Quick Response Manufacturing

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Quick Response Manufacturing (QRM) bezeichnet eine Managementstrategie, welche auf die Reduzierung von Durchlaufzeiten in allen Unternehmensbereichen ausgerichtet ist [1][2][3]. Die QRM-Strategie wurde in erster Linie für mittelgroße Industrieunternehmen, deren Produkte überwiegend in Einzel- und Kleinserienfertigung hergestellt werden oder viele Varianten erforderlich sind, angelegt. Der systemische Ansatz und die Ziele von QRM sind prinzipiell vergleichbar mit Lean Manufacturing, welches in der praktischen Anwendung häufig auf Methoden & Werkzeuge des Toyota-Produktionssystems (TPS) beschränkt wird, deren Anwendung gezielt zur Serienfertigung optimiert wurden und für den Einsatz in anderen Branchen oder Unternehmensbereichen oftmals nicht ideal geeignet sind[4][5]

Inhaltsverzeichnis

Beschreibung[Bearbeiten]

Quick Response Manufacturing (QRM) wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts entwickelt, um Unternehmen auf sich permanent veränderte Markt- und Wettbewerbsbedingungen vorzubereiten. In einer globalisierten & digitalisierten Welt ist es erforderlich, die klassischen industriellen Produktionsverfahren der Massen- & Serienfertigung („Mass Production“) zur Befriedigung der Marktbedürfnisse anzupassen. Ein höherer Individualisierungsgrad, verbreiterte Produktpaletten und kürzere Produkt-Lebenszyklen führen zu einer vielfach höheren Variabilität in Unternehmen („Mass Customization“). Die Nutzung von QRM ermöglicht es Unternehmen auf dieses veränderte Marktumfeld zu reagieren und alle Wertschöpfungsprozesse anzupassen. Davon profitieren insbesondere Hersteller von Produkten auf Kundenwunsch oder mit hohem Individualisierungsgrad, Produzenten von Kleinserien, Einzelstücken und Prototypen, aber auch Serienfertiger mit hoher Variantenvielfalt.

Gemäß QRM ist die Zeit ein wesentlicher und häufig unterschätzter Erfolgsfaktor für Unternehmen. Die Fokussierung auf die konsequente Reduzierung von Durchlaufzeiten in allen Unternehmensbereichen hat vielfältige positive Effekte: Es werden z. B. nicht-wertschöpfende Tätigkeiten reduziert, Kosten gesenkt und die Produktqualität gesteigert. Unternehmen die QRM anwenden, erhöhen dadurch Ihre Wettbewerbsfähigkeit und gewinnen Marktanteile hinzu.

Im Gegensatz zu vielen anderen Managementsystemen unterscheidet die konsequent zeitbasierte Grundstruktur von QRM zwischen zwei Formen von Variabilität: Während die schädliche Variabilität („dysfunctional variability“), wie z. B. Ausschuss, Nacharbeit oder Maschinenausfälle, bekämpft werden muss, bildet die strategische Variabilität („strategic variability“) häufig einen Wettbewerbsvorteil der genutzt werden soll. Insbesondere ein flexibler Umgang mit Kundenwünschen, ein kurzfristiges Reaktionsvermögen und eine hohe Liefertreue sind in der heutigen Zeit wesentliche Erfolgskriterien und bilden besonders in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig erst die Basis für wirtschaftlichen Erfolg. Aus diesem Grund entschieden sich zwischenzeitlich hunderte von Unternehmen zur Nutzung der QRM-Strategie als Alternative oder als Ergänzung zu bestehenden Strategien wie Lean Management, TQM, Six Sigma oder Kaizen.[6]

Historie[Bearbeiten]

Hintergrund[Bearbeiten]

