Sozialer Einfluss in Gruppen

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Der soziale Einfluss in Gruppen bezieht sich auf Prozesse, durch die Individuen oder Gruppen die Einstellungen, Gedanken, Gefühle oder das Verhalten anderer Gruppenmitglieder ändern.[1]

Sozialer Einfluss[Bearbeiten]

Menschen stehen ständig unter sozialem Einfluss. In ihrem alltäglichen Leben werden sie zum Beispiel in Bildungseinrichtungen wie der Schule oder Universität, von den Medien oder von Eltern und Freunden beeinflusst. Sie können sich diesem sozialen Einfluss nicht entziehen.
Der soziale Einfluss bewirkt eine Veränderung von Urteilen, Meinungen und Einstellungen von Individuen als Ergebnis einer Konfrontation mit den Urteilen, Meinungen und Einstellungen anderer Menschen.[2] Wird unbewusst das Verhalten anderer nachgeahmt oder die eigene Meinung gemäß der Überzeugung einer Gruppe verändert, so wird dies als Chamäleon-Effekt bezeichnet. Menschen tendieren stets dazu, das Verhalten anderer nachzuahmen.[3]
Sozialer Einfluss kann aktiv und passiv ausgeübt werden. Aktiv heißt, dass der soziale Einfluss bewusst und mit Absicht ausgeübt wird (Bsp. Spendensammler, Wahlkampagne). Auf diese Weise werden Personen gezielt von einer Ansicht überzeugt. Im Gegensatz zu aktiver Einflussnahme findet passiver sozialer Einfluss unbeabsichtigt statt. Beispielsweise vermitteln Eltern Normen und Werte an ihre Kinder, die diese ohne Bewusstsein übernehmen. Auch in Gruppen werden Normen und Werte vermittelt und angenommen. Mitglieder einer Gruppe gleichen ihre Meinungen an und entwickeln so gemeinsame Ansichten.
Der soziale Einfluss in Gruppen kann von unterschiedlichen Parteien ausgehen. Zum einen kann der größere Teil von Mitgliedern einer Gruppe einen Einfluss auf die Meinungen oder das Verhalten des kleineren Anteils der Gruppe haben (Mehrheitseinfluss). Zum anderen, können jedoch auch Minoritäten Meinungen bzw. das Verhalten einer Mehrheit beeinflussen (Minderheitseinfluss).

Mehrheitseinfluss[Bearbeiten]

