Lünener Entwässerungspass

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Der Lünener Entwässerungspass ist ein Gütesiegel, das privaten Kanalnetzbetreibern die gesetzlich geforderte Sicherheit ihrer Grundstücksentwässerungsanlagen dokumentiert. Er wurde vom Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen (SAL) entwickelt, erstmals 2007 verliehen und im selben Jahr mit dem Goldenen Kanaldeckel ausgezeichnet. Der Entwässerungspass stellt für Eigentümer und Dritte gleichermaßen ein Gütesiegel für ein risikofreies Kanalnetz dar. Der Erwerb ist freiwillig. Der Pass wird vom SAL ausgestellt; eine Gebühr für die Ausstellung wird nicht erhoben. Beantragen können den Entwässerungspass sowohl Bauherren bei Neubauten als auch Besitzer bestehender Grundstücke.

Entstehungsgeschichte[Bearbeiten]

Als öffentlicher Kanalnetzbetreiber und Non-Profit-Unternehmen stellt der SAL den Entwässerungspass ohne finanzielles Eigeninteresse aus und berät die Grundstückseigentümer wenn gewünscht zusätzlich individuell und kostenlos mit dem Ziel, dass Betreiber privater Entwässerungsanlagen in ihrem eigenen Interesse erkennen, dass: –die Grundstücksentwässerungsanlage dauerhaft funktionieren muss –die Rohrleitungen standsicher sind –bei Starkregenereignissen Überflutungen verhindert werden –Wasserschäden mit der Folge von Zerstörung der Bausubstanz und Gesundheitsproblemen verhindert werden –der Wert der Grundstücksentwässerungsanlagen durch Unterhaltung möglichst lange erhalten bleibt –schadhafte Anlagen ein Risiko für die Umwelt darstellen –möglicherweise, etwa durch alternativen Umgang mit dem Regenwasser, Abwassergebühren eingespart werden können. Um dem Grundstückseigentümer eine nachprüf- und belegbare Funktionstüchtigkeit seines Kanalnetzes zu bescheinigen, hat der SAL ein Zertifikat entwickelt: den Entwässerungspass. Das Modell wurde 2007 ausgezeichnet (siehe unten) und ist zur Einführung auch in anderen Städten im Gespräch.

Problemfaktor private Grundstücksentwässerung[Bearbeiten]

Grundsätzlich unterliegen Grundstücksentwässerungsanlagen bis zur Grundstücksgrenze den Regelungen des Baurechts und den Anforderungen des Wasserrechts. Die Verantwortung für die ordnungsgemäße Funktion und Instandhaltung der Grundstücksentwässerungsanlage liegt in der Hand des Eigentümers. Weil Fehlfunktionen der Grundstücksentwässerung die öffentliche Abwasseranlage beeinträchtigen beziehungsweise eine Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht erschweren und undichte Rohre ein Risiko für die Umwelt darstellen, ist in Nordrhein-Westfalen die Durchführung einer Dichtheitsprüfung von Schmutzwasserleitungen bis Ende 2015 für Grundstückseigentümer verbindlich.

Weitere Folgen nicht sachgemäßen Grundstücksentwässerungsanlagen können eine Überflutung der unterhalb der Rückstauebene liegenden Wohnräume, Hohlraumbildung im Erdreich, ein Bruch der Abwasserleitung oder Mauerfeuchte und Schimmelbildung sein. All dies geht immer auch mit einem Wertverlust der Anlagen einher.

In der Praxis sind rechtliche, technische und wirtschaftliche Zusammenhänge der Grundstücksentwässerung für die Mehrzahl der Grundstückseigentümer schwer durchschaubar. Um eine ökologisch und wirtschaftlich sinnvolle und angemessene Entscheidung zu treffen, sind neben Kenntnis der Gesetzeslage auch das Wissen um die Interessen des öffentlichen Kanalnetzbetreibers, die Bedingungen der eigenen Gebäudeversicherung oder eine realistische Einschätzung der Leistungsfähigkeit von Dienstleistungsunternehmen erforderlich. Hinzu kommt, dass auf Seiten der Hauseigentümer oftmals die Kaufkraft fehlt, um sinnvolle Änderungsmaßnahmen an der Grundstücksentwässerungsanlage durchführen zu können. Der Eigentümer weiß, dass eine Prüfung notwendig ist, fürchtet sich aber oft vor der Konsequenz, die die Ergebnisse der Prüfung mit sich bringen könnten.