QRM hat seine Wurzeln im Konzept der Time-based Competition (TBC), welche von japanischen Unternehmen erstmals in den 1980er Jahren angewendet wurde. Formuliert wurde TBC erstmals durch George Stalk Jr. 1988 im Artikel „Time – The Next Source of Competitive Advantage“[7] (etwa: „Zeit – Die nächste Quelle für Wettbewerbsvorsprung“). Time-based Competition identifiziert die Zeit als wesentlichen Einflussfaktor zur Erreichung eines nachhaltigen Wettbewerbsvorsprungs. Ziel ist es, die benötigte Zeit aller Prozesse in Unternehmen (z. B. von der Angebotserstellung bis zur Lieferung von Waren an den Kunden) zu minimieren. Analog dazu empfiehlt QRM einen unternehmensweiten Fokus auf die Minimierung von Durchlaufzeiten zu setzen und bezieht dabei nicht nur die direkten Leistungsbereiche sondern auch explizit indirekte Leistungsbereiche (wie etwa die Produktentwicklung) mit ein. Aufgrund dieses ganzheitlichen Ansatzes zum Management hochvariabler Produkt- / Marktkombinationen wird QRM zwischenzeitlich in mehreren Hundert überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen, aber auch in etlichen globalen Konzernen (wie z. B. Harley Davidson, John Deere) eingesetzt.

Gelegentlich wird QRM mit der in der Textilwirtschaft verbreiteten Methode des Quick Response (QR) verglichen. Auch wenn der zeitliche Ansatz zur Reduzierung von Durchlaufzeiten identisch ist, wird unter QR in der Praxis die spezifische Anwendung von zeitbasierten Managementstrategien im Bekleidungssektor verstanden. QRM hingegen stellt einen universellen Ansatz für Unternehmen, unabhängig von Branchen oder Standorten dar.[8] Die Entwicklung von QR geht zurück auf eine Initiative der US-Textilwirtschaft im Jahr 1984. Diese hatte bereits vor Erscheinen des Artikels von George Stalk Jr. das Ziel verfolgt, die Effizienz von Produktionsunternehmen (der Textilbranche) durch Anwendung zeitbasierter Strategien zu verbessern. Dabei wurden erstmals die Konzepte der TBC über Unternehmensgrenzen hinaus eingesetzt und damit Zulieferer entlang der Supply-Chain eingebunden, wodurch die Textilwirtschaft als Vorreiter bei der Anwendung von QR-Methoden bezeichnet werden muss.[9]

Entstehung von QRM[Bearbeiten]

Die Methode des Quick Response Manufacturing (QRM) wurde in den späten 1980er Jahren durch Rajan Suri entwickelt. Suri war zu dieser Zeit Professor am Lehrstuhl für Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität von Wisconsin in Madison (WI). Er kombinierte die sich ausbreitende Forschung an den Prinzipien der Time-based Competition mit seiner eigenen Erfahrung aus etlichen Industrieprojekten, welche die Reduzierung von Durchlaufzeiten zum Ziel hatten. Suri konzipierte QRM als ganzheitliches Konzept zur konsequenten Fokussierung auf die Reduzierung von Durchlaufzeiten in allen Unternehmensbereichen und über Unternehmensgrenzen hinaus.

1993 gründete Suri gemeinsam mit Kollegen der Universität von Wisconsin in Kooperation mit mehreren Industrieunternehmen das Center for Quick Response Manufacturing in Madison. Ziel dieser Organisation ist es, die Methoden und Werkzeuge von QRM laufend zu entwickeln und gleichzeitig den Wissenstransfer zwischen Universität und der Industrie zu unterstützen und zu koordinieren.

Zwischenzeitlich erweitert QRM bestehende Prinzipien der Time-based Competition und ergänzt insbesondere die folgenden Elemente:

  • alleiniger Fokus auf die Reduzierung von Durchlaufzeiten
  • branchenunabhängige Anwendbarkeit in Industrieunternehmen
  • Beseitigung von gängigen Missverständnissen in der Anwendung zeitbasierter Managementstrategien
  • ganzheitlicher Ansatz zur Anwendung in allen Unternehmensbereichen (insb. auch der Office-Bereiche) und der Supply-Chain
  • Nutzung einer zellenbasierten Unternehmensstruktur mit großer Flexibilität
  • Integration systemdynamischer Prinzipien zur Reduzierung von Durchlaufzeiten
  • selbsregulierendes System zur Steuerung des Materialflusses – POLCA
  • zeitbasiertes Kennzahlensystem zur Erfolgsmessung
  • Manufacturing Critical-path Time (MCT) zur Messung von Durchlaufzeiten

Suri’s theoretische Forschungen bzgl. QRM wurden über die Jahre durch praktische Erfahrungen in unzähligen Industrieprojekten verifiziert und dadurch immer weiter entwickelt. Dadurch war Suri in der Lage, QRM zu einer umfassenden Managementstrategie zu entwickeln, die es ermöglicht, die Prozessgeschwindigkeit in allen Leistungsbereichen von Industrieunternehmen zu erhöhen. Diese Strategie formulierte Suri 1998 in seinem Buch „Quick Response Manufacturing: A Companywide Approach to Reducing Lead Times“ (1998, Tayler & Francis Inc., 576 Seiten, gebunden). Dieses Werk stellt ein umfassendes Handbuch zur Implementation von QRM in Industrieunternehmen dar.

