gelehrten in Versalien eingemeißelt, die braun eingefärbt sind.
Notizen zur dargestellten Person[Bearbeiten]
Eugen von Böhm-Bawerk (12. Februar 1851 in Brünn – 27. August 1914 in Kramsach/Tirol) war ein bedeutender österreichischer Nationalökonom. Er war Schüler des Begründers der „Wiener Schule der Nationalökonomie“ Carl von Menger (1840–1921) und gemeinsam mit diesem sowie mit dem gleichaltrigen Friedrich von Wieser (1851–1926), prominentester Vertreter dieser Lehre. Böhm-Bawerk wirkte als Universitätsprofessor in Innsbruck (1884–1889) und Wien (1905–1914), war in Anerkennung seiner wissenschaftlichen Leistungen von 1911 bis 1914 Präsident der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften und bekleidete in Ansehung seiner Fachkompetenz und als ein mit praktischen Fähigkeiten ausgestatteter Wissenschaftler das Amt des Finanzministers der Österreich-Ungarischen Monarchie in drei Kabinetten (1895, 1897–1898, 1900–1904). Er ruht in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof.
Entstehungsgeschichte[Bearbeiten]
Die Genesis des Denkmals von der grundsätzlichen Beschlussfassung im Jahr 1936 bis zur Enthüllung im Jahr 1950 umspannt einen Zeitraum von 14 Jahren. Sie ist nicht lückenlos rekonstruierbar und wird tiefer stehend auf Basis aktuell zugänglicher Dokumente so gut wie möglich dargelegt: Am 25. Januar 1936 stellt ein Professorenkollegium der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät, bestehend aus den Professoren Mayer, Walker, Degenfeld und Wenger an die Fakultät einen Antrag auf Erwirkung der Genehmigung eines Denkmals für die Professoren Eugen von BÖHM-BAWERK und Friedrich Freiherr von WIESER im Arkadenhof der Wiener Universität und begründet diesen (auszugsweise) wie folgt:
„Eugen von Böhm-Bawerk [...] gehörte von 1905, Friedrich Freiherr von Wieser [...] von 1903 an [...] der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät der Wiener Universität als ordentliche Professoren an. Beide haben als Begründer (gemeinsam mit Carl Menger) und durch ihre Weiterentwicklung der in der ganzen wissenschaftlichen Welt durchgedrungenen „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“ zum Ruhme der österreichischen Wissenschaft und zur Mehrung des Ansehens der Wiener Universität in außerordentlichem Maße beigetragen [...] Sehr rasch sind die neuen Erkenntnisse, die sich an den Namen Böhm-Bawerks knüpfen, zum Gemeingut der ökonomischen Wissenschaft überall dort geworden, wo exakte und gründliche Forschung betrieben wird [...] Auch in der Verwertung der Ergebnisse seiner wissenschaftlichen Arbeit zum Wohl des Staates hat Böhm-Bawerk in idealer Verbindung der Arbeit des Gelehrten und des Praktikers Höchstes geleistet. Die umfassende Reform des österreichischen Steuersystems, die er während seiner Ministerschaft [...] durchführte, war zum größten Teil sein persönliches Werk [...] dass er mit Recht als einer der bedeutendsten Finanzminister des alten Österreich bezeichnet wurde.
Friedrich Freiherr von Wieser teilte sich mit Böhm-Bawerk die Führerschaft beim Aufbau des neuen theoretischen Systems [...] Sein Name steht auf der Ehrentafel der Universität; auch er hat sein umfassendes Wissen als Handelsminister erfolgreich in den Dienst des Staates gestellt. Das in höchstem Maß erfolgreiche Wirken der beiden Gelehrten als akademische Lehrer ist noch in so frischer Erinnerung, dass es keiner weiteren Hervorhebung bedarf. Wie die beiden Gelehrten ihre wissenschaftliche Pionierleistung in enger Verbindung miteinander vollbrachten, so standen sie auch durch die Bande lebenslanger Freundschaft einander persönlich nahe. Deshalb besteht der Plan, ihnen die Anerkennung der Universität, deren Ruhm sie gemehrt haben, in der Form eines beide vereinigenden Bildwerkes, etwa eines Doppelporträts in Relief, zuteil werden zu lassen.“
In der Sitzung vom 16.März 1936 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät fasste das Professorenkollegium bei Anwesenheit von 19 Mitgliedern mit allen Stimmen den Beschluss, beim Akademischen Senat die Genehmigung der Errichtung eines Ehrendenkmals für Eugen von Böhm-Bawerk und Friedrich Freiherr von Wieser zu beantragen.
