Kommunalfinanzen

Aus MARJORIE-WIKI
Wechseln zu: Navigation, Suche

.

Das kommunale Steuersystem[Bearbeiten]

Die umfangreichste Diskussion zu den Problemen der Gemeindefinanzen wird seit Jahren über die Gemeindesteuern geführt. Das bestehende Gemeindesteuersystem, mit den drei Hauptsäulen Gewerbesteuer, Grundsteuer und Gemeindeanteil an der Einkommensteuer basiert in seinen Grundzügen auf den Ergebnissen der Gemeindefinanzreform des Jahres 1969. Während Gewerbe- und Grundsteuer bereits eine lange Tradition als Kommunalsteuern haben wurde mit der Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer ein völlig neues Element in das kommunale Steuersystem eingeführt. Die Gemeinden sind seither verpflichtet, einen Teil ihrer Gewerbesteuereinnahmen an Bund und Länder abzuführen (Gewerbesteuerumlage).

Gewerbesteuer[Bearbeiten]

Der Gewerbesteuer ist seit 2004 wieder die fiskalisch bedeutsamste Steuereinnahmequelle der Kommunen. Im Jahr 2005 lag ihr Nettoaufkommen bei 20,4 Mrd. Euro. Das entspricht einem Anteil von ca. 43 Prozent an den gesamten kommunalen Steuereinnahmen. In ihrer Konzeption als Kommunalsteuer beruhte die Gewerbesteuer ursprünglich auf drei Säulen: der Besteuerung nach dem Gewerbeertrag, der Besteuerung nach dem Gewerbekapital und der fakultativen Besteuerung nach der Lohnsumme. Von diesen drei Elementen existiert nur noch die Gewerbesteuer nach dem Ertrag. Die Lohnsummensteuer wurde zum 1. Januar 1980 abgeschafft; die Gewerbekapitalsteuer wird seit dem 1. Januar 1998 nicht mehr erhoben. Darüber hinaus kam es zu vielen kleineren Änderungen im Gewerbesteuerrecht (Anhebung der Freibeträge für Personengesellschaften, Ausdehnung der Messzahlenstaffelung für Personengesellschaften, Halbierung der Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen, Ausweitung der Befreiungstatbestände). Die Eingriffe des Gesetzgebers führten im Ergebnis zu einer Verengung der Gewerbesteuer, sowohl in ihrer Bemessungsgrundlage, als auch in der Zahl der Zensiten. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf ihre Tauglichkeit als Gemeindesteuer. Gemessen an dem Anforderungskatalog zur Beurteilung kommunaler Steuern, muss der Gewerbesteuer zunächst zugute gehalten werden, dass sie neben ihrer fiskalischen Ergiebigkeit zwei weitere elementare Kriterien der kommunalen Besteuerung erfüllt: sie knüpft im Sinne des Interessenausgleichs an der örtlichen Produktion an und sie entspricht der Forderung nach Autonomie und Beweglichkeit, da sie mit einem Hebesatzrecht der Gemeinden ausgestattet ist. Bei genauerer Betrachtung kann sie den Anforderungen an eine kommunale Steuer jedoch nur bedingt gerecht werden:

Interessenausgleich/Gruppenäquivalenz: Durch die Gewerbesteuer wird zwar die Forderung nach einer wirtschaftsbezogenen Gemeindesteuer erfüllt, die Vorteile einer solchen Steuer kommen aufgrund ihrer derzeitigen Ausgestaltung allerdings kaum zur Entfaltung. Kritisiert wird vor allem, dass die Gewerbesteuer inzwischen zu einer Sondersteuer für eine kleine Zahl mittlerer und großer Unternehmen geworden ist. Schon in ihrer ursprünglichen Form ließ sich beanstanden, dass die Steuer nur an die gewerbliche und nicht an die unternehmerische Tätigkeit anknüpft. Mittlerweile werden jedoch selbst die gewerblichen Unternehmen nur noch sehr selektiv belastet, denn in ihrer heutigen Form (Freibetragsregelung für Personengesellschaften und Einzelunternehmer) erfasst die Gewerbesteuer neben den Kapitalgesellschaften lediglich noch ertragsstarke Personenunternehmen. Da mittlerweile deutlich weniger als 30 Prozent der Unternehmen und Freiberufler zur wirtschaftsbezogenen Gemeindesteuer herangezogen werden, wird das Kriterium einer umfassend fühlbaren Finanzierungsbeteiligung nicht mehr erfüllt. Der Kreis der materiell Steuerpflichtigen weicht gravierend von dem Kreis der Unternehmen ab, die von den kommunalen Leistungen profitieren. Der angestrebten Äquivalenz zwischen gemeindlichen Leistungen für die örtliche Wirtschaft und steuerlicher Belastung der wirtschaftlichen Tätigkeit in einer Gemeinde wird nur noch unzureichend Rechnung getragen. Das erschwert den Interessenausgleich zwischen den kommunalen Gruppen.