Die vier Kernkonzepte von QRM[Bearbeiten]

Bedeutung der Zeit[Bearbeiten]

Aus historischen Gründen ist es nachvollziehbar, dass viele Industrieunternehmen bis heute klassisch kostenbasierte Managementstrategien einsetzen. Diese auslastungs- / kostenorientierte Managementsicht, welche auf einer strikt funktionalen Arbeitsteilung beruht um möglichst kostengünstige und niedrigqualifizierte Mitarbeiter einsetzen zu können, wurde durch Frederick Winslow Taylor zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und durch Henry Ford aufgrund der Entwicklung der Fließbandfertigung wenige Jahre später perfektioniert. Aus der zeitbasierten Perspektive von QRM hat dieser hohe Grad an Arbeitsteilung und die damit einhergehenden hierarchischen Unternehmensstrukturen folgende negative Auswirkungen auf die Durchlaufzeit:[10]

  • Produkte und Aufträge müssen lange Wege durch viele Abteilungen durchlaufen
  • Hierarchische Entscheidungsstrukturen über mehrere Managementebenen benötigen viel Zeit, in vielen Fällen sogar bei trivialen Entscheidungen
  • Zur vermeintlich kostensenkenden Optimierung von Rüstzeiten werden häufig große Produktionslose gebildet
  • große Produktionslose wiederum führen zu hohen Lagerbeständen, welche dann – in Folge der hohen Volatilität heutiger Absatzmärkte – häufig nicht vollständig verkauft werden und in der Folge entsorgt werden müssen
  • eine niedrige Qualifikation von Hilfskräften in der Fertigung führt häufig zu Qualitätsproblemen und erhöhtem Aufwand zur Nacharbeit

Die o.g. Faktoren wirken sich negativ auf die Durchlaufzeiten von Industrieunternehmen aus. Mit langen Durchlaufzeiten gehen vielfältige Formen von Verschwendungen einher. Beispielhaft seien hier erwähnt: aufwändiges – und dennoch ungenaues – Forecasting, komplexe Planung, Steuerung und Terminüberwachung, hohe Umlaufbestände (work in progress (WIP)), hoher Bestand an Fertigerzeugnissen, erhöhter Ausschuss, etc..

QRM trifft die Annahme, dass eine konsequente und unternehmensweite Betrachtung und Reduzierung von Durchlaufzeiten in allen Bereichen im Ergebnis sowohl zu einer Qualitätssteigerung als auch zu erheblichen Kostensenkungen führt. Durch die Beseitigung zeitraubender dysfunktionaler Prozesse, welche sich in der Realität zudem in ihrer Wechselwirkung verstärken, können Durchlaufzeiten reduziert, Kosten gesenkt und im Ergebnis die Reaktionsfähigkeit des QRM-Unternehmens gegenüber Anforderungen von Kunden spürbar erhöht werden. Dies resultiert in einem erheblichen Wettbewerbsvorteil von QRM-Unternehmen gegenüber traditionell organisierten Mitbewerbern. Der Wechsel zur konsequent zeitbasierten Managementstrategie erfordert jedoch ein tiefgreifendes Umdenken – insbesondere auf Managementebene – da der Perspektivwechsel von der überwiegend kostenbasierten Sichtweise, hin zu einer zeitbasierten Betrachtung erfolgen muss. Kurze Durchlaufzeiten in allen Prozessen müssen in QRM zum Maßstab unternehmerischer Entscheidungen werden.

