Ökologische Altersvorsorge
Der Begriff ökologische Altersvorsorge befasst sich mit einem Teilbereich der finanziellen Alterssicherung. Kern einer ökologischen Altersvorsorge ist die Kombination des Sparvorgangs mit einem hohen Nachhaltigkeitsfaktor. Anleger setzen zur Erreichung dieser Zielsetzung auf klassische Anlageinstrumente (Riester-/Rürup-Rente, Fonds, Aktien, Versicherungen usw.), messen der sozial-ökologischen Performance aber wesentlich stärkere Bedeutung bei als im Bereich klassischer Finanzprodukte.
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[Verbergen]Allgemeines[Bearbeiten]
Die ökologische Altersvorsorge orientiert sich in ihren Wesensmerkmalen, wie den einzelnen Anlageinstrumenten (Investmentfonds/Aktien, staatliche geförderte Rente, private Rentenversicherung) an den klassischen Formen der Alterssicherung, setzt aber auf ein Konzept, das deutlich zwischen den verschiedenen Anlageoptionen (siehe Auswahlkriterien) unterscheidet. Wesentlicher Anspruch der ökologischen Altersvorsorge ist das Erwirtschaften einer Rendite mit mittel- bis langfristigem Anlagehorizont, die der Alterssicherung für den Sparer dient, parallel aber Aspekten wie ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit folgt .
Aus diesem besonderen Anspruch heraus macht die ökologische Altersvorsorge deutliche Einschränkungen im Rahmen der Auswahlkriterien für einzelne Anlageoptionen, steht aber gleichzeitig vor dem Problem einer eingeschränkten Bandbreite.
Geschichte[Bearbeiten]
Die Entwicklung der ökologischen Altersvorsorge ist eng mit der Geschichte ethischer Investments verbunden. Die Grundidee, Kapital basierend auf sozio-ethischen Grundlagen anzulegen, findet sich bereits in verschiedenen Religionen wieder. So verbietet beispielsweise der Islam Kapitalanlagen im Bereich der Alkohol- oder Tabakindustrie. Ähnlich strikt verhielt sich die [[Evangelisch-methodistische]] Kirche in den USA.
In den Industrieländern sind ökologische und nachhaltige Investments in der Mitte des 20. Jahrhunderts in Mode gekommen, als sich die Friedensbewegung gegen den Vietnamkrieg und die Apartheidregierung in Südafrika entwickelte. Der Aufruf, nicht in Rüstungsfirmen o. ä. zu investieren, führte zur Gründung des ersten ethischen Investmentfonds. Von hier schwappten ökologische und nachhaltige Investments schließlich nach Europa und haben in den vergangenen Jahren deutlich an Zulauf gewonnen. Neben den kurzfristigen Sparzielen, die viele Anleger verfolgen, ist es die ökologische Altersvorsorge, welche diesbezüglich im Mittelpunkt steht und an Bedeutung zunimmt. So ist allein im Jahr 2011 die Zahl nachhaltiger Publikumsfonds auf 363 Fonds (34 Mrd. Euro Anlagevolumen) gestiegen. Zu Jahresbeginn lag die Zahl laut SBJ (Sustainable Business Institute) noch bei 354 nachhaltigen Fonds.
Die ökologische Altersvorsorge hat nicht zuletzt unter dem Eindruck der Finanzkrise 2008/2009 enormen Auftrieb erfahren.
Auswahlkriterien[Bearbeiten]
Für die ökologische AV ist nicht nur die finanzielle Performance entscheidend, sondern auch die soziale und ökologische Qualität. Investoren können mehrere Ansatzpunkte auswählen, um dieser Komponente der nachhaltigen Investments gerecht zu werden.
Positiv- & Negativ-Kriterien: Dieser Ansatz legt eindeutige Kriterien fest, die zur Bevorzugung bzw. dem Ausschluss einzelner Finanzmarktprodukte führen können. „Knock-out-Kriterien“ können ein Engagement in Branchen wie Atomkraft, Bergbau oder Rüstung und Kinderarbeit sein.
