Aktive Musiktherapie

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Die aktive Form der Musiktherapie steht im Gegensatz zur rezeptiven Musiktherapie; "in der Regel wird der aktiven gegenüber der rezeptiven Musiktherapie den Vorzug gegeben".[1] Deren günstigere Wirkung wird laut Prof. Heiner Gembris auch durch Studien belegt.[2] Hierbei bilden das Musizieren des Patienten und des Therapeuten den Ausgangspunkt für eine Therapie.

Schon in den 1960er Jahren gab es einen Umschwung zugunsten der aktiven Musiktherapie; in den 1970er Jahren lag dann der Schwerpunkt in der musiktherapeutischen Literatur auf der Aktivität - das Prinzip "Therapie durch Musik" wurde vom Prinzip "Therapie mit Musik" abgelöst.[3]

Anwendungsfelder sind vor allem psychoneurotische Störungen, wie Depressionen und Zwänge, die Psychosomatik und psychotische Erkrankungen. Aktive Musiktherapie ist eine Ausdrucksmöglichkeit für Patienten mit Mutismus.[4] Seit kurzer Zeit wird diese Therapieform aber auch bei der Behandlung von Drogenabhängigen eingesetzt. Aufgrund ihrer Anwendungsfelder wird aktive Musiktherapie auch als angewandte Psychotherapie bezeichnet. Man unterscheidet zwischen drei verschiedenen Ebenen der musiktherapeutischen Arbeit:

  1. Musiktherapie als Aktivierung
  2. Zur Korrektur von Verhaltensweisen
  3. Zum Wiederaufbau eines gestörten Lebens

Die aktive Therapie kann in zwei unterschiedlichen Arten erfolgen. Die erste wird als Einzelmusiktherapie bezeichnet. in dieser Form stehen sich nur ein Patient und der Therapeut gegenüber und kommunizieren miteinander. Diese Art von Therapie wird häufig dann verwendet, wenn erst eine gewisse Vertrauensbasis zwischen dem Patienten und dem Therapeuten aufgebaut werden muss und der Patient noch nicht in der Lage ist, sich in eine Gruppe einzufügen. Die zweite Art wird Gruppenmusiktherapie genannt. Hierbei kommunizieren mehrere Patienten mit dem Therapeuten zusammen. Die musiktherapeutische Arbeit bietet den Mitgliedern die Möglichkeit eines Übungsfeldes der sozialen Kommunikation, ohne dabei gleich das volle soziale Risiko übernehmen zu müssen. Dieses bedeutet, dass in der Gruppe zunächst einmal verschiedene Formen von Kommunikation probeweise "ausprobiert" werden können, ohne dass deren Konsequenz gleich direkt auf das familiäre Umfeld übertragen werden.

Die Kommunikation zwischen Therapeut und Patient ist der Ausgangspunkt der Therapie, wobei die Sprache durch musikalische Elemente ersetzt wird. Die Musikinstrumente, mit denen der Patient musikalisch improvisiert, stellen eine Art Brückenfunktion dar, d.h. sie sind das Medium, mit denen der Patient Kontakt aufnimmt und so seine eigenen Gefühle zum Ausdruck bringt. Die Auswahl der dabei zu verwendeten Instrumente spielt deshalb eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig in welcher Relation das Instrument dabei zum Patienten steht. Als ideal wird ein Verhältnis von 1:1 angenommen, was zum Beispiel bei körpereigenen Instrumenten (Singen, Klatschen, Stampfen) der Fall ist. Weitere beliebte Instrumente sind Trommeln, Xylophone usw. Ebenso werden oft selbstgebaute Instrumente in der Therapie verwendet, wobei die Bauphase bereits einen Teil der Therapie darstellt. Wichtig ist immer, dass sich der Patient mit dem jeweiligen Instrument identifizieren und somit seine Gefühle besser zum Ausdruck bringen kann.