Manufacturing Critical-path Time (MCT)[Bearbeiten]

Die starke Fokussierung von QRM auf Durchlaufzeiten erfordert eine umfassende und eindeutige Definition des Begriffs „Durchlaufzeit“. Dies wird in QRM durch die Manufacturing Critical-path Time (MCT) erreicht. MCT basiert auf der Methode des kritischen Pfades (engl. critical path methode (cpm)) und ist definiert als die typische Zeitspanne – gemessen in Kalendertagen – zwischen dem Zeitpunkt zu welchem ein Kunde einen Auftrag platziert, bis zu dem Zeitpunkt zu welchem der Kunde das erste Produkt desselben Auftrags geliefert bekommen hat.[11]:12 und Anhang A

Durch diese Definition eignet sich die MCT um Verschwendungen im Prozess zu quantifizieren und Potenziale für Optimierungen aufzuzeigen. MCT erzeugt eine Übersicht der gesamten Zeit, die benötigt wird um einen Auftrag zu erfüllen und quantifiziert dabei die Dauer des längsten kritischen Pfades über alle Aktivitäten die von der Auftragsbearbeitung betroffen sind.

Organisationsstruktur[Bearbeiten]

Gemäß der Lehre von QRM werden genau vier Bausteine struktureller Änderungen benötigt, um Unternehmen, welche bisher kostenbasiert strukturiert sind (d.h. in der Regel über funktionale Abteilungen & Kostenstellen) in einer Weise umzustrukturieren, dass dadurch eine Minimierung von Durchlaufzeiten organisatorisch unterstützt wird.[11]:47-48

Organisation in QRM-Zellen

Bestehende funktionale Abteilungen werden aufgelöst und durch QRM-Zellen ersetzt. Dabei ist zu beachten das die Architektur von QRM-Zellen im Vergleich zu alternativen Zellenkonzepten (z. B. im Lean-Manufacturing) flexibler und ausdrücklich multifunktional ist.

Bildung eigenständiger Teams

Hierarchische Strukturen werden – wo möglich – durch Teams ersetzt, welche vollkommen eigenständig die gesamte Verantwortung für Prozesse innerhalb einer QRM-Zelle tragen und sich gemäß definierter Ziele innerhalb der Zelle organisieren.

übergreifende Qualifizierung

Anstelle einer funktionalen Qualifikation, in welcher Mitarbeiter in der Lage sind, alle möglichen Fälle eines bestimmten Arbeitsschrittes kompetent zu erfüllen, tritt eine funktionsübergreifende Qualifizierung. Dadurch werden Arbeiter befähigt, mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsschritte kompetent zu erfüllen.

Fokussierung auf die MCT-Reduktion

Um die ersten drei Strukturen zu Unterstützen, ist es erforderlich die internen Zieldefinitionen anzupassen. Typische kostenbasierte Zielsetzungen (wie z. B. Effektivität oder Auslastung) bringen aus zeitlicher Perspektive negative Effekte mit sich und müssen durch eine ausschließliche Zielvorgabe mittels MCT-Werten ersetzt werden.

QRM-Zellen[Bearbeiten]

Zentraler Bestandteil des QRM-Unternehmens ist die QRM-Zelle. In Ergänzung zu klassischen Ansätzen zellbasierter Organisationen erfolgt die Architektur von QRM-Zellen entlang definierter Zielmarktsegmente (engl. Focused Target Market Segments (FTMS)). FTMS definieren ein klar abgegrenztes Marktsegment, in welchem das QRM-Unternehmen offensichtliche Vorteile durch die Reduktion von Durchlaufzeiten erzielen kann.[11]:49–50 und Anhang B Bei Zielmärkten im Sinne der QRM-Definition kann es sich sowohl um externe Märkte (z. B. Branchen, Produktbereiche) als auch um interne Märkte (z. B. andere Unternehmens- oder Leistungsbereiche) handeln.

Die Ressourcen einer Zelle werden ausschließlich für zellinterne Aufgaben verwendet und sind damit dediziert Zellen zugeordnet. Die Ressourcen müssen räumlich zusammengefasst und möglichst multifunktional ausgewählt sein. QRM-Zellen führen im Gegensatz zu einer funktionalen Organisation keine ausschließlich funktional zugehörigen Arbeitsgänge (z. B: „CNC-Fräszelle“ – dies wäre lediglich ein alternativer Begriff für eine funktionale Struktur) aus, sondern führen mehrere aufeinanderfolgende Arbeitsgänge aus. Während ein Auftrag innerhalb einer Zelle durchaus mehrfach zu einer Ressource zurückkehren kann um bearbeitet zu werden, sollte die Zellstruktur so aufgebaut sein, dass ein Auftrag nach dem Verlassen einer Zelle fertig gestellt ist und im weiteren Produktionsverlauf nichtmehr in diese Zelle zurückkehren muss.

