Paul Fuchs (Gestapo)
Friedrich Wilhelm Paul Fuchs (* 19. Juni 1908 in Höchst am Main) war als SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Angehöriger der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Er galt neben SS-Hauptsturmführer Alfred Spilker als der gefährlichste Gegner der polnischen Widerstandskämpfer.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang[Bearbeiten]
Im Jahre 1927 bestand er die Prüfung zum Abitur. Seine Pläne ein Studium aufzunehmen, zerschlugen sich infolge finanzieller Probleme. So begann er den Dienst bei der Kriminalpolizei in Augsburg im Jahre 1932. In den folgenden zwei Jahren ging er nach Nürnberg zur politischen Polizei im Jahre 1934. Sein Tätigkeitsfeld waren dort Angelegenheiten der Presse und der gesellschaftlichen Organisationen.
Danach wechselte er zur Staatspolizeileitstelle München, wo er in den Jahren von 1936 bis 1938 Ermittlungen gegen Mitglieder der NSDAP und ihrer Organisationen leitete. Im Jahre 1937 besuchte er den Lehrgang zum Kommissar.
Nach seiner Beförderung als Kommissar war er für sechs Monate in der Staatspolizeistelle Darmstadt tätig. Von 1938 bis 1939 leitete er die Staatspolizeistelle Mainz als Außenstelle.
Einsatz in Polen[Bearbeiten]
Ab September 1939 wurde er im Einsatzkommando 2 (EK 2) der Einsatzgruppe III (EG III) in Polen eingesetzt. Leiter der EK II war der SS-Sturmbannführer Fritz Liphardt[1]. Liphardt unterbreitete dann auch Fuchs das Angebot, eine Abteilung bei ihm als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Radom (KdS Radom) zu übernehemen. Mitglied der NSDAP war er im November 1941 geworden. Obwohl er schon 1937 einen Antrag zur Aufnahme in die SS gestellt hatte, wurde dieser erst 1941 gestattet. Dafür wurde er gleich als SS-Hauptsturmführer eingestuft. Zu dieser Zeit wurde er auch Mitglied im Sicherheitsdienst (SD) der SS.
Ab 1942 war Fuchs Leiter der Abteilung III C (Spionageabwehr) mit etwa 40 Mitarbeitern. Chef der Gestapo-Abteilung war Kriminalkommissar Lothar Wandel. Stellvertreter von Fuchs war der SS-Untersturmführer Ernst Knauf. Von Herbst 1942 an wurde die Abteilung III zur Abteilung IV, deren Referat A Fuchs leitete. Im Januar 1944 war die Umstrukturierung des KdS Radom abgeschlossen. Die Abteilung IV (Gestapo) leitete jetzt der Kriminalrat Lothar Wandel, sein Stellvertreter war SS-Hauptsturmführer Otto Burger (1902-1950). Fuchs leitet das wichtigste Referat IV A. Im Jahre 1944 leitete er die Referate IV A 1. IV A 2 und IV A N (Nachrichten), die mit V-Leuten (Informanten) und Agenten insgesamt eine Stärke von mehr als 110 Personen ausmachten.[2]
Fall Oberst Janusz Albrecht[Bearbeiten]
Fuchs hielt zum Reichssicherheitshauptamt (RSHA) Kontakte zum Chef der Gestapo Heinrich Müller[3] wie auch zu SS-Sturmbannführer Joachim Deumling[4], teilweise durch Berichte seiner Dienststelle. Obwohl es auch Reibereien mit seinem Abteilungschef Lothar Wandel gab, konnte er doch relativ eigenständig seine dienstlichen Tätigkeiten ausführen, da ihn Wandel gewähren ließ. Aber Fuchs hatte auch die Eigentümlichkeit, nicht alle dienstlichen Erkenntnisse an die Organe des KdS Radom und an die Dienststellen der Regierung in Krakau zu melden.
