Aberkennung des akademischen Grades

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In den Promotions- / Prüfungsordnungen der Universitäten wird der Entzug des akademischen Grades geregelt. Auch kommt eine Rücknahme nach § 48 VwVfG in Betracht (so im Falle zu Gutenberg). Die Voraussetzungen sind unterschiedlich. Teilweise wird eine Täuschung gefordert oder dass sich herausstellt, das wesentliche Zulassungsvoraussetzungen nicht vorlagen. Diese Zulassungsvoraussetzungen finden sich in der Regel in den Promotions- / Prüfungsordnungen (Studienleistungen, Hochschulabschluss, Baccalaureus etc.).

Täuschung[Bearbeiten]

Eine Täuschung kann vorliegen, wenn keine eigenständige wissenschaftliche Leistung vorliegt. Oft wird eine Erklärung oder eine eidesstattliche Versicherung gefordert, dass alle benutzten Hilfsmittel angegeben wurden und alle wörtlich oder inhaltlich übernommenen Stellen als solche gekennzeichnet wurden.

Wissenschaftsplagiat[Bearbeiten]

Der Bericht der Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Universität Bayreuth vom 5. Mai 2011 kommt in Bezug auf die Causa Gutenberg auf S. 13 f. zu dem Ergebnis: „Falschangabe (...) ist jede Angabe, die nicht korrekt, also unrichtig ist, weil sie z. B. gegen die fachspezifischen Zitierregeln verstößt, die eigene von fremden wissenschaftlichen Leistungen unterscheidbar machen. ‚Wissenschaftliches Arbeiten verlangt, eigene Ideen von fremden zu unterscheiden und fremde Ideen durch entsprechende Fußnoten zu belegen (Thomas M. J. Möllers, Juristische Arbeitstechniken und wissenschaftliches Arbeiten, 5. Aufl., München 2010, S. 133)’. Dementsprechend darf nicht etwas als eigene Ansicht dargestellt werden, was vorher schon durch einen anderen oder mehrere andere Autoren vertreten wurde (Möllers, aaO., S. 133).“ [1]

Es müssen nach dieser Definition fremde Gedanken und Ideen als solche kenntlich gemacht werden, ansonsten handelt es sich um ein sog. „Wissenschaftsplagiat“ (Bericht der Kommission, S. 34 ([2]

Ein Wissenschaftsplagiat setzt daher voraus, dass es sich um Wissenschaft und nicht nur um reine Beobachtungen ohne irgendwelche eigenständigen Wertungen handelt, die – wenn gleich nur in besonderen Fachkreisen – von jedermann beobachtet werden können. Es muss zu der reinen Beobachtung wenigstens eine „kommentierende Stellungnahme abgegeben (Hessischer VGH, Beschluss v. 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88, Juris Rdn. 13 = DVBl. 1989, S. 1277 ff.)“ werden, „eine eigene Auseinandersetzung“ (Hessischer VGH, Beschluss v. 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88, Juris Rdn. 16 = DVBl. 1989, S. 1277 ff.) oder eine „Auswertung“ (VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 42) erfolgen. Es müssen „Gedanken und Schlussfolgerungen (...) als eigene ausgegeben“ (VG Darmstadt, Urteil v. 14. April 2011 – 3 K 899/10.DA, Juris Rdn. 38) werden, es sich um eigene „gedankliche und geistige Leistung“ (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 14 = WissR 2007, S. 448), „Gedankengang“ (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 14 = WissR 2007, S. 448) oder eine „Gedankenführung“ (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Rdn. 9 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.) handeln, die eine „wissenschaftliche Tiefe“ (VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 54.) besitzen.

So handelt es sich beispielsweise bei der reinen, nicht wertenden Darstellung des Inhaltes eines Gerichtsurteils, Gesetzes, Vertragswerks etc. noch nicht um „Wissenschaft“, da erst eine systematische Zusammenstellung unterschiedlicher Gerichtsurteile und Literaturstimmen in Bezug auf ein Themenkomplex eine geistige Leistung darstellen kann [3]

Grenzen der Zitierpflicht[Bearbeiten]

