Neurologische implizite Persönlichkeitssysteme

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Neurologische implizite Persönlichkeitssysteme (NeuroIPS) bezeichnet ein Verfahren, mit dem auf Grundlage der Messung neurologisch impliziter Persönlichkeitssysteme das Konsumverhalten wissenschaftlich valide vorhergesagt werden kann. Die impliziten Persönlichkeitssysteme (engl.: traits) befinden sich neuronal in Strukturen des Gehirns, die nicht-sprachlich, unbewusst, für die Verhaltenssteuerung aber von entscheidender Bedeutung sind.

Persönlichkeitseigenschaften[Bearbeiten]

Solche stabilen Persönlichkeitseigenschaften haben als Erklärungsansatz für das menschliche Verhalten historisch gesehen nur einen geringen Einfluss gehabt. Jahrhundertelang ließ sich das Verhalten von Menschen nahezu vollständig durch ihren soziodemographischen Status definieren. Es ist das Verdienst von C. G. Jung, als einer der ersten die intrinsische Verhaltensdetermination durch Persönlichkeitsmerkmale hervorgehoben zu haben.[1]

Insbesondere in den USA wurde dies nach dem Zweiten Weltkrieg aufgegriffen und durch Forscher wie Allport, Catell und Gough weiterentwickelt. Zu Beginn der 1960er Jahre geriet der Trait-Ansatz allerdings wieder stark in Bedrängnis, einerseits weil der Zeitgeist den Einfluss der „Gesellschaft“ betonte, andererseits, weil die Forscher konsistente, situationsübergreifende Persönlichkeitsmerkmale (noch) nicht nachweisen konnten – die Messmethoden waren noch nicht entwickelt genug.

Erst durch den Einsatz von Persönlichkeitstests im Personalbereich wurde der Trait-Ansatz wieder einflussreicher und mit dem Aufkommen der Neurowissenschaften und der darauf aufbauenden Anwendungsdisziplin des Neuromarketing auch bei Marken- und Kommunikationsverantwortlichen populär. Es setzte sich Anfang der 1990er Jahre immer stärker die Erkenntnis durch, dass die einfach zu messenden soziodemographischen Merkmale und daraus abgeleiteten Sinus-/Sigma-Milieus und Lebensstile immer weniger Erklärungskraft in modernen, ausdifferenzierten Gesellschaften haben.

Vorhersage von Wahrnehmung und Verhalten[Bearbeiten]

Mit NeuroIPS kann eine flächendeckende Anwendbarkeit von Traits gewährleistet werden. Durch den visuellen Test ViQ ist eine valide Online-Messung der impliziten Persönlichkeitssysteme einer Zielgruppe in sechs Dimensionen und detaillierten Abstufungen möglich.[2] Die Analyse und Interpretation der Ergebnisse erfolgt auf Grundlage der umfangreichen PSI-Theorie des Osnabrücker Persönlichkeitspsychologen Julius Kuhl.[3] Das durchschnittliche Verbraucherprofil dieser Messung liefert die Möglichkeit genauer Wahrnehmungs- und Verhaltensvorhersagen.[4]

Damit können auf allen Ebenen der Customer Journey und an allen Touchpoints Anpassungen an individuelle Präferenzen in Wahrnehmung, Entscheidung und Verhalten vorgenommen werden: Es lässt sich vorhersagen, welche Bilder, Formen und Tonalität eine Zielgruppe präferiert, welche Ansprache und Inhalte sie als angenehm empfindet, welche Argumente zum Kauf überzeugen, ob sie gerne viel Text liest oder wenig usw. Sowohl quantitativ als auch qualitativ lassen sich diese Vorhersagen detailliert in Strategien und Kommunikationsmaßnahmen umsetzen.[5]