Als Mehrheitseinfluss (auch genannt Majoritäteneinfluss)wird der soziale Einfluss beschrieben, der aus der Konfrontation von „Meinungen einer Mehrheit oder der Mehrheit der eigenen Gruppe“[4] entsteht. Grundsätzlich streben Menschen nach Anerkennung. Sie schließen sich bewusst Gruppen an, um soziale Isolierung zu vermeiden. Mehrheiten in Gruppen, die bestimmte Meinungen, Überzeugungen, Denkweisen oder Verhalten vertreten, bewirken, dass Gruppenmitglieder der Mehrheitsmeinung zustimmen. Durch diese Zustimmung tritt konformes Verhalten innerhalb von Gruppen auf. Der Druck, der dabei auf die Minderheit innerhalb einer Gruppe oder auf einzelne Personen ausgeübt wird, wird als Konformitätsdruck bezeichnet.[5]
Solomon Asch führte in den frühen Fünfzigerjahren diverse Experimente zum Konformitätsdruck in Gruppen durch. Das Konformitätsexperiment von Asch zeigt, in welch starker und ausgeprägter Weise Gruppen Konformitätsdruck ausüben und inwieweit Menschen diesem sozialen Einfluss ausgesetzt sind. Das Ergebnis des Experimentes zeigt, dass Mehrheiten eine Person so beeinflussen können, dass diese auch dann der Meinung der Mehrheit folgt, wenn diese offensichtlich im Unrecht ist.
Menschen verhalten sich konform, da sie bei einer Meinungs- oder Urteilsäußerung zwei Interessen verfolgen. Zum einen soll das gegebene Urteil richtig sein und der Wahrheit entsprechen und zum anderen erhoffen sie durch die Äußerung einen guten Eindruck zu hinterlassen und sympathisch zu wirken. Um diese Interessen zu verfolgen, berufen sie sich auf zwei Informationsquellen: den eigenen Verstand und die Aussage anderer.
In einer Konformitätssituation geraten diese Informationsquellen in Konflikt. Im Experiment von Solomon Asch widersprechen sich die Informationsquellen. Die Versuchsperson weiß die richtige Antwort, wird jedoch durch die Mehrheitsmeinung beeinflusst, die etwas ganz anderes aussagt. Die Quellen, auf die sich die Person normalerweise verlassen würde, stehen im Konflikt und führen dazu, dass sie der „falschen“ Mehrheitsmeinung zustimmt.
Die Mechanismen, die in einer Konformitäts- und Konfliktsituation auf einen Menschen einwirken, sind der informative und der normative Einfluss. Der informative Einfluss bezieht sich auf den Informationswert der Meinungen anderer Menschen. Besonders ausgeprägt ist dieser Einfluss, wenn die anderen Mitglieder der Gruppe als Experten wahrgenommen werden und die Person ihre eigene Kompetenz anzweifelt. In diesem Falle vertraut sie dem gegebenen Urteil mehr als dem eigenen. Der normative Einfluss entsteht durch das Bedürfnis nach Akzeptanz und Bestätigung. Wer sich normativ beeinflussen lässt, gibt für Anerkennung und Sympathie der Gruppenmeinung nach und verhält sich konform, da abweichendes Verhalten in der Gruppe auf Ablehnung oder sogar Ausgrenzung stoßen könnte.
Der normative und informative Einfluss sind wichtige Elemente, mittels derer Gruppen Einfluss auf ihre Mitglieder ausüben. Darüber hinaus bewirken diese Einflüsse ihre Effekte auf unterschiedlichen Ebenen. Ändert eine Person ihr offensichtliches Verhalten, behält jedoch ihre ursprüngliche Meinung bei, wird von öffentlicher Konformität oder „Compliance“ gesprochen. Im Wesentlichen verhält sich diese Person konform, da ihr etwas an der Meinung anderer Menschen über sich selbst liegt. Vertraut die Person jedoch den Informationen anderer und ändert zusätzlich auch ihre private Meinung, so entspricht dies einer Konversion oder privater Konformität.[6]
Verschiedene soziale Faktoren beeinflussen, ob eine Gruppe bei anderen Personen konformes Verhalten auslöst.
Konformität nimmt zu, wenn:

  • die Person dazu gebracht wird, sich inkompetent oder unsicher zu fühlen;
  • die Gruppe aus mindestens drei Mitgliedern besteht;
  • die Gruppe einer Meinung ist;
  • die Person den Status und die Attraktivität der Gruppe als wichtig beurteilt;
  • sich die Person nicht zuvor für eine Antwort entschieden hat;
  • die Person von den anderen Mitgliedern der Gruppe beobachtet wird;
  • die Person durch die eigene Kultur besonders bestärkt wird, soziale Standards zu respektieren;[7]
  • eine zu lösende Aufgabe wichtig und zugleich einen hohen Schwierigkeitsgrad besitzt.[8]

Minderheitseinfluss[Bearbeiten]

