X-pire

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

X-pire (Eigenschreibweise X-pire!) ist die vom englischen Verb to expire (‚verfallen‘, ‚auslaufen‘) abgeleitete Bezeichnung einer Software, die die Funktionalität eines „digitalen Radiergummis“ bereitstellen soll. X-pire wurde von der deutschen Bundesregierung unterstützt und bot seit dem 24. Januar 2011 die Möglichkeit, Bilddateien mit einem Löschdatum zu versehen.[1] Das Projekt gilt als gescheitert.[2][3]

Entwicklung[Bearbeiten]

Das Projekt wurde von der X-pire GmbH realisiert, die von Michael Backes vom Lehrstuhl für IT-Sicherheit und Kryptographie an der Universität des Saarlandes sowie einem seiner ehemaligen Studenten gegründet wurde. Im Januar 2011 stieg die Scheer Group als Investor ein, ein ehemaliger Manager der IDS Scheer AG fungierte als Geschäftsführer.[1]

Funktionsweise[Bearbeiten]

Umgesetzt wurde X-pire als Webbrowser-Plug-in, das mit einem auswählbaren Schlüsselserver kommuniziert. Das Plug-in wird für den Mozilla-Firefox-Browser für die Betriebssysteme Microsoft Windows, Linux und Mac OS angeboten.[4][5]

Bilddateien können mit der Erstellungssoftware mit einem individuellen Schlüssel verschlüsselt werden. Der hierzu verwendete Schlüssel kann zusätzlich mit einem Ablaufdatum versehen werden und wird auf einen Schlüsselserver hochgeladen. Die verschlüsselte Bilddatei kann im Anschluss im Internet veröffentlicht werden.[6] Das Verschlüsseln von Dateien ist kostenpflichtig.

Für das (kostenlose) Betrachten der Bilddatei ist das Browser-Plug-in notwendig. Dieses lädt nach der Auflösung eines CAPTCHAs durch den Anwender den für die Entschlüsselung notwendigen Schlüssel von dem entsprechenden Schlüssel-Server und ermöglicht die normale Anzeige des Bildes. Ist das Ablaufdatum erreicht, verweigert der Schlüsselserver die Herausgabe des Schlüssels; ein Entschlüsseln des Bildes durch das Plug-in ist nicht mehr möglich.

Einschränkungen[Bearbeiten]

Laut eigenen Angaben bietet X-pire! keinen Schutz gegen das Kopieren eines Bildes während der Gültigkeitsdauer, beispielsweise durch einen Screenshot.[7] Das Schweizer Beratungsunternehmen scip AG nahm nur wenige Tage nach dem Erscheinen des Produkts eine Modifikation des Browser-Plugins vor, wodurch Schlüssel zwischengespeichert und auch nach Ablauf noch verwendet werden können.[8][9]

Resonanz[Bearbeiten]

Auf einer Diskussionsveranstaltung zum Thema "Verbraucher im Netz" forderte Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner "ein Recht auf Vergessen" im Internet und präsentierte das Konzept von X-pire als „eine technische Lösung dazu“,[10] die sich als „höchster Datenschutz made in Germany“ weltweit verkaufen ließe.[1]

Heise online nannte das Projekt eine „Totgeburt“, zumal die Idee laut Kritikern „ein alter Hut“ sei, die Verschlüsselung kostenpflichtig und die Installation eines Plug-ins bei Erstellern und Betrachtern notwendig ist.[1]

Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club wurde in der Computerwoche wie folgt zitiert: „Ich möchte nur ungern eine technische Lösung abnicken, die bei Leuten nicht greift, die es nicht gut meinen.“ Es könne mehr Schaden als Nutzen schaffen, wenn sich die Anwender in einem falschen Gefühl der Sicherheit wögen.[11]

Die FAZ[12] konstatierte, die Technik sei nicht ausreichend sicher gegen Missbrauch.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 "Digitaler Radiergummi" ist gestartet. In: Heise online. 24. Januar 2011. Abgerufen am 24. Januar 2010.
  2. Die neue Vergesslichkeit im Netz, Digitalcourage, 9. September 2014
  3. Prof. Dr. Arno Wacker, Uni Kassel: Löschen im Internet - Das Recht auf Vergessenwerden, Institut für Wirtschafts- und Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau, 11. Februar 2016
  4. X-pire! - Die Software (Memento vom 9. Oktober 2010 im Internet Archive)
  5. Ted Claypoole,Theresa Payton: Protecting Your Internet Identity: Are You Naked Online? Rowman & Littlefield, Lanham u.a. 2012, ISBN 978-1-442-21220-6, S. 89
  6. ZHAW School of Management and Law (Hrsg.): Sterben und Erben in der digitalen Welt: von der Tabuisierung zur Sensibilisierung. Crossing Borders; Ergebnisse eines interdisziplinären Forschungsprojekts. Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, School of Management and Law; vdf, Zürich 2013, ISBN 978-3-7281-3545-2, S. 83
  7. X-pire! - Ein Verfallsdatum für digitale Daten (Memento vom 25. Januar 2011 im Internet Archive)
  8. Marc Ruef: Erfolgreicher Angriff gegen X-pire!. In: scip AG. 31. Januar 2011. Abgerufen am 2. Februar 2011.
  9. Daniel Bachfeld: Bilder anschauen trotz "Internet-Radiergummi", Heise Online, 31. Januar 2011
  10. Ben Schwan: Aigner will Daten im Netz löschen: "Digitaler Radiergummi" radiert nicht, Taz, 12. Januar 2011
  11. "Digitaler Radiergummi" kann Datenlöschung nicht garantieren. In: Computerwoche. 11. Januar 2011. Abgerufen am 25. Januar 2010.
  12. "Was im Netz steht, bleibt". In: Peter Welchering, FAZ.net. 14. Januar 2011. Abgerufen am 26. Februar 2015.
Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.