Die entsprechende Zitierregel lautet daher: „Behauptungen, die evident oder allgemein bekannt sind, müssen und dürfen nicht belegt werden.“ (Möllers, JuS 2002, S. 828, 829). Evident ist ein Sachverhalt, der unmittelbar ohne besondere methodische Aneignung klar auf der Hand liegt (Wiki Eveidenz). Gemeingut ist nicht schutzwürdig, weil sich dieses nicht nur dem Urheber, sondern jedermann eröffnet (Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2000, § 2 Rdn. 69). Hintergrund ist, dass nur fremde Gedanken und Ideen als solche durch Zitate gekennzeichnet werden müssen. Nur dies werden vom Urheberrechtsgesetz geschützt: „Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen“ (§ 2 Abs. 2 UrhG). Hieraus ergibt sich gleichzeitig die Abgrenzung zu schutzlosen Werken, die nicht zu zitieren sind (vgl. § 51 UrhG). „Es wird nicht irgendeine persönliche geistige Leistung, sondern eine persönliche geistige Schöpfung“ (Dreier/Schulze, Urhebergesetz, 3. Aufl. 2008, § 2 Rdn. 16) geschützt. Sie muss sich von der „routinemäßigen Leistung abheben“ (BGH, GRUR 1987, S. 704, 706). „Der Urheber muss also etwas geschaffen haben, das mehr Eigenes enthält als eine Leistung, wie sie allgemein von jedem bzw. jedem anderen mit vergleichbarer Ausbildung und Begabung erbracht werden kann“ (Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2000, § 2 Rdn. 65). „Das Entdecken ist selbst dann kein Schöpfungsakt, wenn nach einem Gegenstand gezielt und unter erheblichem Arbeits- und Kostenaufwand gesucht wird“ (Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. 2000, § 2 Rdn. 49). Nicht jede textliche Übernahme ist daher kennzeichnungspflichtig und kann eine Täuschung begründen.

„Die Regel lautet: Wer neuartige Bedeutungen und Sinnzusammenhänge stiehlt, der ist ein Dieb, also wer zum Beispiel dem nächsten Einstein beim Reden im Schlaf zuhört. Denn die Wissenschaft lebt vom Neuen. Eine Dissertation erhebt den Anspruch auf etwas Neues, sei es im Kleinen. Wer Allgemeines wörtlich kopiert, ist doof, aber kein Verbrecher. Dass Regen vom Himmel fällt, braucht nicht bewiesen zu werden. Solange die Texte keine Lyrik oder Literatur sind, ist die exakte Wortwiedergabe fast unwichtig.“ [4]

Qualität und Quantität[Bearbeiten]

Wenn nach den vorstehenden Kriterien Wissenschaftsplagiate vorliegen, ist in einem zweiten Schritt ist zu beurteilen, die Verstöße erheblich sind. Hierzu ist zwischen der Qualität und der Quantität möglicher Plagiate zu unterscheiden.[5]

Qualität[Bearbeiten]

Montagefehler“ oder „Schlamperei“ (VG Darmstadt, Urteil v. 14. April 2011 – 3 K 899/10.DA, Juris Rdn. 38) sind für den Entzug eines akademischen Grades ebenso unschädlich wie „eine bloß marginale Verletzung des wissenschaftlichen Zitiergebotes“ (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 14 = WissR 2007, S. 448; VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 42) oder wenn Verstöße „vereinzelt“ (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Ls. 1 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.) erfolgen. „Am Rande“ oder „als Anregung“ können fremde Gedanken ohne Kennzeichnung übernommen werden (VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 42). Ebenso ist eine nur „unsachgemäße Handhabung der Zitierweise“ (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Rdn. 5 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.) unschädlich. Eine Fußnote kann sich insbesondere auf zwei aufeinanderfolgende Sätze beziehen (Hessischer VGH, Beschluss v. 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88, Juris Rdn. 26 = DVBl. 1989, S. 1277 ff.).