Minderheitseinfluss (auch genannt Minoritäteneinfluss) bestimmt den sozialen Einfluss, „der sich aus der Konfrontation mit den Meinungen einer Minderheit (soziale Minderheit) oder der Minderheit in der eigenen Gruppe (numerische Minderheit) ergibt“[9] . Minderheiten haben in den meisten Fällen aufgrund des normativen Drucks der Mehrheit keinen öffentlichen Einfluss. Eine Einflussnahme kann allerdings auf einer latenten, privaten Ebene erfolgen. Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Einflussnahme einer Minderheit auf eine Mehrheit ist ihr Verhaltensstil. Eine Minderheit muss zu einem fraglichen Sachverhalt eine eindeutige Stellung beziehen, an dieser festhalten und stets dem von der Mehrheit ausgeübten Druck entgegenwirken. Die Konsistenz ist der bedeutendste Faktor des Verhaltensstils, mit der die Minderheit ihre Einstellung befürwortet und rechtfertigt. Minderheiten verhalten sich konsistent, wenn sie zu einem (sozial-) kritischen Thema eine eindeutige Meinung langfristig vertreten und verteidigen, dabei aber nicht rigide und wirklichkeitsfern wirken, sondern durchaus Kompromissbereitschaft und Flexibilität signalisieren. Das Maß an Flexibilität ist dabei stark kontextabhängig. Allerdings wird diese Kompromissbereitschaft der wahrgenommenen Konsistenz schaden, wenn sie über einen bestimmten Punkt hinausgeht.
Für die Entstehung von Konsistenz sind zwei Faktoren ausschlaggebend:

  • intraindividuelle/diachrone Konsistenz, d.h. Kontinuität über die Zeit und
  • interindividuelle/synchrone Konsistenz, d.h. Kontinuität über Individuen.

Nemeth, Swedlund & Kanki (1974) haben in einem Experiment zur Farbwahrnehmung von Dias festgestellt, dass neben den beiden Kontinuitäten auch ein einheitliches d.h. konsistentes Verhaltens- bzw. Reaktionsmuster der Minderheit Einfluss auf eine Meinung einer Mehrheit haben kann. Dieses beschriebene Verhaltensmuster initiiert einen Validierungsprozess. Dabei handelt es sich um eine kognitive Aktivität der Mitglieder der Mehrheitsgruppe. Diese verfolgt das Ziel, zu verstehen, warum die Minderheitsgruppe ihre Position konsistent aufrechterhält und vertritt. Je stärker der kognitive Konflikt, desto wahrscheinlicher ist eine Einstellungsänderung in Richtung der Minderheitsmeinung.
Der Validierungsprozess wird nur initiiert, wenn sich die Minderheit konsistent verhält und dabei synchrone und diachrone Konsistenz gleichzeitig auftreten. Der Minderheitseffekt tritt erst nach einer gewissen Zeit ein.
Somit stellt die Konsistenz eine notwendige Bedingung für den Minderheitseinfluss dar. Trotzdem hängt der tatsächliche Einfluss der Konsistenz davon ab, wie dies von der Mehrheit wahrgenommen und verstanden wird. Entscheidende Variablen für den Minderheitseinfluss sind der Verhaltensstil, der Eindruck, den man sich von der Minderheit macht und der situative Kontext. Der Einfluss der Minderheit beschränkt sich nicht nur auf eine oberflächliche, öffentliche Verhaltensanpassung (wie es im Mehrheitseinfluss der Fall ist (Compliance)), sondern es handelt sich vielmehr um eine echte, latente Meinungs- und Urteilsänderung, die als Konversion bezeichnet wird.[10]

Literatur[Bearbeiten]

  • Avermeat, E. In: Sozialpsychologie / Stroebe, W., Jonas, K. & Hewstone, M. (Hrsg.) - Berlin: Springer, 2002 S. 452 - 476: Sozialer Einfluss in Kleingruppen.
  • Myers, D. G. In: Psychologie - Heidelberg: Springer, 2004 S. 622 - 635: Sozialer Einfluss.
  • Stangor, C. In: Social Groups in Action and Interaction - New York : Psychology Press, 2004 S. 83 - 91: Social Influence.

Siehe auch[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Vgl. Stangor (2004), S. 82
  2. Vgl. Avermaet (2002), S. 452.
  3. Vgl. Myers (2004), S. 623.
  4. Avermaet (2002), S. 452.
  5. Vgl. Myers (2004), S. 624.
  6. Vgl. Avermaet (2002), S. 454 ff.
  7. Vgl. Myers (2004), S. 625.
  8. Vgl. Avermaet (2002), S. 459.
  9. Avermaet (2002), S. 453.
  10. Vgl. Avermaet (2002), S. 463 ff.
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