Anthroposophische Malerei

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Die anthroposophische Malerei ist eine auf Naturfarben basierende Maltechnik und -methodik; sie ist eine mehr aquarellene, verwischende Darstellung der Realität bzw. ihrer abgebildeten Objekte und sie verzichtet fast ausdrücklich und durchgehend auf begrenzende Außenlinien, wie sie beispielsweise für Comics (schwarze Außenlinien) und Hans Ernis Lithographien und Grafiken (weiße Außenlinie) stilbildend sind.

Beschreibung[Bearbeiten]

Aufgrund des umfassenden bzw. holistischen Ansatzes der Anthroposophie in Bezug auf Erkenntnis, Ausrichtung und Gestaltung des menschlichen Lebens, haben sich auch in der Malerei dieser Prägung verschiedene Schwerpunkte herausgebildet und sind als goetheanistische und anthroposophische Unterströmungen in Erscheinung getreten. Alle hier hervorgehobenen Punkte werden nachfolgend im Zusammenhang erläutert.

  • Raumgestaltung, zunächst als Kuppelmalerei im ersten (Holzbau) und im zweiten Goetheanum (Betonbau, insbes. Walther Roggenkamp)
  • Maltechnik, - didaktik und –pädagogik (grundlegend durch Gerard Wagner und Beppe Assenza)
  • Farbforschung und -gewinnung aus Pflanzen zur Erhaltung von vegetativen und formbildenden Wirkkräften. Dabei stehen physische wie psychische Aspekte und ihre gegenseitige Abhängigkeiten und Einflüsse im Vordergrund.
  • Farbtherapeutischer Ansatz als Farbinterpretation, -semantik und –wirkung (auch im Zusammenhang mit der Herstellung der Farben stehend).

Ihr zugerechnet wird ebenso die stilistisch ähnliche Glasmalerei, welche von Rudolf Steiner selbst bzw. von seinem Umkreis praktiziert wurde und in der Zeit des ersten Goetheanum und während des Ersten Weltkrieges entstand. Die wesentlich später im Entstehen begriffene pädagogisch und therapeutische wirksam gewordene Malerei anthroposophischer Ausrichtung weisen diese Stilmittel ebenfalls regelmäßig auf.

Im Bereich der frühen Buchillustration anthroposophischer Sachtexte und/oder von Anthroposophen verfasste Prosa und Lyrik (bis ca. 1970) kann sie mitunter Züge devotionaler Malerei annehmen, ohne auf die weltweit vorhandenen Stile und Traditionen religiöser Malerei zurückgreifen zu müssen. Diese Ambiguität haftet ihr teilweise bis heute an.

Alle ihre Stile verbindende Eigenschaften gehen jedoch auf die Erforschung und Methoden der Farbgewinnung aus Pflanzenpigmenten (insbesondere Günter Meier, später auch Eduard Najlepszy) zurück; sie grenzt sich dadurch von anderen Stilen und Techniken der Modernen Malerei ab, die sich meist der Farbstoffe bedient, deren Herkunft oder Herstellungsprozesse auf Rohöl oder dessen Derivate zurückzuführen sind (beispielsweise Acrylfarben).

Insgesamt darf der Begriff «anthroposophische Malerei» heute als ein nach dem Kriterium der Farbpigmentherkunft unter Verwendung teildeckender und lichtoffener Pflanzenfarben ordnender Begriff angesehen werden.

Noch bis in die späten 1980er Jahre ist seine Bedeutung jedoch fast durchwegs ideologisch und kunstästhetisch diskutiert worden, sowohl in der nicht-anthroposophischen Öffentlichkeit als auch innerhalb der Anthroposophie selbst.