Am 18. Mai 1936 teilt der Rektor dem Dekan den Beschluss des Akademischen Senats vom 16. Mai 1936 mit,
„gemäß Antrag des Professorenkollegiums der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät vom 16. März 1936 den verstorbenen Professoren [...] Dr. Eugen von Böhm-Bawerk und Dr. Friedrich Freiherrn von Wieser [...] Ehrendenkmäler in den Arkaden zu errichten. Es sei nunmehr Aufgabe des Kunstausschusses des akademischen Senats, bezüglich der Wahl der Künstler, die mit der Ausführung der Denkmäler betraut werden sollen, sowie des Aufstellungsortes dem akademischen Senat Vorschläge zu erstatten.“
Am 5. Juni 1936 teilt der Rektor an den Vorsitzenden des Kunstausschusses mit
„dass eine Behandlung der Denkmäler für die Professoren [...] Böhm-Bawerk und Wieser im Kunstausschuss noch nicht spruchreif ist [...] da die bezüglichen Denkmalkomitees noch nicht gebildet sind und daher auch über die Aufbringung der Geldmittel vorläufig nichts bekannt ist.“
Kommentar: Zur Ausführung des Doppelportraits Böhm-Bawerk/Wieser ist es offenbar nicht gekommen (Finanzierungsfrage?, Wechsel im politischen System, Widerstand der Deutsch-Nationalen gegen die Wiener Schule?, Kriegswirren?). Statt dessen dürfte lediglich ein Portrait-Medaillon für Böhm-Bawerk geschaffen worden sein, das vermutlich in den Räumen des rechtswissenschaftlichen Hauptinstituts angebracht wurde. Genaueres ist nicht bekannt, da die Archivalien der Fakultät während der Kriegswirren einem Brand zum Opfer gefallen sind. Ein indirekter Schluss lässt sich aus einem späteren Dokument des zentralen Universitätsarchivs ableiten:
Am 21. Dezember 1949 erhält der Rektor vom Dekan die Mitteilung, dass
„die rechts- und staatswissenschaftliche Fakultät in ihrer Sitzung vom 17. Dezember 1949 [...] einhellig beschlossen hat, beim Rektorat den Antrag zu stellen, die im rechtswissenschaftlichen Hauptinstitut an ungünstiger Stelle angebrachte Plakette Eugen von Böhm-Bawerk in die Arkaden zu übertragen. Es wird gebeten dieser Anregung näher zu treten und bekanntzugeben, wie der Plan durchführbar wäre.“
In seiner Sitzung vom 9. Januar 1950 beschließt der Akademische Senat, dem Antrag der Fakultät stattzugeben und
„bezüglich des Ortes, der Art und Weise der Anbringung, die Artistische Kommission zu befragen.“
Am 26. Januar 1950 beschließt die Artistische Kommission einstimmig
„für die Anbringung eines Reliefs Dr. BÖHM-BAWERK als Platz den Pfeiler gegenüber dem Denkmal C. Menger zu wählen, wobei die Umrahmung neu und größer zu gestalten wäre (Kosten ca S 1.000,-).“
Am 30.Januar 1950 berichtet der Rektor in der Sitzung des Akademischen Senats über die Empfehlungen der Artistischen Kommission. Deren Antrag,
„dass das Relief von Prof. BÖHM-BAWERK gegenüber dem von Karl MENGER angebracht und eine Vergrößerung des Rahmens verlangt werde … wird zustimmend zur Kenntnis genommen.“
Am 30. Januar 1950 berichtet der Rektor in der Sitzung des Akademischen Senats, dass
„die Kosten für die Änderung des Reliefs für Böhm-Bawerk voraussichtlich S 800,- betragen; als Platz wurde der zweite Pfeiler des linken Arkadenganges gewählt und zwar, wegen der besseren Belichtung, die vom Eintritt gesehen, rückwärtige Seite des Pfeilers [...] Dazu erklärt Dekan Prof. Schima, dass die finanzielle Frage gesichert sei.“
Am 5.5.1950 wird in der Kommissionssitzung des Instituts für Wirtschaftswissenschaften berichtet, dass
„[...] die Durchführung der notwendigen Arbeiten von Herrn Dipl. Ing Hochsinger (Universitäts-Gebäudeverwaltung bis 13. Juni 1950 zugesagt wird, sodass die Gedenkfeier zu dem vorgesehenen Termin, am 23. Juni, stattfinden kann. Die erforderlichen finanziellen Mittel im Betrage von Schilling 800,- (achthundert) wurden je zur Hälfte von den beiden Lehrkanzeln Prof. Mayer und Prof. Degenfeld aus von der Industrie zur Verfügung gestellten Geldern aufgebracht [...].“
Die Enthüllung des Denkmals fand schließlich am 23. Juni 1950 statt.
