NICO (Kieferknochen-Osteopathie)

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NICO (englisch Neuralgia-inducing cavitational osteonecrosis, deutsch Neuralgie induzierende hohlraumbildende Osteonekrosen), sind nekrotische Hohlräume im menschlichen Unterkiefer oder Oberkiefer in Verbindung mit chronischer Gesichtsneuralgie. NICO ist eine Sonderform einer Kieferknochen-Osteopathie bezogen auf neuralgiforme Beschwerden mit potentiellen, krankheitsbildenden Auswirkungen auf den gesamten Organismus. NICO wird in aktuellen Studien durch FDOK (fettig-degenerative Osteolysen des Kieferknochens) (engl. FDOJ) oder gemäß IDC-10 durch "idiopathische und aseptische Osteonekrosen des Kieferknochens"[1] ersetzt. In der neuen Sichtweise ist NICO nur die Neuralgie-auslösende Sonderform der FDOK oder einer Kavitätenbildendenden Osteolyse des Kieferknochens.[2] Kavitätenbildende Osteolyse ist nicht zu verwechseln mit einer Biphosphonatinduzierten Osteonekrose und auch nicht mit einer Osteomyelitis.

Konzept[Bearbeiten]

Das Konzept beinhaltet eine kausale Beziehung zwischen der Knochenkrankheit (Hohlräume) und Gesichtsschmerz. Der Schmerz wird gewöhnlich als unspezifische Neuralgie im Gesicht beschrieben und hat chronischen Charakter. Kavitäten repräsentieren Bereiche fettig umgewandelter Knochen im Markraum.[3][4][5]

Morphologie und Histologie[Bearbeiten]

Fettig-degenerative Osteolyse des Kieferknochens
Entnahmegebiet im Unterkiefer rechts ohne röntgenologische Auffälligkeit

Morphologisch stellt sich FDOK/NICO als fettige Klumpen dar. Sie können aus dem Markraum des Kieferknochens ausgelöffelt werden. Die Fettzellen sind regelmäßig deutlich vermehrt und verändert. Sie weisen typische schleimähnliche (mukoide) Degeneration des Fettgewebes und Gallert-Atrophie auf. Die Knochenverletzung (Läsion), die FDOK/NICO unter dem Mikroskop ähnelt, zeigt sich als aseptische, ischämische Osteonekrose.[6] Auf der Röntgenaufnahme sind keine Auffälligkeiten sichtbar.[7]

Ursachen und Behandlung[Bearbeiten]

Die Ursache einer Kavitätenbildenden Osteolyse ist eine ischämische Mangelversorgung bei chronisch trophischer Störung mit fettig degenrativem Spongiosazerfall. [8] Diese Knochenischämie resultiert aus einer chronischen geringgradigen Entzündung[5] oder, in einer moderneren Versionen der Theorie, aus einer Anfälligkeit für Thrombose.[9][10]

Die vorgeschlagene Behandlung für Kavitätenbildende Osteolyse beinhaltet Zahnchirurgie mit Ausschabung, um das tote Knochengewebe zu entfernen.[11]

Überexpression von Zytokinen[Bearbeiten]

Besonders das Chemokin CCL5 (RANTES) und der Fibroblasten-Wachstumsfaktor FGF-2 zeigen in FDOK/NICO-Gewebeproben teils um mehrere hundert Prozent überhöhte Expressionswerte mit hoher Korrelation.[2]

Auswirkungen auf das Gesamtsystem[Bearbeiten]

Kavitätenbildende Osteolyse führt zu Auswirkungen auf das Gesamtsystem, beschrieben als "stumme chronische Entzündung" oder "silent inflammation". Gleichzeitig hohe Werte von RANTES-Spiegeln und Brustkrebs-Metastasen werden in FDOK/NICO-Proben beobachtet.[8][2] RANTES kann somit eine Rolle bei der Metastasierung zukommen, indem das erhöht exprimierte RANTES direkt auf die Tumorzellen wirkt und auf diese Weise das Fortschreiten der Tumorkrankheit fördert.[12] Danach können Brustkrebszellen veranlassen, dass mesenchymale Stammzellen RANTES produzieren und sich auf diese Weise selbst begünstigen. Der Zusammenhang von FDOK/NICO und RANTES wird vor diesem Hintergrund heute als "inflammatorische Systemvernetzung" gesehen. Die überhöhte RANTES-Expression im FDOK/NICO-Areal bedingt disloziert gesteigerte RANTES-Signale in anderen Körperregionen. Eine begünstigende Ausgangssituation für begleitende Krankheitsbildungen ist dann gegeben, wenn sich die lokale Entzündung der Wundheilung chronifiziert (chronische Kieferostitis).[8]

