Metatropie

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Die Metatropie bezeichnet einen Zustand der Wendung zu sich Selbst zwischen Noch-Nicht und realisiertem Anders-Sein im Sein mit dem Anderen seiner selbst. Die Metatropie ist eine leiblich empraktische Wendung des Individuums zu sich selbst im Zwischen-Sein, indem sich sein Ethos umkehrt. Sie ist das sich in sich kehrende, sich als Selbst begreifende Individuum, das sich im Schwebezustand zwischen Möglichkeit und Verwirklichung befindet, zwischen werdendem und erkennendem Anders-Sein als echtem Selbst-Sein in seinem je eigenen Besonders-Sein, das sich körperlich ereignet. Da das Besondere aber nicht das Abgesonderte ist, ist das Besonders-Sein des metatropen Körpers auch fähig den Anderen in der Vermittlung des Anderen seiner Selbst wieder in seine Welt mit einzubinden und so seine Mitwelt zu schaffen. Der Begriff „Metatropie“ wird im aktuellen Diskurs der Leipziger analytischen Schule (LAS) verwendet und ist verbunden mit dem stark existenziell-künstlerischen Anliegen, die gleichursprünglichen Wissensformen der Kunst als existenzieller Lebenskunst und der Philosophie als der Liebe zur Weisheit zu verbinden.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel[Bearbeiten]

Ein Individuum, das sich aus seiner existenziellen Situation heraus zunächst auf sich selbst konzentriert, auf sein leibliches Eigen-Sein. Das ist durch die Erfahrung des Anderen seiner Selbst, die sich in extremen, leibhaftig-rauschhaften Erfahrungen stiften kann möglich. Ein Extremzustand, der auch ein Auf-sich-Selbst-zurückgeworfen-sein bedeuten kann.

Das Eigen-Sein als metatroper Ort steht dafür, dass das Individuum sowohl im Kern einsam ist, aber auch, dass es Macht über die Welt, in der es zunächst ganz allein zu sein scheint, hat. Es verfügt über Möglichkeiten. Es hat Selbstmacht. Die Selbstmacht ist der Kern seiner Macht und seines Lebens in der Welt mit anderen, in seiner Mit-Welt. So hat es sich als souveränen Maßstab für alles, was ihm widerfährt. Dann ist es über die Fähigkeit der Selbstbestimmung, die sich leiblich empraktisch in der Selbstmacht gründet, darüber hinaus auch fähig Verantwortung zu übernehmen und Autorität für andere zu haben.

Entstehung[Bearbeiten]

Der Begriff „Metatropismus“ ist entlehnt aus dem „BDSM-Lexikon“ (BDSM steht für: Bondage und Discipline, Domination und Submission, Sadism und Masochism) und bedeutet ursprünglich: „Umkehrung der traditionellen Geschlechterrollen von Mann und Frau. Hierbei handelt es sich weniger um den Austausch von Kleidung und äußeren Zeichen, als vielmehr um den Tausch von Verhaltensmustern“ 1. Davon abgeleitet bedeutet die Metatropie in diesem Zusammenhang den Eigenwert des Eigenseins als Eigen-Welt mitten in der Welt der Anderen, vermittelt durch das eigene Andere. Meta bedeutet zwischen und tropus ist die Wendung im Sinne von Kehren, Wenden, Umwenden – als rauschhaftes Werden des Einzelnen zu sich selbst. Meta kann aber auch mit hinter übersetzt werden. Dann ist die Metatropie das Dahinterliegende und zwar als das Zugrundeliegende der Utopie und der Heterotopie. Der Körper als Metatropie ist das perspektivgebende, richtungsweisende Bindestück zwischen ihm als Utopie und als Heterotopie.

Die Heterotopie als Mittelpunkt der Welt, als Ort, an dem Wege und Räume sich kreuzen.[Bearbeiten]

Der Begriff der Metatropie schließt an Michel Foucaults Begriff der Heterotopie an. Als „Mittelpunkt der Welt“ aber, als Ort, „an dem Wege und Räume sich kreuzen“, ist der Körper in seinem Leib-Sein noch etwas anderes, er ist eine Heterotopie. Er ist der andere Ort, von dem aus der Gegensatz von Subjekt und Objekt aufhebbar scheint. Er ist der Ort absoluter Subjektivität und Objektivität und Ausgangspunkt individueller Weltwahrnehmung und Perspektivierung. Der heterotope Körper, der Leib, als völlig anderer Ort, ist dem nach Außen getragenen Bild der Körperstilisierung, die durch den selbstinstrumentellen Umgang des Einzelnen mit seinem Körper geschieht, ein Vorgängiger. Er ist Bedingung der Möglichkeit äußerer Stilisierung und Bildhaftigkeit. Heterotopie ist der Körper in seiner leiblich-empraktischen Präsenz, in seinem An-sich-und-für-sich-und-durch-sich-selbst-Sein, als durch sich selbst seiende Wirklichkeit und sich selbst erschaffende Welt. Er ist Ausgangspunkt künstlerphilosophischer Perspektiven, insofern sich das Künstlerische existenziell in ihm gründet. In diesem Sinne kann man ihn mit Foucault auch den „Mittelpunkt der Welt“ nennen, denn er ist sich selbst Mittelpunkt und er ist seine Welt, von ihm geht alles aus. Der Körper ist durch die Unmöglichkeit absoluter Identität mit einem anderen Körper Differenz, kein Körper ist einem anderen Körper adäquat. Es gibt Gattungsmerkmale, Ähnlichkeiten, äußere Vergleichungen und wissenschaftlich erwiesene relationale Verhältnisse der Körper untereinander. Streng genommen aber kann es nicht zwei Mal denselben Leib geben. Es kann passieren, dass sich zwei Körper sehr gleichen in ihren Zuständen, Verhaltens- und Reaktionsweisen. Dann können sie sich erahnen, in einander einfühlen, per Analogie. Streng genommen, das heißt in rationaler Eineindeutigkeit aber kann der eine niemals wissen, wie es dem Anderen geht bzw. in welchem genauen Zustand er ist.