Ursprung der anthroposophischen Malerei[Bearbeiten]

Rudolf Steiner und die Malerei[Bearbeiten]

Die Ursprünge der Theoriebildung der anthroposophischen Malerei sind in der Interpretation Steiners der »Urpflanze« Johann Wolfgang von Goethes und dessen naturwissenschaftlichen Schriften (besonders der «Farbenlehre» von Goethe) zu sehen, während ihre Praxis sich auf Steiners hinterlassenem Werk und dem großen Kreis seiner Anhänger beziehen.[1]

In seinen Vorträgen und Schriften finden sich vielfältige Andeutungen, Anregungen und Impulse zu einer Malerei, deren pflanzliche oder zumindest landwirtschaftlich-natürliche Grundlagen zu erforschen und wo verloren geglaubt, sie zu erhalten wären. Insofern bilden alle diese Äußerungen Steiners den theoretischen (und später auch ästhetischen) Überbau für das malerische und kunstgestalterische Schaffen innerhalb der Anthroposophie.

Nicht zu unterschätzen ist die künstlerische Tätigkeit Steiners selbst im Zusammenhang mit dem ersten Goetheanum (Holzbau). Hier sind auch die praktischen Wurzeln der anthroposophischen Malerei zugrunde gelegt und die von ihm hervorgehobenen vielfältigen Verbindungen der Malerei zu sämtlichen anderen Lebensbereichen. Darüber hinaus ist es Steiner auch darum gegangen, die Mittel mit den Methoden zu verbinden; entsprechend findet man kaum Ecken und Kanten in den Darstellungen der anthroposophischen Malerei, was ihr den Vorwurf der Schönfärberei und einseitiger Realitätsinterpretation eintrug. Nicht zuletzt aufgrund der Verwobenheit von Erziehung (und im erweiterten Sinne auch allgemein-therapeutischer Elemente), der Arbeit, Sittlichkeit (gesetz- / ordnungsgebendes Element) und schließlich dem geldlichem Austausch im sogenannten »Dreigliedriger Organismus«, konnte eine öffentliche und sachliche Diskussion auch bezüglich des Einzelbereiches der Malerei dieser Ausrichtung lange nicht stattfinden.

Steiner entwickelte eine alles überwölbende Kosmogonie. Letztere führte dazu, dass die allgemeine Öffentlichkeit die Anthroposophie - mitunter bis heute - als ein insgesamt verbrämtes und aufgrund der Menge der Äußerungen nicht zu bewältigendes Theoriegebäude wahrnimmt. Zudem kam erschwerend hinzu, dass die Auffassungen unter den anthroposophischen Malschulen und ihrer jeweiligen Mitglieder äußerst diskrepant, kaum vorbildlich und die Grundlagen der anthroposophischen Malerei fast rein ideologisch diskutiert wurden.

Andererseits schien unklar, inwiefern Steiner seine Tätigkeiten (Holzschnitzen, Bemalung der Innenräume des ersten Goetheanum und Stofffärbung für die Aufführungen der Eurythmie) selbst als Kunstwerk sah. In seinen eigenen Schriften und Äußerungen verneint er dies und weist auf die Prozesshaftigkeit und die integrierenden Elemente der Kunst und der künstlerischen Tätigkeit für den Menschen hin, nach dem Grundsatz: «Ohne Lebenskunst keine Kunst».

Inwiefern dies eher damit zusammenhing, dass der Begriff des Gesamtkunstwerks damals wieder in Schwang geriet oder die Tatsache des frühen Todes (1925) Steiners und die damit einhergehende materielle Erhaltung und Aufarbeitung seiner Schriften, Skizzen, Zeichnungen bis hin zu Wandtafelabbildungen[2] oder damit, daß schließlich einfach die Bewunderung (mitunter bis zur Devotion reichende Erhöhung) Steiners seitens der Mitglieder der damals neu gegründeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft (1923) zur Weiterführung der Geschäfte überwog, lässt sich heute für die Malerei innerhalb der Anthroposophie nicht mehr zweifelsfrei klären.

Es ist durchaus möglich, dass die stilistische Ausrichtung der anthroposophischen Malerei auch allen Motiven gleichzeitig geschuldet ist.