Auf der Grundlage der Datensammlungen und Studien zum Zusammenhang von Persönlichkeit und Konsumverhalten lassen sich unter anderem valide Vorhersagen zu Produkt- und Markenpräferenz und der Nutzung von Medien treffen.[6] Die das Konsumverhalten steigernde Wirkung von NeuroIPS wurde in einer Reihe von AB-Tests nachgewiesen. Aufgrund der datengestützten Funktionsweise von NeuroIPS sind alle auf dem Verfahren aufbauenden Anwendungen und ihre Wirkungen messbar, skalierbar und in automatisierte Lösungen zu übersetzen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Barinaga, M. (1999). The mapmaking mind. Science, 285, 189 – 192.
  • Bauer, J. (2006). Warum ich fühle, was du fühlst (4. Aufl.). München: Heyne.
  • Berlyne, D.E. (1966). Curiosity and exploration. Science, 153, 25-33.
  • Bialek, Catrin: Werber setzen auf Hirnforscher. Düsseldorf. Handelsblatt 15.11.10.
  • Bischof, N. (1985). Das Rätsel Ödipus: Die biologischen Wurzeln des Urkonfliktes von Bindung und Autonomie. München: Piper.
  • Bohuminsky, M. (2012). Neuronales Zielgruppenmanagement. Bachelorarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft & Wirtschaftspsychologie an den Ferdinand Porsche Fernfachhochschulstudiengängen. Wien.
  • Camerer, C. Loewenstein, G. & Prelec, D. (2005). Neuroeconomics: How neuroscience can inform economics. Journal of Economic Literature, XLIII, 9-64.
  • Carter, M. (2009). You will buy me – How the new persuadars are hacking your mind. In: Wired. The Future as it happens, 2009, 96.
  • Dickman, S.J. (1985). Impulsivity and perception: Individual differences in the processing of the local and global dimensions of stimuli. Journal of Personality and Social Psychology 48, 133-149.
  • Gegenfurtner, K.R. (2003). Gehirn und Wahrnehmung (4. Aufl.). Frankfurt: Fischer.
  • Florack, A., Scarabis, M. & Primosch, E. (2007). Psychologie der Markenführung. München: Vahlen.
  • Frey, S. (1999). Die Macht des Bildes. Der Einfluss der nonverbalen Kommunikation auf Kultur und Politik. Bern: Huber.
  • Jeschonnek, O. (2013). The end of the world as we know it. Stell Dir vor, Du sprichst zu Deinen Kunden – und immer weniger hören zu. Paper des Stuttgarter Medienkongresses.
  • Jeschonnek, O. & Landherr, R. (2015): Was Persönlichkeit mit Geschmack zu tun hat. Markenartikel 3, 2015, 30-31.
  • Jung C.G. (1986). Psychologische Typen. Olten: Walter.
  • Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit. Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.
  • Lindstrom, M. (2009). Buy.Ology. Warum wir kaufen, was wir kaufen. Frankfurt, New York: Campus.
  • Loerwald, D. & Seul, T. Patientengerechtes Produktdesign. Blutzuckermessgeräte, Kunststoffe 7/2007, 83-86.
  • Maas, S. (2011). Psychotest ortet bei Hamburgern Sinn für Gemeinschaft und Tradition. Internationaler Vergleich mit 40.000 Probanden – Psychologie als Marketinginstrument. Die Welt 18.1.11.
  • Markgraf, I. & Scheffer, D. (2011). Differenzierung von Marken durch Neuromarketing am Beispiel der Tourismusbranche. Arbeitspapiere der Nordakademie, Hochschule der Wirtschaft, 2011-03.
  • Erschienen in englischer Sprache in: Conrady, Buck (Hrsg.). Trends and Issues in Global Tourism 2012. Heidelberg: Springer.
  • Markgraf, I. & Scheffer, D. & Pulkenat, J. (2012). Die Bedürfnisse von Pauschalreisenden und Expedienten – Neuromarketing in der Tourismus-Branche. Trends and Issues in Global Tourism, 1-19.
  • McClure, S.M., Li, J., Tomlin, D., Cypert, K.S., Montague, L.M. & Montague, P.R. (2004). Neural Correlates of Behavioral Preference for Culturally Familiar Drinks. Neuron, 44, 379–387.
  • Nisbett, R. E., & Wilson, T. D. (1977). Telling more than we can know: Verbal reports on mental processes. Psychological Review, 84, 231-259.