Darunter fielen auch die Einzelheiten zu Kontakten zu polnischen Widerstandsbewegungen. Ab Frühjahr 1941 hatte Fuchs Kontakte zur Zswiqzek Jaszczurczy (ZJ: Eidechsenverband), die sich aber erst mit dem Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion ab Ende Juni 1941 näher entwickelten. Doch zu näheren Kontakten ist es wohl nicht gekommen, da man den ZJ als nicht vorrangig in der polnischen Widerstandsbewegung durch die Gestapo betrachtete. Vielmehr war der Wiqzek Walki Zbrojnej (ZWZ : Verband des bewaffneten Kampfes) die entscheidende Kraft im polnischen Widerstand, der auch als Verbindung zur polnischen Exilarmee in London galt.
Um in Kontakt zum ZWZ zu kommen, ergriff Fuchs die Initiative. Auf seine Veranlassung hin wurde der Stabschef des ZWZ Oberst Janusz Albrecht[5] Anfang Juli 1941 in Warschau verhaftet. In drei Wochen verhörte ihn Fuchs und überhäufte ihn mit seinen Kenntnissen über den polnischen Widerstand. Fuchs erläuterte ihm, dass er die Kommandoebene des ZWZ bisher mit Verhaftungen verschont habe. Fuchs wandte nun die Taktik an, Albrecht zu überzeugen, dass mit dem Kampf der Wehrmacht Polen indirekt zum Verbündeten geworden sei, da man ohne Polen den Kampf nicht durchstehen würde. Ob Albrecht auch gefoltert wurde, ist nicht belegbar. Aber nach den drei Wochen Haft brach er psychisch zusammen. Er verpflichtete sich, den Befehlshaber des ZWF General Stefan Rowecki[6] zu informieren und ihm ein Angebot zu unterbreiten. Albrecht wurde aus der Haft entlassen und suchte Rowecki auf. Der lehnte das Angebot brüsk ab und beschuldigte Albrecht, seinen Soldateneid gebrochen zu haben. Diesen Bruch könne er nur durch seinen Tod sühnen. Albrecht beging daraufhin am 6. September 1941 Suizid.[7]
Fall Miecz i Plug (MiP)[Bearbeiten]
An der 1939 gegründeten Untergrundorganisation Miecz i Plug (Schwert und Pflug) hatten sich 1940 zwei bisher unbekannte Männer an die Spitze gestellt: Anatol Slowikowski und Dr. Zbigniew Grad. Schon 1941 hatte Fuchs ständigen Kontakt zu ihnen und stellte ihnen in Radom eine Druckerei zur Verfügung. Damit wurden die Kontakte zur MiP und zu den dort organisierten Jugendlichen immer enger. Dise Entwicklung ergab, dass Fuchs im Herbst 1942 im Distrikt Radom sowohl die Organisation ZJ wie auch MiP kontrollierte.[8]
Fall Herbert Jura – genannt „Tom“[Bearbeiten]
Seit Sommer 1943 tauchte im Distrikt Radom ein gewisser Herbert Jura auf, der auch „Tom“ genannt wurde. Zum Chef der „Akcja Specjalna“ eingesetzt, ordnete er die ersten Exekutionen gegen kommunistische Widerstandskämpfer an. Seit Beginn des Spätsommers 1943 suchte er aber Kontakte zur Gestapo und bot als Gegenleistung die Einstellung der Feindseligkeiten gegen die deutsche Besatzungsmacht an. Diese Kontakte blieben nicht geheim, so dass ein polnischer Offizier das Todesurteil gegen Tom vollstrecken sollte. Tom überlebte aber das Attentat und war Anfang 1944 wieder aktiv. Es folgten nun als Leiter der Abteilung „Sosna-Las“ wieder Exekutionen gegen Kommunisten und zahlreiche Denunziationen von Mitgliedern verschiedener Widerstandsgruppen an die Gestapo bei Fuchs und anderen Gestapo-Leuten. Jura konnte sich mit einem grünen Mercedes-PKW im Distrikt bewegen. War er verhindert, schickte er einfach einen Beauftragten zur Gestapo. Wenn er einen seiner Leute aus der Gestapohaft haben wollte, wurde der Wunsch von Fuchs oft erfüllt.
