Managementrisiko

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Das Managementrisiko beschreibt die Gefahr von Fehlentscheidungen bei der Führung von Unternehmen, insbesondere in komplexen Risikosituationen[1] in einem Unternehmen.

Der Geschäftsführung als Verantwortungsträger des Risikomanagements mangelt es oftmals an Expertenwissen im Bereich der betriebswirtschaftlichen Methoden des Risikomanagements. Unter den Rahmenbedingungen „Zeitdruck“ und „knappe Ressourcen“ und ohne Kenntnisse in der Risikobewertung wird oftmals auf eine schnelle und intuitive Risikokontrolle zurückgegriffen. Das Resultat sind psychologisch bedingte Verzerrungen, Fehleinschätzungen von Risiken und letztendlich Fehlentscheidungen.[2]

Inhaltsverzeichnis

Komplexe Situationen[Bearbeiten]

Im Allgemeinen treten Managementrisiken in komplexen Situationen auf. Diese sind gekennzeichnet durch eine größere Anzahl von zu betrachteten Variablen und deren starke Vernetzung untereinander. Außerdem spielt die Dynamik eine Rolle: In komplexen Situationen sind oftmals die Auswirkungen einzelner Veränderungen nur schwer abzuschätzen. Dazu kommt, dass die Variablen über die Zeit hinweg eine Eigendynamik entwickeln können. Ebenfalls liegt ein bestimmter Grad an Intransparenz vor: Zu den Variablen und Zielstellungen stehen nicht alle nötigen Informationen zur Verfügung. Der Bearbeitung von komplexen Situationen muss daher zunächst eine Informationsbeschaffung vorausgehen. Intransparenz äußert sich auch in Hinblick auf die zu erreichenden Ziele, die in Mehrzahl vorliegen und sich auch widersprechen können.[3]

Um komplexen Situationen zu begegnen, muss ein aktiver Problemlösungsprozess angestrebt werden, der situativ angepasst wird. Er verlangt den Einsatz von kognitiven, emotionalen und sozialen Ressourcen sowie von Wissen.[4]

Fehlerursachen im Prozess des Risikomanagements[Bearbeiten]

Risikoidentifikation und Risikobewertung[Bearbeiten]

Risikoidentifikation und Risikobewertung sind die Voraussetzungen von Risikomanagement.[5]

Die Phase der Risikoidentifikation ist als kognitiver Prozess gekennzeichnet durch eine subjektive Beurteilung von Eintrittswahrscheinlichkeiten der Ereignisse und Ergebnishöhen. Wahrscheinlichkeiten sind die wichtigsten Aspekte bei der Quantifizierung von komplexen Situationen. Eine richtige Einschätzung der Eintrittswahrscheinlichkeiten und Ergebnishöhen ist essentiell. Die menschliche Psyche ist wesentlicher Grund für Fehleinschätzungen:[6]

  • Langsamkeit des Denkens

Komplexe Entscheidungssituationen mit begrenzter Zeit erfordern Vereinfachungen und Modellannahmen basierend auf Heuristiken zur Entscheidungsfindung. Probleme entstehen bei fehlenden Anwendungsvoraussetzungen und fehlender Anpassung an Umfeldgegebenheiten.

  • Verzerrte Wahrnehmung von Wahrscheinlichkeiten durch Urteilsheuristiken[7]

Generell werden hohe Wahrscheinlichkeiten und die Häufigkeit von erwünschten, aber seltenen Ereignissen überschätzt. Im Gegensatz werden unerwünschte häufige Ereignisse und deren Wahrscheinlichkeiten unterschätzt.

Es nehmen überwiegend folgende Methodismen Einfluss:

    • Verfügbarkeitsheuristik: Überschätzung von leicht verfügbaren (kürzlich eingetretenen oder einprägsamen) Gedächtnisinhalten
    • Repräsentativitätsheuristik: Neue Informationen werden anschaulichen Gedächtnisinhalten angelehnt.
    • Urteilsankerheuristik: Numerische Schätzungen werden beeinflusst durch extrinsische Referenzpunkte (Anker).
  • Aktualität der Daten beeinflusst persönliche Relevanz:

Durch fehlenden Zugang zu Vergangenheitsdaten oder mangelnde Aufarbeitung sind gegenwärtige Daten detaillierter verfügbar und erscheinen dadurch subjektiv relevanter. Menschen zeigen generell Schwierigkeiten bei der Analyse und Prognose von Zeitabläufen.

  • Reduktion von Verteilungen auf zu wenige Ausprägungen
  • Bevorzugung stark kontextabhängiger und ungenauer verbaler Wahrscheinlichkeiten vor numerisch beschriebenen Wahrscheinlichkeiten
  • Getrennte Wahrnehmung der Eintrittswahrscheinlichkeiten von Ereignissen und deren Ergebnissen
  • Hindsight-Bias: Tendenz, die Vorhersehbarkeit und Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen rückblickend zu überschätzen
  • Selektive, hypothesengeleitete Informationsaufnahme: Zur Vermeidung von kognitiver Dissonanz werden neue Informationen oftmals im Rahmen bestehender Annahmen interpretiert und bestehende Hypothesen nur langsam revidiert. Die Folge ist fehlende Objektivität durch selektive Aufnahme und Interpretation.
  • Verwendung einer ungeeigneten und unvollständigen Informationsgrundlage zur Bildung von Wahrscheinlichkeiten

Risikokontrolle[Bearbeiten]

Nach der Risikoidentifikation und -bewertung geht es schließlich in der letzten Phase der Risikokontrolle darum, geeignete Gegenmaßnahmen zu finden und eine Entscheidung zu treffen.
Hierbei sind mögliche Fehlergründe:

Tendenz, Verluste höher zu gewichten als Gewinne. In Situationen mit einer recht sicheren Erfüllung des Anspruchsniveaus sinkt die Risikobereitschaft, um diesen Gewinn zu erhalten. Währenddessen wächst in Situationen mit hoher Verlustwahrscheinlichkeit die Bereitschaft, riskante Maßnahmen zu ergreifen.