  • Roth, G. (2003). Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert (neue, vollst. überarb. Ausg.). Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Scheffer, D. (2005). Implizite Motive. Göttingen: Hogrefe.
  • Scheffer, D. & Kuhl, J. (2006). Erfolgreich Motivieren. Göttingen: Hogrefe.
  • Scheffer, D. & Manke, Björn (2009). A Visual Approach to Measuring Personality Systems. Arbeitspapiere der Nordakademie, Nr. 2009-04. Elmshorn. Online
  • Scheffer, D. (2010). Neuroforschung bringt den Autopiloten auf die Spur. new business 24, 30.
  • Scheffer, D. (2010). NeuroSales – mehr Verkaufserfolg durch Hirnforschung? In L. Binckebanck (Hrsg.), Verkaufen nach der Krise: Rück-, Ein- und Ausblicke für mehr Vertriebserfolg, Gabler-Verlag.
  • Scheffer, D. (2011). Neuromarketing in der Praxis. Direktmarketing, 01/2011, 30-32.
  • Scheffer, D. (2011). Neuromarketing in der Mediaplanung. Die Neuromarketing-Methode NeuroIPS erforscht implizite Persönlichkeistsysteme im Zusammenhang mit Konsumgewohnheiten und Mediengewohnheiten. media spektrum, 06/2011, 48-49.
  • Scheffer, D. (2011). Neuromarketing in der Praxis. Direkt Marketing, 1/2011, 30-33.
  • Scheffer, D. & Massine, P. (2013). Blick ins Unterbewusste. Marketing-Zielgruppen mit Persönlichkeitstests erfassen. Research and Results 2, 32-33.
  • Scheffer, D. & Massine, P. (2013). Neuronales Marketing. Spendenbereitschaft beginnt im Unterbewusstsein. Fachzeitschrift für Verbands- und Nonprofit-Management, 01/2013, 15-17.
  • Scheffer, D. & Massine, P. (2013). Blick ins Unterbewusstsein. Marketing-Zielgruppen mittels Persönlichkeitstests erfassen. Research & Results, 02/2013, 32-33.
  • Scheffer, D. & Markgraf, I. (2016). Neurotypus und Mediennutzung. In Regier, S., Schunk, H. & Könecke, T. (Hrsg.), Marken und Medien. Führung von Medienmarken und Markenführung mit neuen und klassischen Medien. Springer Gabler: Wiesbaden. S. 211-220.
  • Scheier, C. & Held, D. (2006). Wie Werbung wirkt. Erkenntnisse des Neuromarketing. München: Haufe.
  • Scheier, C. (2006). Das Unbewusste messbar machen. Absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing 10, 42-45.
  • Scheier, C. & Held, D. (2007). Neue Sichtweisen. Absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing 11, 30-34.
  • Zaltman, G. (2003). How customers think. Boston: Harvard Business School Press.
  • Zimmermann, M. (1993). Das Nervensystem – nachrichtentechnisch gesehen. In: Schmidt, R. F. & Thews, G. (Hrsg.). Physiologie des Menschen. 25. Aufl. Berlin, Heidelberg: Springer, 176-183.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Jung C. G. (1986): Psychologische Typen. Olten: Walter.
  2. Scheffer, D. & Manke, Björn (2009). A Visual Approach to Measuring Personality Systems. Arbeitspapiere der Nordakademie, Nr. 2009-04. Elmshorn.
  3. Kuhl, J. (2001). Motivation und Persönlichkeit. Interaktionen psychischer Systeme. Göttingen: Hogrefe.
  4. Markgraf, I. & Scheffer, D. (2011). Differenzierung von Marken durch Neuromarketing am Beispiel der Tourismusbranche. Arbeitspapiere der Nordakademie, Hochschule der Wirtschaft, 2011-03. Erschienen in englischer Sprache in: Conrady, Buck (Hrsg.). Trends and Issues in Global Tourism 2012. Heidelberg: Springer.
  5. Massine, P., & Scheffer, D. (2012). OTTO: Durch Neuromarketing die Kundenansprache optimiert.
  6. Scheffer, D. & Markgraf, I. (2016). Neurotypus und Mediennutzung. In Regier, S., Schunk, H. & Könecke, T. (Hrsg.), Marken und Medien. Führung von Medienmarken und Markenführung mit neuen und klassischen Medien. Springer Gabler: Wiesbaden. S. 211-220.
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