Die Arbeitsorganisation innerhalb von QRM-Zellen baut auf Teamverantwortung auf. D.h., dass sich das Team innerhalb einer Zelle anhand eines gegebenen Auftrags und eines Termins zur Fertigstellung eigenständig organisiert und befähigt ist, alle notwendigen Entscheidungen zu treffen um die vorgegeben Ziele zu erreichen[11]:56–59. Um die notwendige Flexibilität innerhalb von QRM-Zellen zu gewährleisten, ist es erforderlich, die Teammitglieder übergreifend zu Qualifizieren („Cross Training“), so dass im Idealfall jedes Teammitglied alle Tätigkeiten innerhalb einer QRM-Zelle ausführen kann.

Die ausschlaggebende Kennzahl einer QRM-Zelle ist deren Durchlaufzeit, gemessen über die MCT. Um die MCT-Reduktion innerhalb einer QRM-Zelle zu messen, wird die QRM-Zahl verwendet. Anhand der QRM-Zahl können Verlauf und Trends zur Entwicklung der MCT abgelesen werden.

Systemdynamik[Bearbeiten]

In QRM geht die marktorientierte Architektur (FTMS) der Zellenstruktur einher mit der Anwendung systemdynamischer Prinzipien, welche die starke Fokussierung auf die Reduzierung der Durchlaufzeiten unterstützen. Basierend auf den Prinzipien der Systemdynamik werden in QRM insbesondere die Kapazitätsauslastung von Ressourcen (Mitarbeiter und Maschinen) und die Gestaltung der produzierten Losgrößen unter dem Gesichtspunkt der kürzestmöglichen Durchlaufzeit angepasst.

Strategische Nutzung von Reservekapazitäten[Bearbeiten]

Aufgrund einer stark kostenorientierten Sichtweise streben viele Organisationen eine hohe Auslastung von Ressourcen (im Idealfall in Richtung 100 %) an. Aus der zeitbasierten Sichtweise von QRM ist dieses Streben im Sinne kurzer Durchlaufzeiten aber kontraproduktiv. Die Gründe hierfür können durch die Anwendung der Warteschlangentheorie veranschaulicht werden, wodurch belegt wird, dass hohe Auslastungen unmittelbar zu verlängerten Durchlaufzeiten führen. Um die hohe Variabilität in vielen Unternehmen zu kompensieren, ist es gemäß QRM deshalb erforderlich, die Auslastung von Ressourcen zu reduzieren. In der Praxis zeigen sich häufig Werte von ca. 80 % der verfügbaren Kapazität als ideale Auslastung im Sinne einer optimalen Durchlaufzeit.

Optimierung von Losgrößen unter Berücksichtigung systemdynamischer Effekte[Bearbeiten]

Das Streben nach einer maximalen Auslastung von Ressourcen resultiert in der Praxis zumeist in der Bildung von großen Produktionslosen, um zum einen den Anteil von Rüstzeiten zu minimieren und andererseits in vielen Arbeitsprozessen z. B. entstehenden Verschnitt (z. B. bei der Verarbeitung von Halbzeugen), oder (im Falle begrenzter räumlicher Kapazitäten) die Platzausnutzung (z. B. bei der Bestückung von Öfen) zu optimieren. Aus QRM-Sicht führen diese chargenbildenden Prozesse aber ebenfalls zu verlängerten Durchlaufzeiten und hohen Umlauf- und Lagerbeständen. Dadurch zeigt sich, dass die rein kostenorientierte Sicht, obwohl vermeintlich kostenoptimal, durch die vielfältigen Arten der Verschwendung, die mit langen Durchlaufzeiten einhergeht, letztlich dennoch nicht zu einer kostenoptimalen Arbeitsweise führt. Aus diesem Grund versucht QRM, die Losgrößen auf ein sinnvolles Maß zur Erreichung optimaler Durchlaufzeiten zu reduzieren.