Für die Annahme des Verlustes der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Leistung müssten fremde „Passagen“ nicht nur „einzelne Gedanken sondern ganze Sinneinheiten“ innerhalb der Dissertation ausmachen (VG Darmstadt, Urteil v. 14. April 2011 – 3 K 899/10.DA, Juris Rdn. 50; ferner VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 21 = WissR 2007, S. 448; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Rdn. 10 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.). Dieses wird man erst bei der Übernahme „kompletter Passagen aus einem anderen Werk in eine Dissertation“ (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris = WissR 2007, S. 448) annehmen können. Die Plagiate müssten sich unter dem Blickwinkel der Eigenständigkeit der wissenschaftlichen Arbeit auf wesentliche (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 19. April 2000 – 9 S 2435/99, Juris Rdn. 24 = VGH BW-Ls 2000, Beilage 7, B 2.) Teile der Dissertation beziehen (VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 54.). Erst dann ist „der Plagiatsumfang (...) erheblich“ (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 14 = WissR 2007, S. 448; VG Berlin, Urteil v. 25. Juni 2009 – 3 A 319.05, Juris Rdn. 42.). Zu berücksichtigen ist daher auch, ob sich Plagiate an Stellen der Dissertation wiederfinden, die eine Relevanz für die Argumentation und das Ergebnis der Dissertation haben (VG Bremen, Beschluss v. 19. Februar 2008 – 1 V 3311/07, Juris Rdn. 33 = FuL 2008, S. 774.). Die Unwesentlichkeit wird nämlich dadurch indiziert, ob die Ausführungen in den Gutachten „ausdrücklich angesprochen und gewürdigt worden ist“ (VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Rdn. 7 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.). Es genügt nicht, wenn „nur geringe unerhebliche Bestandteile der Dissertation“ nicht als eigene Gedanken kenntlich gemacht wurden (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 21 = WissR 2007, S. 448).

Quantität[Bearbeiten]

Hinsichtlich der Quantität gibt es unterschiedliche Ansichten in der Rechtsprechung. Es müssen „weite Teile“ (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 19. April 2000 – 9 S 2435/99, Juris Rdn. 24 = VGH BW-Ls 2000, Beilage 7, B 2) betroffen sein. Es wurden 17 % (VGH Baden-Württemberg, Urteil v. 19. April 2000 – 9 S 2435/99, Juris Rdn. 24 = VGH BW-Ls 2000, Beilage 7, B 2.), 23 % (VG Frankfurt, Urteil v. 23. Mai 2007 – 12 E 2262/05, Juris Rdn. 21 = WissR 2007, S. 448) oder „mindestens ein Viertel des Textes der Dissertation“ (VG Darmstadt, Urteil v. 14. April 2011 – 3 K 899/10.DA, Juris Rdn. 43) als wesentlicher Verstoß gewertet. Im Urteil des Bayrischen VGH handelte „es sich um ca. 35 Seiten aus 16 verschiedenen Fremdwerken, davon ca. 8 Seiten ohne jeden Beleg (...) an insgesamt rund 130 Stellen“ (...) „zwischen 2 und 36 Zeilen lang“ (Bayrischer VGH, Urteil v. 4. April 2006 – 7 BV 05.388, Juris Rdn. 1). Hingegen ist ein Plagiat nicht in „Bagatellfällen“ feststellbar (Bayrischer VGH, Urteil v. 4. April 2006 – 7 BV 05.388, Juris Rdn. 13 = BayVBl 2007, S. 281 ff.).

Prüfungsmaßstab[Bearbeiten]

Vor diesem Hintergrund scheinen 10 %[6] ungekennzeichnete, fremde Gedanken und Ideen einer Dissertation (ohne deren Verzeichnisse) (VG Darmstadt, Urteil v. 14. April 2011 – 3 K 899/10.DA) regelmäßig in quantitativer Hinsicht unschädlich für die Bewertung als eigenständige wissenschaftliche Leistung zu sein, soweit es sich um in qualitativer Hinsicht wesentliche Bestandteile einer Dissertation handelt. Sind nur untergeordnete, für den Untersuchungsgegenstand und das Ergebnis der Arbeit unwesentliche oder gar völlig unbedeutende Bestandteile der Arbeit betroffen, wäre auch vorstellbar, dass die 10 %-Grenze überschritten werden kann.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Bericht der Kommission, S. 34 (http://www.uni-bayreuth.de/presse/info/2011/Bericht_der_Kommission_m__Anlagen_10_5_2011_.pdf).
  2. http://www.uni-bayreuth.de/presse/info/2011/Bericht_der_Kommission_m__Anlagen_10_5_2011_.pdf).
  3. (Hessischer VGH, Beschluss v. 20. Juni 1989 – 6 UE 2779/88, Juris Rdn. 7 = DVBl. 1989, S. 1277 ff.).
  4. Zeit Online, Warum viele Plagiatsvorwürfe nicht haltbar sind. http://www.zeit.de/studium/hochschule/2011-05/plagiate-historie/seite-2
  5. VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 13. Oktober 2008 – 9 S 494/08, Juris Rdn. 7 = NVwZ-RR 2009, S. 285 ff.
  6. Bewader, Welt am Sonntag (http://www.welt.de/print/wams/kultur/article13437533/Plagiatsjaeger-auf-Knopfdruck.html)
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