Rekommunalisierung

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Rekommunalisierung in Hamburg[Bearbeiten]

Die Rekommunalisierung in Hamburg bezeichnet Prozesse, durch die Aufgaben und Vermögen, die vormals durch Privatisierung aus der kommunalen Verwaltung Hamburgs ausgegliedert wurden, wieder in Organisationsformen des öffentlichen Rechts zurückgeführt werden. Rekommunalisierung ist die Umkehrung des entgegengesetzten Vorgangs der Privatisierung.

Grundsätzliches[Bearbeiten]

Die wichtigsten Gründe für Rekommunalisierungen sind aus Sicht der Kommune:

  • die Daseinsvorsorge bleibt in der eigenen Hand
  • der kommunalpolitische Einfluss wird sichergestellt
  • die Kommune partizipiert am wirtschaftlichen Erfolg, durch die Gewinne werden Handlungsspielräume für sonst nicht finanzierbare Aufgaben (klassische Beispiele: Quersubventionierung des ÖPNV oder der Bäderbetriebe) und zur Haushaltsentlastung eröffnet,
  • Standort, Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung können für die Kommune gesichert werden
  • Es ergeben sich zusätzliche Synergien mit anderen kommunalen Aufgaben oder Unternehmen (Wasser- und Abwasserbetriebe mit Energienetzen),
  • Steuerliche Vorteile, insbesondere der steuerliche Querverbund.

Nach einem Trend zu Privatisierungen in den letzten Jahren gibt es bundesweit nunmehr eine gegenläufige Entwicklung hin zur Rekommunalisierung. Teils spielen enttäuschte Erwartungen eine Rolle, teilweise weil das Privatisierungspotential der Kommunen ausgeschöpft ist. Im kommunalen Bereich rechnet der Deutsche Städte- und Gemeindebund nicht mehr mit einer Verkaufswelle staatlicher Vermögenswerte, mit der Finanzkrise sei zudem das Misstrauen in der Bevölkerung gegen Privatisierungen gestiegen [1] .

Privatisierungen und Beteiligungsverwaltung[Bearbeiten]

In Hamburg wurden in der Vergangenheit zahlreiche öffentliche Betriebe privatisiert. Insbesondere im letzten Jahrzehnt wurden diese aus finanzpolitischen Erwägungen verkauft.[2] Hierzu gehören der Landesbetrieb Krankenhäuser, die städtischen Energieversorger (HeinGas Hamburger Gaswerke GmbH, Hamburgische Electricitäts-Werke AG) und zahlreiche weitere Unternehmen, sowie die erste Teilprivatisierung durch einen Börsengang der HHLA (Hamburger Hafen und Logistik AG) [3].

Unter dem damaligen Finanzsenator Wolfgang Peiner wurden im Jahr 2001 die öffentlichen Unternehmen nach Wichtigkeit in vier Kategorien eingeteilt.[4] In der ersten will die Stadt Hamburg mindestens die Mehrheit an dem Unternehmen halten, in der vierten möchte sie vollständig aussteigen, dazwischen liegen Minderheitsbeteiligungen von über oder unter 25 Prozent. Es gibt keine öffentlich bekannt gemachten objektiven Kriterien für diese Kategorisierung. Es erfolgen regelmäßige Überprüfungen der Kategorisierungen im Hinblick auf Privatisierungsmöglichkeiten. In jedem Einzelfall werden die finanziellen gegen die sozialen und strukturpolitischen Aspekte abgewogen, deren Gewichtung einem politischen Wandel unterliegt.

Für die Hamburger GAL war neben anderen Gründen ein weiterer Grund zur Aufkündigung der CDU/GAL-Koalition eine Senatsdrucksache mit dem Titel "Kategorisierung der Beteiligungen", an der der letzte Finnzsenator Carsten Frigge (CDU) vor seinem Rücktritt noch gearbeitet und in die Behördenabstimmung gegeben hatte. Demnach ging es in dieser Drucksache um einen Passus, wonach alle zehn Jahre bei allen kommunalen Unternehmen überprüft werden soll, ob sich die Stadt Hamburg von diesen trennen könne [5]. So hat es in diesem Zusammenhang auch Überlegungen gegeben, das städtische Wohnungsbauunternehmen Saga/GWG sowie den Wasserversorger Hamburg Wasser zu privatisieren.

Energienetze[Bearbeiten]

Politischer Rahmen[Bearbeiten]

Zwischen 2011 und 2015 laufen bundesweit etwa 1000 Konzessionsverträge im Bereich der Energienetze aus, daher prüfen zahlreiche Kommunen, die Strom-, Gas- und Fernwärmeversorgung wieder in die eigene Hand zu nehmen [6]. So auch in Hamburg.