Übermäßige Bevorzugung des Status quo gegenüber Veränderungen.

  • Ambiguitätsaversion:

Verzerrte Entscheidungsfindung durch Zwang an Mindestmaß an Erfolgserwartung: Bei fehlenden Erfolgsaussichten erfolgen oftmals verzögernde und hemmende Entscheidungsvorbereitungsprozesse oder gar ein Verzicht auf die Entscheidungsfindung.[8]

Vermögensgegenständen im persönlichen Besitz wird ein höherer Wert als gleichartigen Gütern beigemessen.

Lösungsansätze für das Managementrisiko[Bearbeiten]

Mit der Kenntnis, dass die Selbsteinschätzung von Risiken zu gravierenden Fehleinschätzungen führen kann, sollte das Risikomanagement im Controlling verankert sein. Gezieltes Entscheidungstraining fördert die Systematisierung und methodische Handhabung von Entscheidungsabläufen. Weiterhin ist eine Sensibilisierung des Managements in folgenden Punkten ratsam:[9]

  1. Ziele klar und operational definieren
  2. Entscheidungsrelevante Informationen und wesentliche Annahmen dokumentieren
  3. Die eigenen Urteile durch anerkannte wirtschaftliche Theorien und empirische Untersuchungen rechtfertigen und Gegenargumente betrachten
  4. Konsequente statistische Auswertung von Schadensdaten und Verwendung von Benchmarkwerten
  5. Verwendung von mathematisch-basierten Simulationsverfahren zur Beurteilung der kombinierten Wirkung mehrerer Einzelrisiken
  6. Bewusste und kritische Überprüfung der Risikoeinschätzung mit Hinblick auf dargestellte Verzerrungseffekte
  7. Kritische Diskussion der Risikoeinschätzung mit mehreren Personen aus verschiedenen Blickwinkeln, um stark personalisierte Fehleinschätzungen auszuschließen
  8. Reaktionen von relevanten Stakeholdern explizit durchdenken

Corporate Governance[Bearbeiten]

In Reaktion auf durch Managementfehler verursachte Unternehmensrisiken und Insolvenzen wurde die Verpflichtung zu einem angemessenen Risikomanagement und Risikocontrolling in den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) aufgenommen.[10]. Dieser baut auf dem Prüfungsstandard IDW EPS 340 auf, der eine Risikofrüherkennung vorsieht. Der DCGK verlangt, dass der Vorstand dem Aufsichtsrat regelmäßig, zeitnah und umfassend über alle für das Unternehmen relevanten Fragen zur Risikolage, des Risikomanagements und der Compliance Auskunft gibt.[11] Die Richtlinien der Corporate Governance tragen dazu bei, dass es eine Dokumentation im Risikomanagement gibt und die Informationsversorgung im Unternehmen sichergestellt wird.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Vgl. Holscher, R / Giebel, S. / Karrenbauer, U. (2006) S.151-152
  2. Vgl. Simon, H. A. / Dantzig, G. B. / Plott, C. R. (1987), Kahnemann, D (2003)
  3. Dietrich Dörner, Bick, Thomas: Lohhausen : vom Umgang mit Unbestimmtheit und Komplexität ; DFG-Projekt DO 200/4 "Systemdenken", Lehrstuhl Psychologie II der Universität Bamberg 1981 / Dietrich Dörner(Hrsg.). Unter Mitarb. von Thomas Bick ... Universität Bamberg (1979-). Lehrstuhl Psychologie, Allgemeine Psychologie, Bern, Göttingen, Toronto 1994, ISBN 3-456-82531-5.
  4. Frensch, P.A. & Funke, J.: Complex problem solving: The European perspective.
  5. Volker Lingnau: Lingnau, Volker (Hrsg.): Die Rolle des Controllers im Mittelstand : funktionale, institutionale und instrumentelle Ausgestaltung. Lohmar, Köln 2008, ISBN 978-3-89936-688-4.
  6. „Die Psychologie unternehmerischer Entscheidungen“, S. 69-74, veröffentlicht in „Wirtschaftspsychologie“, Heft Juni/2003.
  7. Vgl. March, J. G. / Shapira, Z. (1987), S. 1405; Balderjahn, I. / Mennicken, C. (1996), S. 28; Eisenfuhr, F./Weber, M. (2003) S.175-181.
  8. Dörner, D: Logik des Mißlingens – Strategisches Denken in komplexen Situationen. 1989.
  9. Gleißner, W.: Faustregeln für Unternehmer – Leitfaden für strategische Kompetenz und Entscheidungsfindung. 2000.
  10. Ziffer 4.1.4 DCGK
  11. Ziffer 3.4 DCGK
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