Kunsthistorischer Vergleich und Analyse[Bearbeiten]
Gedenktafeln wie jene für Böhm-Bawerk führen uns, ebenso wie monumentalere Denkmale, Büsten oder Gemälde, die Verdienste des Geehrten vor Augen und müssen so wie diese auch in Zuge eines – wenn auch meist etwas einfacheren - künstlerischen Prozesses geschaffen werden. Der Name des ausführenden Künstlers für die Gedenktafel Böhm-Bawerks kann nicht mit völliger Klarheit genannt werden. Es finden sich keine Angaben über eine Auftragsvergabe in den erhaltenen und öffentlich zugänglichen Archivalien. Der zeitlich früheste Hinweis auf einen Künstlernamen kann dem „Kleinen Führer durch die Universität Wien“ von Dr. Franz GALL (Archivar der Universität Wien) aus dem Jahr 1965 entnommen werden. Hier wird der Name „E. Delug“ für das Enthüllungsjahr 1950 genannt, worauf sich auch Thomas Maisel in seinem Werk „Gelehrte in Stein und Bronze“ aus dem Jahr 2007 bezog. Die Quelle für diese Angabe ist bei Gall jedoch nicht belegt. In den aktuell verfügbaren Künstlerlexika findet sich kein Künstler dieses Namens; hingegen scheint in diesen Nachschlagewerken ein Künstler ähnlichen Namens, nämlich „Alois Delug“, auf, der allerdings Maler und Zeichner, nicht aber – wie zu vermuten wäre - Bildhauer oder Medailleur war und lange vor dem Enthüllungsjahr, nämlich bereits im Jahr 1930, verstorben ist. Dennoch könnte ein Zusammenhang zwischen beiden Namen insofern hergestellt werden, als im „Österreichischen Künstlerlexikon“ von Rudolf Schmidt im Werkverzeichnis von Alois Delug der Eintrag „Grabmäler für Exz. Böhm-Bawerk u. die Familie Grüner auf dem Wr. Zentralfriedhof“ zu finden ist. Dies ist wohl ein Hinweis dafür, dass Alois Delug die auf dem Ehrengrab Böhm-Bawerks befindliche Bronze-Plakette ausgeführt haben muss oder zumindest den Entwurf dafür geliefert hat.
Die Plakette zeigt keine Signatur. In Anbetracht der Ähnlichkeit zum Medaillon am Denkmal kann man aber In weiterer Folge schließen, dass dieses dem Grabmal-Medaillon nachgebildet wurde. Das Denkmal-Medaillon scheint zwar kein direkter Abguss zu sein, stellt aber doch eine ziemlich identische Abformung des am Grab befindlichen Medaillons dar. Möglicherweise ist bei Nennung der Urheberschaft des Denkmal-Medaillons ein Übertragungsfehler beim Vornamen unterlaufen (E. Delug statt richtig A. Delug). Tieferstehende Abbildung zeigt die Ähnlichkeit beider Medaillons, die besonders deutlich wird, wenn man sich jenes vom Grabmal etwas nach links gedreht vorstellt und Beeinträchtigungen aufgrund der ca 40 Jahre längeren exponierteren Lage auf einem Friedhof berücksichtigt.
Literatur[Bearbeiten]
- Franz Gall: Kleiner Führer durch die Universität Wien. Wien 1965.
- Thomas Maisel: Gelehrte in Stein und Bronze. Wien, Köln, Weimar 2007.
- Keune Angelika: Gelehrtenbildnisse der Humboldt-Universität in Berlin. Berlin 2000.
- Rudolf Schmidt: Österreichisches Künstlerlexikon. Wien 1980.
- Saur: Allgemeines Künstlerlexikon. Bd. 25. München/Leipzig 2000.
- Ulrich Thieme/Felix Becker: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler. Bd. 9. Leipzig 1999.
- Kurt Mühlberger: Palast der Wissenschaft. Wien, Köln, Weimar 2007.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- UAW Senat S 222.9
- UAW Senat S 91.5