Glasmalerei[Bearbeiten]

Während der beiden Weltkriege und der Zwischenkriegszeit haben sich auch viele russische Künstler am Goetheanum aufgehalten. Die gemeinsamen Interessen für Kunst und esoterische Themen, bewogen viele, die Kriegsjahre in Dornach zu verbringen. Insbesondere Assja Turgenieff oblag die Herstellung der farbigen Gläser, welche dann einer Behandlung mit Carborundum-Schleifgeräten unterzogen wurde, die mit dem Namen «Schrägstrichmethode» (Ritzung des Glases in sog. »schrägen Strichen«) bekannt ist. Alle diese Fenstergläser wurden im Glashaus gefertigt[3] und bilden einen zusätzlichen Korpus, der eine bestimmte Vorgehensweise in der Gestaltung des künstlerischen Ausdrucks scheinbar auf Jahre hinaus vorschrieb, was allerdings nie vorgesehen war. Kunst wäre – so Steiner – immer neu zu erfahren und gestattet kein einmal für immer festgelegtes Verfahren. Zugeleich schien es jedoch auch darum zu gehen, sich von anderen Kunstbewegungen abzugrenzen.[4]

Die beiden Malschulen auf Grundlage anthroposophischer Erkenntnis[Bearbeiten]

In den 1950er Jahren wurden, zunächst in privater Initiative, die beiden hauptsächlichen Malschulen gegründet. Ab ca. 1950 von Gerard Wagner, dann ab 1957 von Beppe Assenza. Ihnen fiel die Aufgabe zu, die für die Geisteswissenschaft Steiners maßgeblichen Gesichtspunkte von Farbe und Farberleben zu vermitteln. Die Auffassungen hätten nicht konträrer sein können: Auf der einen Seite die ganz in der Tradition der Formgebung und des Ausdrucks der 1910er und 1920er Jahre stehende Malschule am Goetheanum. Wendet man den Blick zu Assenza, sieht man auf Bilder, die Frische, Ursprünglichkeit und auch Offenheit atmen. Die Methodologien und Prozesse hat man gegenseitig rivalisierend ausgelegt, oft noch am Werk von Steiner gemessen; zu einem eigentlich dialektischen Prozess war nicht zu gelangen, der beiden Richtungen ihre eigenen Möglichkeiten der Anschauung transparenter hätte werden lassen können.

Malschule am Goetheanum[Bearbeiten]

Der am 5. April 1906 in Wiesbaden geborene Gerard Wager, führte bis zu seinem Tode im als ihr Begründer und leitender Lehrer seine Malschule in Dornach. Das Studium der Malerei führten ihn zunächst nach Großbritannien, 1926 dann in die Schweiz an das Goetheanum. Nach dem Malstudium bei Hanni Geck, war er als freiberuflicher Maler ab 1930 tätig. Die Gründung seiner Malschule erfolgte 1950, ebenfalls in Dornach. Neben seiner Unterrichtstätigkeit in der Schweiz, Deutschland und England, verfolgte er weiterhin auch seine eigene künstlerische Tätigkeit als Maler und hatte 1997 die Möglichkeit an die Eremitage nach St. Petersburg, Russland, eingeladen zu werden und sein Gesamtwerk in einer großangelegten Ausstellung zu zeigen. Gerard Wagner folgte dem versinnbildlichten und stark symbolisierten Prozess des Fließens und Zerfließens der Farben. Nach seinem Vorbild wird noch heute an den Rudolf-Steiner- und Waldorf-Schulen in den ersten Primarklassen der Umgang mit Farbe und Pinselführung unterrichtet.[5]

Malschule Assenza[Bearbeiten]