Dienstleistungsunternehmen rund um die Grundstücksentwässerung bieten unterschiedlichste Inspektions- und Sanierungsverfahren zur Erkennung und Behebung von Missständen am privaten Kanalisationsnetz an. Welche dieser Verfahren aber tatsächlich für die spezielle Situation des Grundstücks geeignet ist, ist vom Grundstückseigentümer kaum zu erkennen. Hier sind Eigentümer in der Regel darauf angewiesen, dass das von dem entsprechenden Dienstleistungsunternehmen empfohlene Vorgehen auch tatsächlich das für die jeweilige Situation angemessene und bestmögliche Prozedere ist. Als gewinnorientiert arbeitende Unternehmen bieten Dienstleister den Grundstückseigentümern in der Regel die Leistungen an, die von dem entsprechenden Unternehmen auch erbracht werden können. Ein Hinweis auf eventuell geeignete Verfahren konkurrierender Unternehmen entfällt. Eine Bewertung der ihm zugänglichen Informationen zur bestmöglichen Sanierung seiner Grundstücksentwässerungsanlagen bleibt dem Eigentümer überlassen – und dieser ist in den meisten Füllen nicht in der Lage, die ihm präsentierten Möglichkeiten in seinem eigenen Interesse richtig zu bewerten. Einige unseriöse Dienstleistungsunternehmen nutzen die schwierige Situation aus, beraten mangelhaft oder gar falsch und locken die Grundstückseigentümer in Verträge, die der Situation nicht angemessen und/oder im Preis-Leistungs-Verhältnis überteuert sind. Grundstückseigentümer und, falls ein Versicherungsschutz besteht, die Versicherungen sind die Geschädigten.

Was die Grundstückseigentümer in der Regel nicht wissen: Ein erfolgreicher Dichtheitsnachweis ist nur der Indikator dafür, dass vom Kanalnetz kein Umweltrisiko ausgeht. Er sagt jedoch nichts über eventuelle weitere – und nicht selten gravierende – Risiken aus, die mit den erkannten Schäden für den Netzbetreiber einhergehen können.

Weil technische Möglichkeiten und das Gesetz gleichermaßen Handlungsspielräume lassen, sind die Grundstückseigentümer in ihrem eigenen, aber auch im Interesse der Umwelt, auf eine Instanz angewiesen, die sie ohne eigenes finanzielles Interesse umfassend berät.

Entwässerungspass: Sicherheit und Mehrwert für Eigentümer[Bearbeiten]

Der Besitzer eines Entwässerungspasses hat die Sicherheit, dass seine Grundstücksentwässerungsanlage den gesetzlichen Bestimmungen entspricht und betriebssicher ist. Der Schutz seines Wohnraumes ist auch bei Starkregenereignissen gesichert. Der Wert des Gebäudes wird gesteigert. Zusätzlich entstehen Einsparungsmöglichkeiten bei der Gebäudeversicherung von bis zu 30 % (je nach Wahl der Versicherungsgesellschaft).

Bei einer Vielzahl bestehender Gebäude ist die Ausstellung eines Entwässerungspasses auch ohne übermäßigen finanziellen Investitionsaufwand möglich. Auch bei Neubauten ist der Investitionsaufwand im Verhältnis zu den wirtschaftlichen Vorteilen im gesamten Lebenszyklus des Gebäudes gering. Es ist selbstverständlich möglich, dass sich bei bestehenden Gebäuden der Investitionsaufwand als so groß herausstellt, dass wirtschaftliche Überlegungen dem Wunsch, eine in der Gesamtheit risikolose Grundstücksentwässerungsanlage zu besitzen, entgegenstehen. Aber auch ein solches Gebäude kann langfristig bei einem Verkauf einen höheren Verkaufswert erzielen, wenn es über einen Entwässerungspass verfügt.