Unternehmensweite Anwendung[Bearbeiten]

QRM hebt die enorme Bedeutung einer zeitorientierten Arbeitsweise im gesamten Unternehmen hervor und schafft damit eine ganzheitliche Managementstrategie für Organisationen in allen Bereichen.

Prozesse in der Verwaltung & Administration[Bearbeiten]

Häufig sind Prozesse in der Administration (z. B. Angebotserstellung, Konstruktion, Planung und Auftragssteuerung) wesentliche Treiber langer Durchlaufzeiten. QRM empfiehlt deshalb eine Anwendung der zuvor beschrieben QRM-Prinzipien, auch in allen Bereichen der Verwaltung und Administration.

Dabei liegt der Schwerpunkt auf der Einrichtung von QRM-Zellen in Office-Bereichen, der Bildung sogenannter Quick Response Office Cells (Q-ROCs). Auch Q-ROCs werden anhand definierter Zielmarktsegmente aufgebaut. Q-ROCs sind genau wie QRM-Zellen in der Produktion räumlich gruppiert, multifunktional und auf die Abarbeitung von mehreren aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten ausgelegt. Auch im Office-Bereich werden ehemals funktionale Abteilungen durch übergreifend qualifizierte Teams ersetzt, mit dem Ziel, die Durchlaufzeit auch in diesen Leistungsbereichen zu reduzieren.

Materialwirtschaft[Bearbeiten]

QRM kritisiert die bestehenden Systeme zur Materialwirtschaft wie beispielsweise Material Requirements Planning (MRP), Manufacturing Resource Planning (MRP II) und Enterprise Resource Planning (ERP) dahingehend, dass die oben erläuterten Erkenntnisse aus der Systemdynamik in der Regel keine Berücksichtigung in diesen Systemen finden und damit Kosten langer Durchlaufzeiten gar nicht oder nur ungenügend abgebildet werden. QRM empfiehlt aus diesen Gründen eine vereinfachte Nutzung bestehender MRP-Systeme auf einer weniger feingranularen Ebene. Dies wird als High Level MRP (HL/MRP) bezeichnet. Dieser „gröbere“ Ansatz wird dann, durch die im Folgenden erläuterte Methode POLCA zur Produktionssteuerung ergänzt.

Produktionssteuerung[Bearbeiten]

Um den Materialfluss innerhalb der zellenbasierten QRM-Struktur zu koordinieren und zu steuern verwendet QRM das POLCA-System. POLCA steht hierbei für ein kartenbasiertes System mit Freigabefunktion zur Steuerung des Materialflusses zwischen definierten Zellpaarungen (POLCA = Paired-cell Overlapping Loops of Cards with Authorization). POLCA kann als QRM-Alternative zu Kanban gesehen werden, dessen Einsatz im Falle von Sonder-, Einzel-, Varianten- und Kleinserienfertigung gar nicht oder nur begrenzt möglich ist. Dabei unterscheidet sich POLCA von Kanban durch die Art des Signals welches zur Steuerung des Materialflusses gesendet wird. POLCA verwendet ein Kapazitätssignal , welches anzeigt, dass eine Zelle verfügbare Kapazität zur Bearbeitung eines neuen Auftrages hat. Kanban hingegen sendet (durch das Behältermanagement) ein Bestandssignal, welches geschaffen wurde, um den Bedarf einer definierten Menge und der Art von Teilen zu signalisieren. Dieser Ansatz ist jedoch, wie zuvor geschildert, in vielen Unternehmen, welche keine klassische Serienfertigung betreiben nicht oder nicht sinnvoll umsetzbar. Durch die Implementation von POLCA können Durchlaufzeiten verkürzt und Umlaufbestände reduziert werden.[12] Verfeinerungen von POLCA streben danach, dessen Leistung weiter zu verbessern [13][14][15].

Supply-Chain[Bearbeiten]

QRM erstreckt sich per Definition über die gesamte Lieferkette. Durch die Anwendung von QRM sollen Unternehmen gemeinsam mit ihren Lieferanten Prozesse entwickeln, um lange Durchlaufzeiten auch bei diesen zu reduzieren. Aus diesem Grund sollte die Anwendung der MCT-Kennzahl auch bei Auswahl und Entwicklung von Lieferanten erfolgen.