Studien führten Beppe Assenza (*1905 in Modica, Sizilien) zunächst nach Mailand, später nach Rom. Zwischen 1937 bis 1957 war er als freischaffender Maler und Künstler in Italien tätig und bekam mit seinen Ausstellungen auch viel öffentliche Aufmerksamkeit und Anerkennung. Von 1957 an bis zu seinem Todesjahr 1985 leitete er die nach seinem Namen benannte Malschule, teilweise am, später dann in der Nähe des Goetheanum. Er verstarb am 23. September 1985, ebenfalls in Dornach, Schweiz. Beppe Assenza war insgesamt ein besonnener und seiner gewonnenen Erkenntnisse bewusster Mensch. Er verstand es, den künstlerischen Erkenntnisfortschritt individuell an den jeweiligen Lern- und Persönlichkeitsprozess des Schülers zu knüpfen und war – im Gegensatz Gerard Wagners – wesentlich weniger an einer bestimmte »gesollte« Ausdrucksweise interessiert, sondern ließ sich das Erleben der Farbe beschreiben, versuchte immer wieder gemeinsam mit dem Lernenden in »seinen – vom Schüler – ganz eigenen und selbst vollzogenen« Fortgang einzutauchen, ohne von ihm »bestimmte Resultate der Gestaltung« zu erwarten. Ironischerweise steht auch bei Assenza die unmittelbare Erfahrung an Farben und Formen im Vordergrund.[6]

Neben Walther Roggenkamps goetheanistischer farblicher Innenraumgestaltung hat die Malschule Assenza den Schritt vom Konkreten zum Abstrakten am augenfälligsten vollzogen.

Pflanzenfarbenlabor[Bearbeiten]

Verschiedentlich wurde von Steiner angeregt, Farbpigmente aus Pflanzen zu gewinnen. Auf der einen Seite wurde damit eine alte Tradition der Malerei erneut aufgegriffen, nämlich die, eine Farbe selbst herzustellen, die ein Maler für sein Werk benötigt und die Befürchtung, dass durch die in Europa voran getriebenenen petrochemischen Forschungen zur Gewinnung von Farbpigmenten, diese traditionellen Herstellungsprozesse bald in Vergessenheit geraten lassen würden; zum anderen wurde von anthroposophischer Seite eine Rückbindung der Farben an die landwirtschaftliche Produktion gesucht. Der wichtigste Grund bestand allerdings in der Auffassung, dass Farben, auch nach ihrer Gewinnung, die der Pflanze eigenen Keim- und Formkräfte weiterhin beinhalten müssten und auf diese Art und Weise weiter wirken würden, ganz im Sinne des (ab 1929) durch Kolisko und Hauschka entwickelten Verfahrens der Steigbildmethode (das zur Sichtbarmachung von Lebensprozessen in Pflanzen noch heute in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft genutzt wird).

Das erste Pflanzenfarbenlabor wurde ca. 1921 durch Mieta Waller und William Scott Pyle gegründet. Ein weiterer Versuch, die Forschung in diesem Feld voranzutreiben, bestand in der Gründung verschiedener Firmen in und um Dornach. Keine davon konnte auf lange Sicht überleben, zu sehr steckte diese lediglich auf Pflanzen vertrauende Forschung nach neuen Farbtönen noch in den Anfängen um auch über kleine Mengen verschiedenster Pigmente ständig zu verfügen um ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit erlangen zu können. Oft zu komplex oder zu reich an Analogien waren auch die Anregungen Steiners.

Um 1960 nahm Günter Meier mit der Gründung des «Pflanzenfarben-Labor am Goetheanum» einen neuen Anlauf. Unter seiner Ägide und ab 1986 bis 1988 gemeinsam mit Eduard Najlepszy, konnten die beiden engagierten Forscher das Sortiment um mehr als zwanzig Farbtöne erweitern. Bereits ab Winter 1961/62 und während der folgenden fast dreißig kommenden, konnte am «Pflanzenfarbenlabor» permanent im Sinne Steiners geforscht werden. Die allgemeine wirtschaftliche Stabilität dieses Zeitraums machte es möglich, dass Forschungshilfen seitens des Goetheanum an das Labor flossen. Durch die Ausrichtung auf Grundlagenforschung und Herstellung von Farben lediglich für maltherapeutische Zwecke, blieb der selbsttragende wirtschaftliche Erfolg auch dieser Initiative verwehrt. Zu aufwändig waren die auszuführenden Produktionsschritte und zu klein die Produktionsmittel um Farben für breitere Anwendungszwecke außerhalb ihrer Aufbringung auf Papier mengenmäßig bewerkstelligen zu können. Der Wegzug Najlepszys, sowie die Hinwendung zu anderen Aufgaben[7] und das bereits fortgeschrittene Alter von Günter Meier als die beiden ständig Forschenden, taten ein Übriges zur gänzlichen Aufgabe des Labors - in dieser fast privatimen Form.

