TZT - Themenzentriertes Theater als Lernsystem

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Das Themenzentrierte Theater (TZT) ist ein nach dem Schweizer Regisseur und humanistischen Psychologen Heinrich Werthmüller[1] entwickeltes Improvisationstheater, welches sich als Lernsystem für Gruppen bewährt hat.

Dieses auf Gruppen bezogene, situativ-spontane Improvisationstheater fand seinen Ursprung, als Werthmüller als junger Theaterregisseur gebeten wurde, mit Strafgefangenen ein Theaterstück einzuüben und vorzuführen. Er musste dabei feststellen, dass dieses Vorhaben aufgrund der kommunikativen Probleme und Hemmungen zur Selbstdarstellung seitens der Betroffenen sehr schwer zu realisieren war, weshalb er dazu überging, diese mittels Ausdrucks- und Wahrnehmungsschulungen allmählich dazu zu befähigen, bestimmte vorgegebene Themen, die sich im engeren und weiteren Sinne auf die Lebenswelt der Betroffenen bezogen, in kleinen selbstbestimmten Spielszenen darzustellen.

Damit wurde schon damals ein wesentlicher methodischer Aspekt des TZT begründet, der bis heute seine Gültigkeit hat: die gruppenbezogene darstellerische Bearbeitung eines Themas, wobei das "Gruppenthema" entweder aus vorab formulierten konkreten Lernintentionen, der aktuellen Gestimmtheit der TeilnehmerInnen oder aus mehr oder weniger bewussten Phantasien und Erwartungen innerhalb psychodynamischen Prozesses der Lerngruppe resultiert. TZT als Improvisationstheater bedeutet damit keinesfalls das bloße Einüben und Darstellen eines konkreten Theaterstückes, was bedeutet, dass hierzu keinerlei darstellerische oder besondere Merkfähigkeiten zur Aneignung von Texten erforderlich sind. Das Themenzentrierte Theater ist demnach von jedermann/-frau, gleich welchen Alters oder welcher Profession, durchführbar.

Mit der terminologischen Bestimmung des Interaktionstheaters als „themenzentriertes“ Theater wird deutlich, dass hier das im Gruppenprozess zu bearbeitende „Thema“, das sich dynamisch auf dem Hintergrund von individuellen Motiven, Erinnerungen und Gruppenphantasien herausbildet, vom Gruppenleiter empathisch aufgenommen und in spielbare Spielsituationen umgesetzt wird, das fundamentale Wesenselement von TZT ist.

Hierbei ist das szenisch-darstellerische Spiel das primäre Interaktionsmedium. Im Zuge deren Realisation kennt das Themenzentrierte Theater sechs Formen von themenzentrierten Anlagen, die in Bezug auf ihre spezifische Funktion und ihre Anforderungen an die GruppenteilnehmerInnen unterschiedlich sind. Es handelt sich dabei methodisch um den Einstieg, die Gruppenbildung, die Situation, die Realisation, die Improvisation und den Ausstieg, die alle miteinander als ein organisches Ganzes zur Bearbeitung des Themas zu verstehen sind.

Insofern ist diese Form des Situationstheaters als kommunikatives und metakommunikatives Element in Bezug auf inter-individuelle und gesellschaftliche Interaktionen, sowie als universeller Handlungsraum bedeutsam. Es erlaubt das Ausprobieren unterschiedlichster Rollen und der mit ihnen verbundenen Handlungsmöglichkeiten, mit deren Hilfe jede nur erdenkliche Lebenssituation szenisch dargestellt und für sich selbst und für die Gruppe erlebbar und analysierbar ist. Die fiktive Übernahme einer Rolle und deren Inszenierung, die bei aller planerischen Vorbereitung und darstellerischen Arbeit letzthin eine spontane „Bauch-Inszenierung“ bleibt, ist eine Herausforderung an die Phantasie und ermutigt zum Rückgriff auf Ressourcen der eigenen Persönlichkeit, die möglicherweise bisher verschüttet blieben.

Die grundsätzliche Freiheit, im Rahmen des Szenen- und Rollenangebotes die verborgenen Persönlichkeitsbereiche jenseits rein diskursiver Versprachlichung im Schutz der Gruppe spielerisch darzubieten, hilft dabei, Lernprozesse auf der Ebene der Kognition, der Emotion wie auch im Handlungsbereich anzuregen und so die Voraussetzungen für umfassende Einsichten in Lebensvorgänge zu schaffen, bzw. für sich selbst neue Lebenswege in den Blick zu nehmen. Insofern ist das Schaffen von Handlungsspielräumen, in denen das eigene Verhaltensrepertoire angewandt und ausgebaut werden kann, eine wesentliche Funktion der Situationsanlage oder Szene im Themenzentrierten Theater. Sie versteht sich als schützendes Erfahrungs- und Übungsfeld, auf dem gezielt all diejenigen jeweiligen Seiten der Persönlichkeit im darstellenden Spiel erfahren und ausgelebt werden können, die möglicherweise seither verborgen blieben, bzw. an die man sich noch nicht herangetraut hatte.

Darüber hinaus - und hier unterscheidet sich die Situationsanlage im Sinne des TZT von anderen Rollenspielkonzepten - ermöglicht die Zentrierung auf das stoffimmanente Thema eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Stoff, was bedeutet, dass der hier intendierte Erfahrungsprozess die Reduktion des Rollenspiels auf Probleme von Individuen bzw. interaktionelle und gruppendynamische Belange gewissermaßen aufhebt, dabei sein Wirken auf die Lebensbezüge der Gruppe ausrichtet und im Zuge dessen eine stetige Erweiterung von Handlungsalternativen anstrebt.

Insofern hat sich das Themenzentrierte Theater seither - insbesondere in der Schweiz - in folgenden Bereichen erfolgreich etabliert:

  • Zur Schulung, zur Teamentwicklung und zum Change-Managenment an sozialen Institutionen, in der Wirtschaft und im Gesundheitswesen
  • In der erlebnispädagogischen Gesundheitsförderung
  • In Bereichen des Konfliktmanagements, der Gewaltprävention (Streitschlichter-Projekte) an unterschiedlichen Institutionen
  • Zur Kommunikationsschulung in der Erwachsenenbildung
  • Im schulischen Beratungs-Kontext:
    • von Lehrkräften
    • im Zuge konkreter TZT-Projekte mit Schulklassen
    • Forumtheater[2] und Interventionstheater nach TZT im Kontext von Mobbing, suizidale Problematik bei Jugendlichen

Der eigentliche Trumpf von TZT liegt hierbei wohl in der Fähigkeit, im Lernprozess die bestmögliche Balance zwischen dem Erleben, bewusstem Reflektieren und einem verdaulichen Input an Theorie herzustellen.

Autor: Prof.Dr. Dieter Mattner [1], Mitglied der TZT-Taskforce[3]

TZT ist eine beim eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum eingetragene Marke von Heinrich Werthmüller, TZT-Begründer, Meilen, Schweiz [4][5][6]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

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