Aufgrund enttäuschter Erwartungen nach erfolgter Privatisierung hat der ehemalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust (CDU) den Verkauf der Hamburgische Electricitäts-Werke AG (HEW) an den schwedischen Energiekonzern Vattenfall mit den Worten, "..ein staatliches Monopol sei "durch ein Quasi-Monopol" auf privater Seite ersetzt worden." kommentiert [7].

Hamburg hat sich im Rahmen des Masterplans Klimaschutz das ehrgeizige Ziel gesetzt, seine energiebedingten Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu verringern. Dazu muss es den jährlichen CO2-Ausstoß gegenüber dem Stand von 2006 um 5,5 Mio. Tonnen verringern.[8]

Vor dem Hintergrund, dass das Kohlekraftwerk Moorburg und die dazugehörige Fernwärmetrasse seitens der Stadt Hamburg nicht verhindert werden konnte und der andauernden Konflikte der Stadt Hamburg mit der Vattenfall-Gruppe, ist die Gründung der Hamburg Energie GmbH erfolgt, um verlorengegangenen energiepolitischen Einfluss zurückzugewinnen.[9] Ziel bis 2014 ist letztlich die Übernahme der Energienetze (Strom, Gas, Fernwärme), um einen Umbau der städtischen Energieversorgung hin zu Erneuerbaren Energien vorzunehmen, insbesondere zur Abkehr von Kernenergie und fossilen Brennstoffen. Zu dem Zeitpunkt laufen die Konzessionsverträge aus beziehungsweise sind durch die Stadt Hamburg kündbar [10] .

Aktuell gibt es in eine Volksinitiative, die das Ziel einer Rekommunalisierung der Energienetze und der Etablierung „echter“ Stadtwerke, d.h. eines Stadtwerks mit Energienetzen, hat. Getragen wird diese Intitiative von 24 Organisationen, dazu gehören unter anderem der BUND Hamburg, die Verbraucherzentrale Hamburg, Kirchen sowie Verbände aus dem Bereich Erneuerbare Energien [11]. Der Bund der Steuerzahler Hamburg e.V.unterstützt diese Initiative [12] und favorisiert dabei Bürgerbeteiligungen über Genossenschaftsmodelle.

Auf politischer Ebene hat der Hamburger Bürgermeister Ahlhaus gegenüber den Grünen das Zugeständnis abgegeben, eine Rekommunalisierung der Energienetze vornehmen zu wollen, da er das Vorhaben sinnvoll finde [13]. Inwieweit dieses Thema anlässlich des Zusammenbruchs der CDU/GAL-Koalition im November 2010 in Hamburg zu Wahlkampfzwecken thematisiert wird, bleibt abzuwarten.[14]

Strom- und Fernwärmenetz (Vattenfall-Gruppe)[Bearbeiten]

Die Stadt Hamburg hat Vattenfall auf Herausgabe der zur Bewertung der Netze erforderlichen Informationen vor dem Verwaltungsgericht Hamburg verklagt. Begründet wird dieser Anspruch mit der Endschaftskausel des Konzessionsvertrages.[15] Vattenfall verweigert die Herausgabe der für die Bewertung der Netze erforderlichen Informationen. Eine Vattenfall-Sprecherin erklärte, der Konzern müsse die wettbewerbsrelevanten Daten erst herausgeben, wenn die Bürgerschaft beschließt, die Konzession auszuschreiben.

Der Verlust des Hamburger Stromnetzes würde erhebliche Auswirkungen auf die Gewinn- und Verlustsituation des Unternehmens haben, da in der Energiewirtschaft erhebliche Deckungsbeiträge im Netzgeschäft erwirtschaftet werden und der reine Energieverkauf nur geringe Margen einbringt. Im Hinblick auf das Fernwärmenetz droht zusätzlich das Risiko, dass die Erzeugungsanlagen (Kraftwerke und Heizzentralen) verloren gehen, so dass weitere Ergebnisbelastungen zu erwarten wären.