Anfang 2005 wurde der Verein «Anthro-Color Pflanzenfarben – Verein zur Förderung des Pflanzenfarben-Impuls von Rudolf Steiner» gegründet – eine Initiative seitens der Malschule am Goetheanum; sie sieht vor, dass auch die Schiene der traditionellen Pflanzenfarben weitergeführt und bestehende Forschungsergebnisse in erweiterter Form und Anwendung erhalten werden können.[8]

Beschreibung der Farbforschung und typisierte Arbeitsbeispiele im «Pflanzenfarbenlabor»[Bearbeiten]

Die eigentliche Forschungsarbeit bestand in der Realisierung weiterer Farbtöne im Bereich pflanzlicher, organisch-natürlicher Pigmente. Die in der Tradition abendländischer Malerei stehende Verwendung von Ölen (zum Beispiel Leinöl) für die Haltbarmachung, Stabilisierung und Aufbringung der Pigmente wurde durchgehend verzichtet, statt dessen setzte man Emulsionen ein, die auf Basis von Wollfett hergestellt werden. Die Aufbringung dieser Pigmente mit der so hergestellten Emulsion brachte auf Papier einen fast gleichen «inneren» Glanz der Farbe wie einst die in der Buchillumination eingesetzten Farben auf Pergament.[9] Najlepszy sprach von der »Rezeptur der Leuchtkraft«, auch in Andeutung schier alchimistischer Herangehensweisen. Damit hatte man in gewisser Weise auch bei den Pflanzenfarben den Anschluss an die durch Schrägschliffe in ihrer Glanzkraft erweiterten Glasmalerei gefunden (vgl. oben).

Das hauptsächliche Forschungsfeld betraf die Substitution der anorganisch-natürlichen Pigmente durch organisch-natürliche.[10] Einerseits entsprach es der Hoffnung, die Farbpalette substanziell zu erweitern, jedoch auch die therapeutische Wirkung der Farben zu steigern. Auf Oxide wurde fast gänzlich verzichtet oder Prozesse mit farbneutralen pflanzlichen Hilfsstoffen eingeleitet, die deren Giftigkeit jedoch wiederum aufhoben.[11][12]

Die typischen Arbeitsschritte in der Herstellung waren: Reinigen und Zerschneiden der Pflanzenteile, Auskochung und Reduktion, Einbringung natürlicher Substanzen zur Initiierung der Kristallisierung und damit die natürliche Herauslösung der Pigmente, Lichtdarrung, dann Handmahlung der getrockneten Residuen, Abpackung.

Anthroposophische Malerei nach 1995[Bearbeiten]

Der aufgrund des Rückzugs aus dem öffentlichen Leben ihrer Begründer fast gänzlich verschwundene Einfluss der Malschulen Assenza und Wagner, fehlende, erkennbar erneuernde ästhetische Impulse innerhalb der anthroposophischen Malerei selbst, jedoch auch die vertiefte, aus therapeutischer Sicht gewonnenen Erkenntnisse der Prozesshaftigkeit bildnerischen Gestaltens und ihre Wirkung (im Sinne des dritten Elements bezüglich Mittel und Methode von pflanzlich hergestellter Farbstoffen und -pigmente), haben den Ausschlag gegeben, die rein ideologisch motivierte Diskussion aufzugeben und sich streckenweise auch nicht-anthroposophischen Einflüssen zu öffnen. So wurden in den 1990er Jahren die kunsttheoretischen Schriften Wassily Kandinskys (Blaue Reiter), Marcel Duchamps und Joseph Beuys’ angeregt diskutiert. Letzterem gilt das Verdienst mit spektakulären (und oft bis ins Absurde humorvollen) Kunstaktionen und seinem Bekenntnis zur Anthroposophie, die Öffentlichkeit auf grundlegende Anliegen des Menschen angesprochen zu haben.