Das Phänomen der Analogisierung beschreibt Volker Caysa anhand des Schmerzes, der „ein Modell dafür [ist], wie man die Ähnlichkeit eines Leibes mit einem anderen erfasst: per Analogie des Leidens. Man konstruiert ein Analogon zu sich selbst und verschafft sich dadurch die Möglichkeit, die Realität des anderen zu erfassen.“ Und selbst dabei, so Caysa, muss man beachten, „dass die Analogisierung immer mindestens einen Rest von Un- und Missverständnis des Anderen mit sich führt, weil ja meine Erfahrung die grundlegende für die Erfahrung des Anderen ist und diese sich nicht mit der des Anderen decken kann, ansonsten wäre ich ja selbst der Andere.“2 In dieser wesentlichen Eigenheit ist der Leib der dem Individuum je eigene und damit auch ganz andere, von der Mit-Welt geschiedene, Ort. Er ist als Differenz schreiender, zuerst sich selbst verstehen wollender, individueller Ausdrucksträger, der sich selbstgewiss innerhalb der Modi seiner Lust und Unlust erschafft. Der Leib ist als Differenz sowohl Entstehungsort individueller Utopien als auch Ort der verwirklichten Utopien des Individuums. Er ist sowohl Grundlage als auch Weiterführung beispielsweise der Utopie eines sich entwickelnden Lebensentwurfs. Er bettet den Körper als Topos und als Utopie ein, indem er sowohl Bedingung als auch Fortführung beider ist.

Es gibt aber im Anschluss an Foucaults Begriff des Körpers als Heterotopie noch einen Modus des Körpers, der den Dualismus von Utopie und Heterotopie verbindet, indem er eine Bewegung oder vielmehr einen leiblich-empraktischen Zustand darstellt: die Metatropie. Der Körper als Metatropie ist im Zustand der Wendung zu sich Selbst zwischen Noch-Nicht-Realisiertem und realisiertem Anders-Sein. Die Metatropie erfasst den Eigenwert des Andersseins als Eigen-Welt mitten in der Welt.

Der metatropische Körper ist der sich in sich kehrende, sich als Selbst begreifende im Schwebezustand zwischen Möglichkeit und Verwirklichung, zwischen werdendem und erkennendem Anderssein als echtem Selbst-Sein. Das Geheimnis der ewigen Wiederkehr des Körpers als U-topie liegt im Wesen des Noch-Nicht des Leibes bzw. des Konzentrats echter leiblicher Selbstgewissheit, die Bedingung der Möglichkeit der individuellen Schaffung einer Heterotopie ist. Dieses Noch-Nicht ist seine Große Sehnsucht3, sein perspektivgebendes Über-sich-hinaus zur Schaffung von etwas Anderem, von einem anderen Ort, der er ingewendet immer je schon ist und gleichzeitig erst wird. Die Bewegung aber selbst, die einerseits das Noch-Nicht ist, andererseits aber auch nicht vollständig dieses, weil sie nur von ihm angestoßen wird, ihm also höchstens teilhaftig ist, die zwischen ihm (dem Noch-Nicht) und dem Da-Sein des Anderen, der Heterotopie liegt, ist der Zustand der Metatropie als Zustand des Übergangs und der Bewegung des leiblichen Zu-Sich-Selbst-Kommens und gleichzeitig der Transzendenz des Dualismus von Utopie und Topos. Es ist das beide ergreifende, aufnehmende Element immanent kritischen Werdens. Als Metatropie ist der Körper bereits durch das Über-sich-Hinaus des Noch-Nicht der Utopie und damit mehr als diese und wendet gleichzeitig schon den Blick auf sich als kommende Heterotopie. Er entdeckt bzw. „erleibt“ die Möglichkeiten seiner Selbst als anderer Ort durch er-innernde, in sich Selbst gehende und gleichzeitig vorausgreifende Voraussicht.

Literatur[Bearbeiten]

  • Volker Caysa: Körperutopien. Eine philosophische Anthropologie des Sports. Frankfurt am Main und New York 2003.
  • Volker Caysa und Konstanze Schwarzwald (Hg.): Experimente des Leibes. Münster und Berlin 2008.
  • Michel Foucault: Die Heterotopien. Frankfurt am Main 2005.
  • Konstanze Schwarzwald: Körperwissen. Empraktische Wissensformen in der Technoszene. Unveröff. Diss. an der Universität Leipzig, 2009.

Filme über Metatropie[Bearbeiten]

  • 2010 Experimente des Leibes von Hagen Wiel [1]


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