Diese zahlreichen Kontakte von Tom zu Fuchs wurden zwar überprüft, aber nicht aufgeklärt durch Vertreter der Widerstandsorganisationen. Die Wende kam aber aus den eigenen Reihen von Toms Leuten. Diese gewannen ein immer größeres Misstrauen über die Gestapo-Kontakte. Am 19. Mai 1944 meuterten Toms Leute, so dass Tom zu Fuchs fliehen musste.[9] Die Zusamenarbeit von Fuchs mit den Gruppen der „Nationalen Streitkraft“ (NSZ) gewann nur langsam die Zustimmung deutscher Dienststellen im Distrikt Radom. Aber der Gouverneur von Radom Ernst Kundt[10] pflichtete Fuchs doch dann zu. Auch der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Gouvernement (BdS) Wilhelm Koppe[11] stimmte schließlich zu. Der Gegenspieler von Fuchs beim KdS Radom war der SS-Hauptsturmführer Adolf Feucht (SS Nr. 290 089) (* 7. Mai 1909 in Malsheim), der mit seinem „Sonderkommando Feucht“ die Räumung des Ghettos von Radom am 13./14. Oktober 1942 durchführte.[12]
Auflösungserscheinungen[Bearbeiten]
Nach Beginn des Aufstands in Warschau löste sich die Dienststelle des KdS Radom langsam auf. Die letzte große Aktion von Fuchs war als im Frühjahr 1945 mit deutschen Flugzeugen polnische Kollaborateure abgesetzt wurden. Fuchs gehörte dabei zum Frontaufklärungstruppe 202, der die Verbindung der Wehrmacht zu einer Widerstandsgruppe herstellen sollte, der mit der Gestapo zusammen agierte. Die Haupttätigkeit der Einheiten des KdS Radom bestand jedoch darin, Marodeure und Deserteure an der Ostfront festzunehmen. In der Zeit vom 25. Januar 1945 bis zum 10. März 1945 ergab sich folgende Bilanz von Festnahmen.[13]
- 106 Offiziere
- 1503 Unteroffiziere
- 991 Dienstgarde der Mannschaften der Wehrmacht
- 300 Angehörige der Polizeieinheiten
- 25.001 Angehörige des Volkssturms
Nachkriegszeit[Bearbeiten]
Fuchs tauchte mit falschem Namen mehrere Jahre unter. Ermittlungen gegen ihn blieben erfolglos. Als 1973 Unterlagen aus Polen eintrafen, waren diese offensichtlich nicht sehr belastend. Vor einem Gericht in Hamburg wurde er 1972 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft Augsburg stelle 1976 die Ermittlungen gegen Fuchs ein.[14]
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ Fritz Liphardt in der deutschsprachigen Wikipedia
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 69 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
- ↑ Heinrich Müller in der deutschsprachigen Wikipedia
- ↑ Joachim Deumling in der deutschsprachigen Wikipadia
- ↑ Janusz Albrecht in der polnischsprachigen Wikipedia
- ↑ Stefan Rowecki in der polnischsprachigen Wikipedia
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 105 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 112 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 130 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
- ↑ Ernst Kundt in der deutschsprachigen Wikipedia
- ↑ Wilhelm Koppe in der deutschsprachigen Wikipedia
- ↑ Geoffrey P. Megargee, Martin Dean (Hrsg.): Ghettos in German-Occupied Eastern Europe (= United States Holocaust Memorial Museum [Hrsg.]: Encyclopedia of Camps and Ghettos, 1933–1945. Volume II). Part A. Indiana University Press, Bloomington 2012, ISBN 978-0-253-35599-7, S. 291 (englisch, 2096 S.).
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 258 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
- ↑ Włodzimierz Borodziej: Terror und Politik: die deutsche Polizei und die polnische Widerstandsbewegung im Generalgouvernement 1939–1944. von Zabern, Mainz 1999, ISBN 3-8053-1197-4, S. 267 (302 S., polnisch: Terror i polityka: policja niemiecka a polski ruch oporu w GG 1939–1944. Warschau 1985.).
Personendaten | |
---|---|
NAME | Fuchs, Paul |
ALTERNATIVNAMEN | Fuchs, Friedrich Wilhelm Paul (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Kriminalrat und SS-Hauptsturmführer |
GEBURTSDATUM | 19. Juni 1908 |
GEBURTSORT | Höchst am Main |
STERBEDATUM | nach 1972 |