Gasversorgungsnetz (E.ON Hanse AG)[Bearbeiten]

Es erfolgt der Versuch einer einvernehmlichen Wertbestimmung des Hamburger Gasversorgungsnetzes, der die Basis eines möglichen Kaufpreises wäre.[16] Die Konzernmutter E.ON, Düsseldorf, hat im Herbst 2010 aufgrund der erwarteten finanziellen Belastungen aus dem Energiekonzept der Bundesregierung einen Strategiewechsel angekündigt. Demnach wird sich der Konzern zukünftig auf das Kraftwerkgeschäft, schwerpunktmäßig im Ausland konzentrieren. Zwecks Schuldenabbau wird in diesem Zusammenhang erwartet, dass die Strom- und Gasnetze für die E.ON an Bedeutung verlieren und sukzessive verkauft werden.[17]

Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK)[Bearbeiten]

Im Jahr 2002 begann der Hamburger Senat mit der Suche nach einem Privatinvestor für den LBK. Wesentliche Gründe waren haushaltspolitische Erwägungen und erwartete Kosten aufgrund zukünftiger Restrukturierungsmaßnahmen sowie Schulden- und Pensionslasten von mehr als 500 Mio. Euro. Ende 2003 übernahm der Klinikkonzern Asklepios sieben städtische Kliniken. Im Rahmen eines Volksentscheid stimmten 77 Prozent der Teilnehmer dafür, den LBK mehrheitlich bei der Stadt zu lassen. Der Senat ignorierte das Votum.

Dem Käufer wurden finanzielle Vorteile, wie zum Beispiel zinslose Darlehen und die Übernahme von Pensionsverpflichtungen gewährt. Zum damaligen Zeitpunkt gab es erste Kritik an der Wirtschaftlichkeit des Projekts, insbesondere im Hinblick auf die avisierten Einnahmen. Aktuell wird aufgrund variabler Preisbestandteile ein geringerer Verkaufserlös erwartet, als ursprünglich geplant [18].

Etwa 1.600 Mitarbeiter des ehemaligen LBK haben im Zuge der Privatisierung von Ihrem Recht Gebrauch gemacht, Ihren Arbeitsplatz bei der FHH zu behalten. 940 ehemalige Mitarbeiter, die schwerpunktmäßig aus den Gesundheitsberufen kommen, haben zwar einen unbefristeten Vertrag mit der Stadt, haben aber keinen unbefristeten Arbeitsplatz und werden daher innerhalb des Staatsdienstes als Springer für befristete Aufgaben eingesetzt.[19] Die Integration dieses Personals wird als schwierig erachtet.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Privatisierungen: „Kein Tafelsilber, sondern Essbesteck“. 4. August 2010, auf der Webseite des Deutschen Städte und Geeindebundes.
  2. Käufliches Hamburg. In: Die Zeit. 7. Juli 2010.
  3. Fluch und Segen der Privatisierung. auf: Welt online. 23. Juni 2007.
  4. Käufliches Hamburg. In: Die Zeit. 7. Juli 2006
  5. Deshalb platzte die Koalition: Kerstan rechnet mit Ahlhaus ab In: Hamburger Abendblatt 20. November 2010.
  6. Christof Schorsch, Jessica Faber: Rekommunalisierung der Energieversorgung – Chancen und Risiken. In: DEMO Monatszeitschrift für Kommunalpolitik. 4. Februar 2010.
  7. Beust bedauert Verkauf der HEW an Vattenfall. In: Der Spiegel. 12. Juli 2007.
  8. Klimaschutz - Ein Masterplan Klimaschutz für Hamburg. auf: hamburg.business-on.de 21. Oktober 2010.
  9. Sauberer Strom füllt die Stadtkasse. In: Die Tageszeitung. 31. Oktober 2010.
  10. Sven-Michael Veit: Hamburg gründet Öko-Stadtwerke. In: Die Tageszeitung. 18. Mai 2009.
  11. Unser Hamburg – Unser Netz. 21. November 2010
  12. Steuerzahlerbund unterstützt Rückkauf der Netze "05. November 2010
  13. Koalition will Energienetze zurückkaufen. 24. August 2010
  14. Roland Nelles: Hamburger Koalitions-Aus: Grüne wagen den Aufstand der Übermütigen. auf: Spiegel Online. 28. November 2010.
  15. Umweltbehörde verklagt Vattenfall. In: Die Welt. 30. Oktober 2010.
  16. Drucksachen 19/6165 sowie 18/4464, Schriftliche Kleine Anfragen der Abgeordneten Dr. Monika Schaal aus den Jahren 2009 und 2010.
  17. ROUNDUP: Eon-Chef kündigt Strategiewechsel an - Weitere Milliardenverkäufe. auf: news.onvista.de 10. November 2010.
  18. Peter Ulrich Meyer: 75 Millionen weniger für Krankenhaus-Verkauf. In: Hamburger Abendblatt. 23. November 2010.
  19. Rückkehr auf Raten. In: taz.de. 12. Januar 2010.