Der aktive Prozess der Musiktherapie macht sich die kommunikative Seite der Musik zu Nutze und bietet auf unterschiedlichen Ebenen die Möglichkeit, Kommunikationsstörungen zu überwinden. Der Patient kommuniziert dabei anhand von Symbolen. Diese Symbole können Bilder, Klänge oder Objekte sein, die an die Stelle einer Sache, Person, Ereignis oder Erfahrung tritt, meistens aus der Vergangenheit.
Die Symbolebene ist die Wirklichkeit, die eine andere Wirklichkeit sichtbar bzw. hörbar darstellt. Somit kann Musik als eine Wirklichkeitsebene angesehen werden, die eine andere Wirklichkeit darstellen kann. Die Musikelemente setzen dabei Gefühle frei, indem sie beim Patienten bestimmte Assoziationen hervorrufen. Dieses bedeutet, dass bei der Person bestimmte Vorstellungen und Gedanken erzeugt werden. Diese unterschiedlichen Gemütszustände, die dabei vom Patienten durchlebt werden, werden von ihm anhand von musikalischen Parametern im Improvisationsspiel ausgedrückt und dem Therapeuten mitgeteilt. Jeder Gefühlszustand steht mit bestimmten musikalischen Parametern im Zusammenhang, wie zum Beispiel Dynamik, Artikulation und verschieden Tempi.

Der musikalische Improvisationsprozess gliedert sich meistens in vier Phasen:

  1. Exploration, d. h. die Auswahl und das Kennenlernen der Musikinstrumente.
  2. Differenzierung, d. h. der Therapeut strukturiert das Improvisationsspiel durch die Vorgabe von Regeln.
  3. Kommunikation, d. h. die Kontaktaufnahme zwischen den Patienten
  4. Spezialisierung, d. h. das Spiel differenziert sich, vorgegebene Themen des Therpeuten werden im Detail behandelt.

In einer anschließenden Phase versucht man, die entstehenden symbolischen Darstellungen der musikalischen Improvisation verbal in der Gruppe zu interpretieren. Aktive Musiktherapie wird häufig mit weiteren Kommunikationsmedien wie Bewegung (Tanztherapie) oder Gestaltung (Kunsttherapie) verknüpft, um über andere Sinne wie Sehen und Fühlen einen weiteren Zugang zum Patienten zu finden.

Das Institut für Musiktherapie der Universität Witten/Herdecke untersuchte seit längerem die Wirkung der aktiven Musiktherapie.[5] Ein wissenschaftliches Symposium während der jazzahead 2009 befasste sich ebenfalls damit.[6]

Literatur[Bearbeiten]

  • Schroeder, Wolfgang C.: Spiegel der Seele. Eine Einführung in die Musiktherapie. Paderborn 1995.
  • Decker-Voigt, H.H. (Hrsg.): Handbuch Musiktherapie. Lilienthal 1983.
  • Decker-Voigt, H.H.: Aus der Seele gespielt. Eine Einführung in die Musiktherapie. München 1991.
  • Tüpker, Rosemarie: Ich singe, was ich nicht sagen kann. Zu einer morphologischen Grundlegung der Musiktherapie, Münster 1996.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Hochspringen Lemma Musiktherapie im Pflegewiki
  2. Hochspringen Stephan Soutschek: Musiktherapie, Apotheken Umschau vom 4. April 2014
  3. Hochspringen Harald Goll: Heilpädagogische Musiktherapie. Frankfurt, Lang 1993 (S. 189), zitiert in: Hans-Helmut Decker-Voigt, Eckhard Weymann (Hrsg.): Lexikon Musiktherapie. Hogrefe Verlag, 2009. ISBN 978-3-840-92162-9 (S. 145)
  4. Hochspringen Victorine Jeanty: Klangarche hilft bei seelischen Problemen, Artikel in der Augsburger Allgemeinen vom 4. Januar 2011
  5. Hochspringen Bernd Frye: Uni Witten/Herdecke informiert über Musiktherapie, Mitteilung vom 25. Januar 2007 auf dem Portal idw
  6. Hochspringen Irena Güttel: Jazz als Medizin für Körper und Seele, Meldung auf N24 vom 20. April 2009
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