Forschung und Entwicklung (F.u.E.)[Bearbeiten]

Die Innovationsgeschwindigkeit bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte bzw. die New Product Introduction (NPI) ist gemäß QRM ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Durch eine hohe Innovationsgeschwindigkeit und die Einführung neuer Produkte in möglichst kurzen Intervallen wird die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt und ausgebaut. Aus diesem Grund werden in QRM-Unternehmen auch innerhalb des NPI-Prozesses kostenorientierte Entscheidungen zugunsten zeitbasierter ersetzt. Zum Beispiel können kostenorientierte Entscheidungen zur Beschaffung von Rohmaterial zu einer verzögerten Fertigstellung geplanter Prototypen führen, wodurch der gesamte NPI-Prozess verzögert wird.

Praktische Anwendung[Bearbeiten]

Quick Response Manufacturing wird von einer Vielzahl verschiedener Unternehmen (http://qrm.engr.wisc.edu/index.php/results) aus unterschiedlichen Branchen angewendet. Als ganzheitliche Unternehmensstrategie findet QRM in allen Leistungsbereichen von Unternehmen Anwendungen. Im Bekleidungssektor geht QRM Hand in Hand mit den Konzepten der „Fast Fashion“ und „Fast Fit“, welche beide entwickelt wurden um die Zeitspanne zwischen Vorstellung neuer Modetrends auf den Laufstegen bis zur Verfügbarkeit der Ware in den Retailstores zu verkürzen.

In Industrieunternehmen wird QRM auch dort angewendet, wo bereits erfolgreich Lean- und Six Sigma-Programme in Teilbereichen umgesetzt wurden und diese Erfolge mittels QRM auch in andere Bereiche (i.d.R. mit höherer Variabilität) oder in die Administration übertragen werden sollen.

In der jüngeren Vergangenheit finden QRM-Prinzipien zunehmend Verbreitung in der Medizin- und Pharmaindustrie, wo insbesondere die Innovationsgeschwindigkeit durch Anwendung von QRM-Methoden im Bereich der Forschung & Entwicklung erhöht werden soll.[16]

Zentrum für Quick Response Manufacturing[Bearbeiten]

Im Jahr 1993 gründete Prof. Rajan Suri in Kooperation mit mehreren Industrieunternehmen und gemeinsam mit der Universität von Wisconsin in Madison (WI) das Center for Quick Response Manufacturing. Ziel dieses Kompetenzzentrums für QRM ist, die laufende Forschung und Weiterentwicklung der QRM-Strategie. Gleichzeitig fördert das Zentrum die praktische Anwendung von QRM und unterstützt Industrieprojekte.

Das Center for Quick Response Manufacturing hat als Public-Private-Partnership (PPP) Organisation in Kooperation mit der Fakultät der Universität von Wisconsin in den vergangenen 20 Jahren mehr als 220 Industrieunternehmen bei der Einführung von QRM unterstützt. Dabei werden u.a. Studenten in Projekte vermittelt, Informationen und Werkzeuge zu QRM bereitgestellt und der Wissenstransfer gefördert. Hierfür bietet das Zentrum ein Seminarprogramm an und richtet die weltweite QRM-Fachtagung „QRM International Conference“ aus, welche im Abstand von zwei Jahren stattfindet und jeweils vier Tage dauert.

European QRM Practitioner Network (QPN)[Bearbeiten]

Seit 2013 existiert in Europa das „QRM Practitioner Network“ (QPN), welches ein Zusammenschluss von europäischen Organisationen und Unternehmen ist, die sich mit der QRM-Methode befassen und Leistungen zum Thema QRM anbieten. Das Netzwerk hat Mitgliedsunternehmen unter anderem in Deutschland, Belgien, Dänemark, Frankreich, Holland, Polen und Spanien. Durch die europaweite Kooperation von QRM-Spezialisten können länderübergeifende Projekte begleitet und umgesetzt werden. Dies ist insbesondere für große Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren Ländern von Vorteil.