„Best-in-class“-Ansatz: Beim „Best-in-class“-Ansatz wählen Anbieter für ihre Anleger die Werte aus einer Branche aus, welche Nachhaltigkeit und Umweltschutz am besten repräsentieren. Da hier mitunter selbst Branchen in die ökologische AV aufgenommen werden, die eigentlich alles andere als nachhaltig gelten, ist dieser Ansatz als Auswahlkriterium höchst umstritten.
So gehörte bis zum 12. Mai 2011 der japanische Atom- und Energiekonzern TEPCO zum DJSI (Dow Jones Sustainability Index), welcher nach dem „Best-in-class“-Ansatz arbeitet. Ebenfalls im DJSI zu finden sind Unternehmen wie RWE, die sich ebenfalls im Bereich der Kernenergie engagieren.
Öko-/Ethik-Rating: Neben den klassischen Bewertungen bzw. Ratings, die für Unternehmen und Finanzmarktprodukte durchgeführt werden, haben sich in der Vergangenheit sogenannte Öko-Ratings entwickelt. Letztere verfolgen u. a. Stoffströme, Ressourcennutzung und Arbeitsqualität aus vorhandenen Informationen und leiten aus der Summe der Daten die ökologische Qualität der Finanzmarktprodukte ab.
Ein theoretisches Instrument für das Öko-Rating ist der Frankfurt-Hohenheimer Leitfaden. Ein weiteres Praxisbeispiel wäre das Corporate Responsibility Rating der oekom Research AG.
Anlageinstrumente[Bearbeiten]
Die ökologische Altersvorsorge wird im 3-Schichten-Modell der Altersvorsorge der 2. und 3. Schicht zugeordnet. Investoren bietet sich die Möglichkeit, in Produkte folgender Bereiche zu investieren:
- Rürup-Rente,
- Riester-Rente,
- betriebliche Altersvorsorge,
- Berufsunfähigkeitsrente,
- Lebensversicherungen/Rentenversicherungen,
- Investmentsfonds, Aktien usw.
Durch die Energiewende in Deutschland, ein wachsendes Interesse an sozial-ökologischer Nachhaltigkeit und Maßnahmen, wie die Roadmap der EU-Kommission für mehr Ressourceneffizienz in Europa wird das Thema Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge auch zukünftig eine Rolle spielen.
Wirkung der ökologischen Altersvorsorge[Bearbeiten]
Betrachtet man die Wirkung nachhaltiger Investments/ der ökologischen Altersvorsorge, muss strikt zwischen zwei Bereichen getrennt werden. Auf der einen Seite steht das Potenzial für den Anleger, auf der anderen Seite die Wirkung bzw. das Erreichen der nachhaltigen Zielsetzung.
Finanzielle Performance: Die finanzielle Performance einer ökologischen Altersvorsorge hängt von unterschiedlichen Parametern (Laufzeit, Anlageinstrumente, Verwaltungskosten) und der aktuellen Marktsituation ab. Gerade aufgrund der langfristigen Komponente ist die Wertentwicklung einer solchen Anlage nur schwer vorhersagbar. Allerdings haben die Erfahrungen der Vergangenheit gezeigt, dass sich gerade in der Finanzkrise 2008/2009 das ökologische Investment antizyklisch entwickelt hat (Wachstum in deutschsprachigen Ländern zwischen 2008 und 2009: 9 Mrd. Euro ).
Eine ECOreporter-Studie zur finanziellen Performance hat ergeben, dass nachhaltige und ökologische Aktienfonds 2010 ein deutlich positives Wachstum von bis zu 38,2 Prozent verzeichnen konnten. Selbst Mischfonds erreichten bis zu 26,3 Prozent .