Die von der Leitung des Goetheanums und der dort integrierten Hochschule getroffene Entscheidung, ihren Anschluss an das schweizerische Hochschulwesen zu vertiefen – obwohl bis heute keine direkte staatliche Akkreditierung bzw. Anerkennung hinsichtlich einschlägiger Ausbildungsabschlüsse erfolgte – sind diese Schritte nicht ohne Einfluss geblieben und haben damit zu größerer Durchlässigkeit mit anderen kunstästhetischen Anschauungen geführt. Ein gewichtiger und sichtbarer Schritt dieser Öffnung war auch der Anschluss der Goetheanum-Bibliothek an den Online-Katalog IDS.[13]

Heute ist die anthroposophische Malerei, kunstästhetisch im engeren Sinn unergiebig, zu viele (vergangene und wenig fruchtbare) ideologische Auseinandersetzungen versperren ihr eigentliches Momentum in Bezug auf das Verstehen des Menschen als ein schöpferisches Wesen.

Kunsthistorisch und -theoretisch kann sie faszinieren im Erschließen von möglichen Zusammenhängen, in welchen Farbe und Malerei überhaupt gedacht werden können.

Anthroposophische Malerei wird heute fast ausschließlich nur noch mit Pädagogik und therapeutischen Malangeboten gleichnamiger Prägung in Verbindung gebracht. Hier scheint sie ihren Platz gefunden zu haben und zu ihrer ursprünglichen Intention zurückgekehrt zu sein, d. h., die kreativ-schöpferischen und prozessnahen Möglichkeiten des Menschen, seinem Erkennen der Welt und seiner selbst ohne Personenkult gerecht zu werden.


Literatur und Dokumente (Auswahl)[Bearbeiten]

Anthroposophische Malerei im Kontext[Bearbeiten]

  • Robert Kaller (Hrsg.), Rudolf Steiner: Die Welt der Farben (Themenwelten). Steiner, Dornach, ISBN 978-3-7274-5381-6.
  • Roland Halfen (Hrsg.), Rudolf Steiner: Die Welt der Kunst (Themenwelten). Steiner, Dornach, ISBN 978-3-7274-5382-3.
  • Rudolf Steiner: Die Goetheanum-Fenster. Sprache des Lichtes. Entwürfe und Studien. (Gesamtausgabe GA K 12) Textband. Bildband: 2 Bde. Steiner, Dornach, ISBN 978-3-7274-3601-7.
  • Andreas Mäckler: Lichtoffene Farbigkeit. Grundlinien der anthroposophisch-orientierten Lasurmalerei. Voraussetzungen und Erscheinungsform. Novalis Verlag, Schaffhausen 1992, ISBN 3-7214-0626-5 (Zugleich Dissertation, Universität Marburg 1989; unter dem Titel: Die Farbentheorie und Malpraxis der Anthroposophie – Voraussetzungen und Erscheinungsformen).
  • Andreas Mäckler: Anthroposophie und Malerei - Gespräche mit 17 Künstlern. Fritz Fuchs, Hans Hermann, Günter Meier, Yvonne von Miltitz, Daniel Moreau, Peter-Andreas Mothes, Eduard Najlepszy, Konrad Oberhuber, Wilfried Ogilvie, Rose Marie Pütz, Rex Raab, Dorothea Rapp, Walther Roggenkamp, Diether Rudloff, Edith Schaar, Karl Schultz-Köln, Connie Tieboult, K. H. Türk, Elisabeth und Gerard Wagner. DuMont, Köln 1990, ISBN 3-7701-2513-4.
  • Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst: Insbesondere in der Malerei. Benteli, Bern 2004, ISBN 3-7165-1326-1.
  • Wolfgang Zumdick (Hrsg): Der Tod hält mich wach. Joseph Beuys - Rudolf Steiner, Grundzüge ihres Denkens. Steiner, Dornach, ISBN 978-3-85636-137-2.
  • Maria Scherak, Thomas Meyer: Im Gedenken an Marianne Schenker und Eduard Najlepszy. In: Der Europäer. 2/3, Dezember 2009/Januar 2010, S. 45–46 (Online B, Niederländisch).
  • Theo Steiner: Duchamps Experiment. Zwischen Wissenschaft und Kunst. Fink, München 2006, ISBN 978-3-7705-4303-8.
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Chronik. Freies Geistesleben, Stuttgart 1988, ISBN 3-7725-0905-3.