Siehe auch[Bearbeiten]

Knochennekrose

Weblinks[Bearbeiten]

Referenzen[Bearbeiten]

  1. IDC 10 M87 0-9, insbes. M87.08 Idiopathische aseptische Knochennekrose: Sonstige (Hals, Kopf, Rippen, Rumpf, Schädel, Wirbelsäule) ICD-10-WHO Version 2016
  2. 2,0 2,1 2,2 Lechner J, von Baehr V. Chemokine RANTES/CCL5 as an unknown link between wound healing in the jawbone and systemic disease: is prediction and tailored treatments in the horizon? EPMA J. 2015 May 6;6(1):10. doi:10.1186/s13167-015-0032-4.
  3. Ratner EJ, Person P, Kleinman DJ, Shklar G, Socransky SS: Jawbone cavities and trigeminal and atypical facial neuralgias. In: Oral Surg. Oral Med. Oral Pathol.. 48, Nr. 1, July 1979, S. 3–20. doi:10.1016/0030-4220(79)90229-9. PMID 287984.
  4. Roberts AM, Person P: Etiology and treatment of idiopathic trigeminal and atypical facial neuralgias. In: Oral Surg. Oral Med. Oral Pathol.. 48, Nr. 4, October 1979, S. 298–308. doi:10.1016/0030-4220(79)90027-6. PMID 291856.
  5. 5,0 5,1 Bouquot JE, Roberts AM, Person P, Christian J: Neuralgia-inducing cavitational osteonecrosis (NICO). Osteomyelitis in 224 jawbone samples from patients with facial neuralgia. In: Oral Surg. Oral Med. Oral Pathol.. 73, Nr. 3, March 1992, S. 307–19; discussion 319–20. doi:10.1016/0030-4220(92)90127-C. PMID 1545963.
  6. Wilke I, Becker, S. Osteonekrose - Pathologische Grundlagen. J. MIner Stoffwechsel 2007; 14(1): 3-6
  7. NICO – Ist fehlende röntgenologische Evidenz Beweis fehlender klinischer Existenz?
  8. 8,0 8,1 8,2 Johann Lechner und Volker von Baehr. Hyperaktivierte Signaltransduktionskaskaden des Chemokins RANTES/CCL5 in Osteopathien des Kieferknochens beim Mammakarzinom. Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2013; 45: 105–111 Online
  9. Gruppo R, Glueck CJ, McMahon RE. The pathophysiology of alveolar osteonecrosis of the jaw: anticardiolipin antibodies, thrombophilia, and hypofibrinolysis. Clin. Med.vol.127/5.481–8. 1996. doi:10.1016/S0022-2143(96)90065
  10. Glueck CJ, McMahon RE, Bouquot JE, Triplett D, Gruppo R, Wang P: Heterozygosity for the Leiden mutation of the factor V gene, a common pathoetiology for osteonecrosis of the jaw, with thrombophilia augmented by exogenous estrogens. In: J. Lab. Clin. Med.. 130, Nr. 5, November 1997, S. 540–3. doi:10.1016/S0022-2143(97)90132-3. PMID 9390643.
  11. Bouquot JE, Christian J: Long-term effects of jawbone curettage on the pain of facial neuralgia. In: J. Oral Maxillofac. Surg.. 53, Nr. 4, April 1995, S. 387–97; discussion 397–9. doi:10.1016/0278-2391(95)90708-4. PMID 7699492.
  12. Karnoub et al. Mesenchymal stem cells and with tumor stroma promote breast cancer metastasis. Nature 2007; 449 (7162): 557-563
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