Nachhaltigkeit: Gemessen am gesamten Sparvermögen der Deutschen sind die Einlagen in die ökologische Altersvorsorge und nachhaltige Investments mit 34 Mrd. eher gering (zum Vergleich: 2009 stieg das Geldvermögen allein in Deutschland auf 4,67 Billionen Euro). Die Wirkung der nachhaltigen Altersvorsorge scheint daher auf den ersten Blick gering. Allerdings führen die zunehmende Nachfrage und die potenziell verfügbaren Investitionsmittel der einzelnen Anleger dazu, dass Unternehmen langfristig werden umdenken müssen, um früher oder später nicht mit Schwierigkeiten bei der Kapitalbeschaffung rechnen zu müssen. Besonders eine vermeidende ökologische AV kann einen tiefgreifenden Eindruck an den Kapitalmärkten hinterlassen.
Aufgrund komplexer Wechselwirkungsmechanismen zwischen den einzelnen Einflussgrößen ist es schwer, den tatsächlichen Einfluss der nachhaltigen Altersvorsorge zu quantifizieren und zu messen.
Kritik[Bearbeiten]
Die ökologische Altersvorsorge soll mehrere Ziele miteinander verbinden. Einerseits steht hier das Interesse der Anleger und Sparer im Mittelpunkt, die eine hohe Rendite erwirtschaften wollen. Gleichzeitig wird mit der ökologischen AV aber der Anspruch verbunden, Kapital sozial verträglich, ökologisch nachhaltig und in saubere Industrien zu investieren. Zwei Ziele, die sich nicht selten gegenüberstehen und in der Vergangenheit Anlass für Kritik am Konzept, der ökologischen AV waren.
Fehlende Standards/Zertifizierung: Ein wesentlicher Kritikpunkt am Konzept der ökologischen Altersvorsorge betrifft fehlende allgemeingültige Standards. Verbraucher erkennen aufgrund dieser Tatsache nicht, nach welchen Regeln die einzelnen Bestandteile der Altersvorsorge ausgewählt werden.
Es ist in der Vergangenheit deshalb immer wieder zu Fällen gekommen, in denen zum Beispiel in Fonds Firmen der Rüstungsbranche oder Kernenergie usw. als Bestandteil aufgetaucht sind .
„Best-in-class“-Ansatz: Der „Best-in-class“-Ansatz unterscheidet nicht zwischen Branchen oder Produkten, sondern setzt auf Unternehmen, die unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten als federführend in ihren Branchen gelten. Allerdings stellt sich in diesem Zusammenhang natürlich die Frage, inwiefern man zum Beispiel Bergbaugesellschaften oder AKW-Betreiber als nachhaltig sinnvolles Investment betrachten kann .
Gegensätzliche Zielsetzungen: Eines der Grundprobleme, dem die ökologische Altersvorsorge als Teil des nachhaltigen Investments gegenübersteht, besteht im Aufeinandertreffen gegensätzlicher Interessen. Auf der einen Seite steht die finanzielle Leistungsfähigkeit der Finanzmarktprodukte, auf der anderen Seite die Qualität (das sozial-ökologische Profil) der ökologischen Altersvorsorge.
Fehlende gesetzliche Regelungen: In vielen Bereichen fehlen klare gesetzliche Regelungen zur Offenlegung von Informationen, welche für die Bewertung des nachhaltigen Charakters einer ökologischen AV wesentlich sind. Investoren haben es daher schwer, ohne klare Berichtspflichten eine Entscheidung aufgrund objektiver und schlüssiger Informationen zu fällen und müssen die ökologische Altersvorsorge grundlegend prüfen. Die Bewertung einzelner Finanzmarktprodukte stellt sich unter diesem Gesichtspunkt als schwierig dar, da Ressourcen, Stoffströme, Verarbeitungsprozesse usw. eine Rolle im Entscheidungsprozess für den Anleger spielen.
Weblinks[Bearbeiten]
Elke Dolle-Helms: Riester-Rente in Grün; Zeit-Artikel v. 12. April 2007 Nr. 16
Jonas Viering, Christoph Niemann: Vorsorge für einen grünen Lebensabend, greenpeace magazin 3.10