Methode und Didaktik der Malschulen[Bearbeiten]

  • Emanuele Minardo: Beppe Assenza - La vita e l’opera dell’autore del Metodo dei colori in antroposofia. 2005, Ragusa: EdiArgo (italienisch).
  • Elisabeth Wagner-Koch, Gerard Wagner: Die Individualität der Farbe - Übungswege für das Malen und Farberleben. Freies Geistesleben, Stuttgart, ISBN 978-3-7725-2083-9.

Farbanalyse, -sammlungen, -klassifikation und -rezepturen (einführend)[Bearbeiten]

  • Elmar Mittler (Hrsg.), Vera Trost: Skriptorium. Die Buchherstellung im Mittelalter. (Heidelberger Bibliotheksschriften 25, Ergänzungsheft) Braus, Heidelberg 1986, ISBN 3-921524-79-2.
  • Sabina Brühlmann: Cobaltblau. Werkstoffgeschichte und Werkstofftechnologie. Hochschule der Künste, Bern 2003, ISBN 3-9522804-0-2.
  • Hugo Anthamatten, u.a. (Hrsg.): Farbpigmente · Farbstoffe · Farbgeschichten. Ihre Herkunft, Herstellung und Anwendung. Alata, Winterthur 2010, ISBN 978-3-033-02349-9 (mit umfassendem Glossar).

Anthroposophische und nicht-anthroposophische Ansätze zur kunstästhetischen Forschung, Farbgeschichte und -semantik[Bearbeiten]

  • Johannes Kühl: Höfe, Regenbögen, Dämmerung. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-7725-2380-9.
  • Hella Krause-Zimmer, Jean-Claude Lin, Evelies Schmidt: Imagination und Offenbarung. Gesammelte Betrachtungen zur Malerei Bd. 2. Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2004. ISBN 978-3-7725-20006.
  • David Hockney: Geheimes Wissen. Verlorene Techniken der Alten Meister wiederentdeckt. Knesebeck München 2006, ISBN 978-3-89660-405-7.
  • John Gage: Die Sprache der Farben. Bedeutungswandel der Farbe in der Wissenschaft und Kunstgeschichte. Seemann Henschel, Leipzig 2005, ISBN 3-86502-114-X.
  • John Gage: Kulturgeschichte der Farbe. Von der Antike bis zur Gegenwart. E.A. Seemann Leipzig 2009, ISBN 978-3-86502-229-5.
  • Rolf G. Kuehni, Andreas Schwarz: Color ordered. A survey of color order systems from antiquity to the present. University Press Oxford 2008, ISBN 978-0-19-518968-1 (englisch).