Nicht zuletzt ist eine fundierte Grundstücksentwässerungsanlage ein aktiver und direkter Beitrag zum Umweltschutz.

Voraussetzungen zur Ausstellung des Entwässerungspasses[Bearbeiten]

Zur Erlangung des Entwässerungspasses müssen folgende Nachweise erbracht werden:

  • Funktion der Grundstücksentwässerungsanlage:

Die Funktion der gesamten unterhalb der Rückstauebene verlegten Grundstücksentwässerungsanlage ist erkennbar. Eine optische Überprüfung aller Rohrleitungen lässt keine Funktionsbeeinträchtigung erkennen.

Die Standsicherheit der Rohrleitungen wird durch eine optische Überprüfung nachgewiesen.

Der Nachweis der Dichtheit der erdverlegten Entwässerungsanlage wird durch einen Dichtheitsnachweis erbracht. Die optische Dichtheit wird, außer bei problematischen Gewerbe- oder Industrieabwässern, anerkannt.

Die unterhalb der Rückstauebene liegenden Räume müssen gegen Rückstau nach den Regeln der Technik gesichert sein.

  • Leistungsfähigkeit der Rohrleitungen:

Die Rohrleitungen müssen ausreichend groß bemessen sein, um Wassermengen bei normalen Regenereignissen ableiten zu können.

Für die Zulässigkeit der Dränage wurde der Nachweis erbracht, dass die Dränagerohre oberhalb des normalen Grundwasserspiegels liegen. Die Einleitung in das öffentliche Kanalsystem erfolgt über einen Übergabeschacht mit Sandfang und Hebeanlage.

Der Entwässerungspass[Bearbeiten]

Je nachdem, ob eine Grundstücksentwässerungsanlage zu 100 % untersucht wurde oder nur zu minimal 80 % oder ob ein Wartungsvertrag für die Grundstücksentwässerungsanlage vorliegt, stellt der SAL vier verschiedene Klassen des Entwässerungspasses aus:

Klasse 1a: Nachweise liegen vor, Anlage wurde zu 100 % untersucht, Wartungsvertrag wurde abgeschlossen, Gültigkeitsdauer des Passes 20 Jahre

Klasse 1b: Nachweise liegen vor, Anlage wurde zu 100 % untersucht, Wartungsvertrag wurde nicht abgeschlossen, Gültigkeitsdauer des Passes: 20 Jahre

Klasse 2a: Nachweise liegen vor, Anlage konnte trotz Einsatz bester Technik nur in Teilen (> 80 %) untersucht werden, Wartungsvertrag wurde abgeschlossen, Gültigkeitsdauer des Passes: 10 Jahre

Klasse 2b: Nachweise liegen vor, Anlage konnte trotz Einsatz bester Technik nur in Teilen (> 80 %) untersucht werden, Wartungsvertrag wurde nicht abgeschlossen, Gültigkeitsdauer des Passes: 10 Jahre

Der Nachweis, dass die Bedingungen eingehalten sind, erfolgt über das im SAL entwickelte EDV-Programm ›GEIS‹, mit dessen Hilfe auch die Beratung zur Grundstücksentwässerung durchgeführt wird.

Auszeichnungen und weitere Entwicklung[Bearbeiten]

Für die Entwicklung des Entwässerungspasses wurde 2007 Rosi Evers stellvertretend für den SAL mit dem Goldenen Kanaldeckel des IKT ausgezeichnet.[1] Die Einführung in weiteren Städten ist konkret geplant.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Goldener Kanaldeckel 2007 verliehen. In: unitracc.com. 30. November 2007, abgerufen am 28. Dezember 2016.
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