Siehe auch[Bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten]

  • Suri, Rajan: It's About Time. The Competitive Advantage of Quick Response Manufacturing, Productivity Press, 2010, ISBN 978-1-4398-0595-4
  • Suri, Rajan: Quick Response Manufacturing. A Companywide Approach to Reducing Lead Times, Productivity Press, 1998, ISBN 978-1-56327-201-1
  • Suri, Rajan: Erfolgsfaktor Zeit, Books on Demand, (deutsche Übersetzung durch Markus Menner, orig: Rajan Suri: It's About Time, Taylor & Francis, 2010), 2015, ISBN 978-3-7386-9920-3
  • Reyes, Jack: QRM 71 Success Secrets: 71 Most Asked Questions On QRM – What You Need To Know, Emereo Publishing, 2014, ISBN 978-1-4888-5317-3
  • Van Assen, Marcel; Van den Berg, Gerben; Pietersma, Paul: Key Management Models: The 60+ models every manager needs to know (2nd Edition), FT Press, 2009, ISBN 978-0-273-71910-6
  • Reiner, Gerald: Rapid Modelling and Quick Response: Intersection of Theory and Practice, Springer Verlag, 2010, ISBN 978-1-84996-526-2
  • Hines, Tony: Supply chain strategies: Customer driven and customer focused, Routledge, 2004, ISBN 978-0-7506-5551-4
  • Hyer, Nancy; Wemmerlov, Urban: Reorganizing the Factory: Competing Through Cellular Manufacturing, Productivity Press, 2001, ISBN 978-1-56327-228-8
  • Martin, James William: Operational Excellence: Using Lean Six Sigma to Translate Customer Value through Global Supply Chains, Auerbach Publications, 2007, ISBN 978-1-4200-6250-2
  • Hadjiconstantinou, Eleni (Hrsg.): Quick Response in the Supply Chain, Springer Verlag, 1999, ISBN 978-3-642-64215-9

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Westkämper, Engelbert; Zahn, Erich: Wandlungsfähige Produktionsunternehmen: Das Stuttgarter Unternehmensmodell, Springer Verlag, 2009
  2. Filho, Moacir Godinho; Saes, Elizangela Veloso: From time-based competition (TBC) to quick response manufacturing (QRM): the evolution of research aimed at lead time reduction, The International Journal of Advanced Manufacturing Technology, February 2013, Volume 64, Issue 5-8, pp 1177–1191
  3. Bhattacharyya, Dipak: Performance Management Systems & Strategies, Pearson Education, 2011, ISBN 978-8131754221, S. 344
  4. Modig, Niklas; Ählström, Pär: This is Lean: Resolving the Efficiency Paradoxon, Central Books, 2012, ISBN 978-9198039306
  5. Stump, Brandon; Badurdeen, Fazleena: Integrating lean and other strategies for mass customization manufacturing: a case study, Springer Science+Business Media, 2008
  6. Referenzliste des QRM Center USA 27. Juli 2015
  7. Stalk Jr., George: Time – The Next Source of Competitive Advantage, Harvard Business Review 66 (July/August), 1988
  8. Hammond, Janice H.; Kelly, Maura G.: Quick response in the apparel industry, Harvard Business School Note N9-690-038, 1990, S. 9–690-038
  9. Tony Hines, Supply chain strategies: Customer driven and customer focused, Routledge, 2004, ISBN 978-0-7506-5551-4
  10. Suri, Rajan: Quick Response Manufacturing. A Companywide Approach to Reducing Lead Times, Productivity Press, 1998, ISBN 978-1-56327-201-1, S. 76–78
  11. 11,0 11,1 11,2 11,3 Suri, Rajan: It's About Time. The Competitive Advantage of Quick Response Manufacturing, Productivity Press, 2010, ISBN 978-1-4398-0595-4.
  12. J. Riezebos; Polca simulation of a unidirectional flow system, University of Groningen, 2006, S.7
  13. Fernandes, Nuno Octavio; Carmo-Silva, Silvio do: Generic POLCA—A production and materials flow control mechanism for quick response manufacturing, Elsevier, 2006
  14. Farnoush, Alireza; Wiktorsson, Magnus: POLCA and CONWIP performance in a divergent production line: an automotive case study, Springer-Verlag , 2013
  15. Chinet, Fernanda Silva; Filho, Moacir Godinho: POLCA System: literature review, classification, and analysis, versão impressa, 2014
  16. Finken, Gerald; Krishnamurthy, Ananth: Quick Response Manufacturing: Taking The Pharmaceutical Industry Beyond Lean Six Sigma, Life Science Leader, 2010
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