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen vgl. Steiner, Rudolf: Das malerische Werk mit Erläuterungen und einem dokumentarischen Anhang, Steiner: Dornach versch. Jahre (GA C K 13-16/52-56)
  2. Hochspringen eine Auswahl von sechs Wandtafelzeichnungen Steiners, umrahmt mit kurzen aus heutiger Sicht zusammenfassenden Beiträgen verschiedener Autoren zur Anthroposophie aus allen Lebensbereichen, anlässlich seines 150. Geburtstages; vgl. Das Goetheanum Nr. 8, 2011, passim
  3. Hochspringen vgl. Aasja Turgenieff: Erinnerungen an Rudolf Steiner und die Arbeit am ersten Goetheanum. passim
  4. Hochspringen wie frei Steiner selbst bezüglich Aufnahme von auch künstlerischen Anregungen war, zeigt seine Biographie. Vgl. (in einer kurzen Nachzeichnung) Helmut Zander: »Autorität und Erlösung: Rudolf Steiner - Einige Bausteine zu einem Psychogramm« in: Neue Zürcher Zeitung 48 vom 26. Februar 2011, S. 62 (S. 61–62) [Abschnitt: Steiners Frauen]; vgl auch: http://www.anthromedia.net/fachdossiers/kunst/
  5. Hochspringen Die charakteristische Methode besteht darin, das im Wasser gänzlich eingeweichte Blatt Aquarellpapier ohne Luftblasenbildung auf ein Fichtenbrett zu legen und mit breiten Schweineborstenpinsel die Wasserfarben nass aufzubringen; hier werden die Adhäsionskräfte im Zerfließen der Farbe in eigenartigen Formen sichtbar.
  6. Hochspringen vgl. auch Beppe Assenza, sowie Auszug des Buches von Emanuele Minardo in Deutsch http://www.lucianobalduino.it/studi_de.html, ebenfalls nachgewiesen: http://www.rudolfsteiner.it/editrice/dett.php?id=804 (italienisch) und: http://www.galleriaroma.it/Bonaiuto/beppe_assenza.htm (italienisch)
  7. Hochspringen Eduard Najlepszy: Die Veredelung von Torf. In: Der Europäer. 2/3, Dezember 2005/Januar 2006 (auch in Hermes 25, Mai 2004 erschienen), [vgl. oben: Maria Scherak, Thomas Meier: Online-Dokumente (Online B), worin sich Äußerungen zur konkreten Farbforschung finden.]
  8. Hochspringen http://www.malschule-goetheanum.ch/de/pflanzenfarben.php
  9. Hochspringen vgl. auch Bibliotheca Palatina (Literatur), insbes. Mittler / Trost; Skriptorium - Begleitheft zur Ausstellung, S. 48; das von Elmar Mittler und Vera Trost herausgegebene Begleitheft zum Katalog in 2 Bdn. der Ausstellung Bibliotheca Pallatina, Heidelberg, beinhaltet vollständige Zitate der Rezepturen zur mittelalterlichen Pigmentgewinnung und Farbherstellung sowie Nachweise ihrer Fundstellen, mit einschlägigem Literaturverzeichnis von zwischen 1874 bis 1983 erschienen klassischen bzw. wissenschaftlichen Werken, auf deren Grundlage die anthroposophischen Rezepte der Pflanzenfarben anfänglich z. T. gewonnen wurden.
  10. Hochspringen vgl. Albert Steffen: Über das Wesen der Farben (Vorträge gehalten am Goetheanum) in: Das Goetheanum vom 1. Oktober 1922, S. 67-68 [beinhaltet in Kurzform die wesentlichen Ideen der nachmaligen Pflanzenfarbenforschung]
  11. Hochspringen Sabina Brühlmann: Cobaltblau. Werkstoffgeschichte und Werkstofftechnologie. Hochschule der Künste, Bern 2003
  12. Hochspringen Hugo Anthamatten [et al.] (Hrsg.): Farbpigmente • Farbstoffe • Farbgeschichten. Ihre Herkunft, Herstellung und Anwendung. Alata, Winterthur 2010, S. 230–251 (Glossar)
  13. Hochspringen http://www.goetheanum.org/2197.html
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