Bedarfsgerechte interkommunale Steuerkraftverteilung: Darüber hinaus kommt es infolge des kleinen Kreises gewerbesteuerpflichtiger Unternehmen, aber auch bedingt durch die ungleichmäßige Streuung der Bemessungsgrundlage ‚Gewerbeertrag’ zu erheblichen Steuerkraftunterschieden zwischen Gemeinden gleicher Größenklasse und ähnlicher räumlicher Funktion. Zwar können steuerschwache Gemeinden ihr Gewerbesteueraufkommen durch die Anwendung eines hohen Hebesatzes in gewissen Grenzen steigern. Die Funktion des Hebesatzes für den interkommunalen Standortwettbewerb geht jedoch verloren.

Konjunkturneutralität: Das Aufkommen der Gewerbesteuer ist äußert konjunkturreagibel. Die Bemessungsgrundlage ‚Gewerbeertrag’ besteht im Wesentlichen aus den Unternehmensgewinnen, die im Zeitablauf vergleichsweise stark konjunkturellen Schwankungen unterliegen. Neben Planungsproblemen besteht somit vor allem die Gefahr einer Parallelpolitik der Kommunen, z.B. durch eine Rückführung der Investitionsausgaben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Hinsichtlich ihrer Eignung als Kommunalsteuer ist die Gewerbesteuer somit äußerst kritisch zu beurteilen. Aber auch unter allgemeinen steuersystematischen Gesichtspunkten weist sie erhebliche Mängel auf. Daher besteht auch trotz der positiven Entwicklung des Steueraufkommens der letzten beiden Jahre ein erheblicher Reformbedarf.

Die Gewerbesteuerumlage[Bearbeiten]

Seit der Gemeindefinanzreform 1969 müssen die Gemeinden einen Teil ihrer Gewerbesteuereinnahmen als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abführen. Die Umlage wurde als Ausgleich für die Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer konzipiert. Dieser Kompromiss trug erheblich zur Verbesserung des kommunalen Steuersystems bei (Verstetigung der Steuereinnahmen und Abmilderung der Steuerkraftunterschiede zwischen den Gemeinden). Allerdings ist die ursprüngliche Funktion der Gewerbesteuerumlage im Zeitablauf in den Hintergrund gerückt.

Einkommensteueranteil[Bearbeiten]

Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer belief sich 2005 auf 18,5 Mrd. Euro. Das entspricht einem Anteil von ca. 34 Prozent an den gesamten kommunalen Steuereinnahmen. Damit ist Einkommensteueranteil nach der Gewerbesteuer die fiskalisch zweitbedeutsamste Steuereinnahmequelle der Kommunen. Der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer knüpft am Einwohner als Bedarfskriterium an und stellt damit im Rahmen des kommunalen Steuersystems ein notwendiges Gegengewicht zur wirtschaftsbezogenen Gewerbesteuer dar. Auf diese Weise wird neben der örtlichen Produktion auch die Wohnbevölkerung in die Finanzierung der kommunalen Leistungen eingebunden, ganz im Sinne des Interessenausgleichs. Der Grundsatz des Interessenausgleichs fordert allerdings auch, dass die Gemeinden die Möglichkeit haben, unterschiedliche Steuersätze zu erheben, um so den Bedürfnissen und Interessen der lokalen Gruppen Rechnung tragen zu können. Da der kommunale Einkommensteueranteil in seiner jetzigen Form keine Steuersatzvariationen erlaubt, wird der Interessenausgleich zwischen den kommunalen Gruppen erheblich erschwert. Finanzpolitisch bedenklich ist zudem, dass die heutige Verbundlösung ohne Steuersatzrecht der Gemeinden dazu führt, dass die Zahlung der Einkommensteuer von den Bürgern in der Regel nicht mit der Gemeinde in Verbindung gebracht wird. Der Steueranteil, der an die Kommune fließt, ist auf keinem Steuerbescheid erkennbar; die Einkommensteuer wird nicht als eine Abgabe wahrgenommen, die an die Gemeinde zu entrichten ist. Doch gerade auf kommunaler Ebene ist es besonders wichtig, dass die Zusammenhänge zwischen kommunalem Leistungsangebot und den zur Finanzierung notwendigen Steuern für die Gemeindebürger transparent werden. Dem trägt das Postulat der Fühlbarkeit Rechnung. Um die Vorteile eines dezentralen Staatsaufbaus entsprechend auszunutzen, ist eine direkt fühlbare und bewegliche kommunale Einkommensbesteuerung somit unerlässlich. Beides könnte durch ein kommunales Hebesatzrecht erreicht werden. Zwar bietet das Grundgesetz in Art. 106 Abs. 5 GG prinzipiell die Möglichkeit, ein kommunales Hebesatzrecht auf den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer einzuführen, bisher wurde von dieser Option jedoch aus bestimmten Gründen kein Gebrauch gemacht: Die Einführung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer im Jahre 1969 erfolgte in erster Linie unter dem Gesichtspunkt, die Streuung der kommunalen Steuereinnahmen zu verringern und damit zu einer bedarfsgerechten interkommunalen Steuerkraftverteilung beizutragen. Dies wurde insbesondere durch die Anwendung der Kappungsgrenzen bei der Verteilung des Steueraufkommens auf die einzelnen Kommunen erreicht. Ein Hebesatzrecht ist nach herrschender Meinung jedoch nur dann praktikabel, wenn der Gemeindeanteil nach dem örtlichen Aufkommen ohne Berücksichtigung der heute geltenden Kappungsgrenzen verteilt werden würde. Die heutige Verbundlösung führt zudem zu einer starken Abhängigkeit der Gemeinden von der staatlichen Steuerpolitik. Die Einkommensteuer dient als wichtigste Einzelsteuer im deutschen Steuersystem in besonderem Maße der Erreichung nichtfiskalischer Zielsetzungen. Vor allem ihre Nutzung als Instrument der Konjunktur- und Wachstumspolitik zur Steuerung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat zur Folge, dass auch der kommunale Einkommensteueranteil relativ starken Aufkommensschwankungen unterliegt. Diese Abhängigkeit ist zwar im Prinzip unvermeidlich, sie könnte jedoch minimiert werden. Dennoch war der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in der Vergangenheit stets eine ergiebige Einnahmequelle der Kommunen.

Grundsteuer[Bearbeiten]

Nach der Gewerbesteuer und dem Einkommensteueranteil ist die Grundsteuer die drittergiebigste Steuereinnahmequelle der Kommunen. Ihr Aufkommen lag 2005 bei ca. 9,1 Mrd. Euro, was in etwa 17 Prozent der kommunalen Steuereinnahmen entspricht. In Analogie zur wirtschafts- und einwohnerbezogenen Abgabe, steht auch bei der Grundsteuer der Äquivalenzgedanke im Vordergrund. Zwar besteht kein unmittelbar eindeutiges Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, dennoch kann das Steueraufkommen aus dem Grundbesitz als eine Art pauschales Äquivalent für viele auf den Grundbesitz bezogene Gemeindeleistungen betrachtet werden. Als traditionelle Kommunalsteuer mit Hebesatzrecht erfüllt die Grundsteuer einen Großteil der Anforderungen, die an eine gute Gemeindesteuer gestellt werden: Sie ist örtlich radizierbar, sie ist beweglich und sie ist umfassend fühlbar. Ihre gewinnunabhängige Bemessungsgrundlage sichert zudem ein stetiges Aufkommen. Darüber hinaus spricht für die Grundsteuer, dass ihre Erhebung kaum Auswirkungen auf den internationalen Standortwettbewerb hat. Grundsteuern haben auch in anderen Ländern eine lange Tradition als lokale Steuern. Im internationalen Vergleich zeigt sich sogar, dass der Anteil vermögensbezogener Steuern am kommunalen Steueraufkommen in Deutschland deutlich unter dem Niveau anderer Staaten liegt. Doch auch die Grundsteuer ist in ihrer derzeitigen Ausgestaltung stark reformbedürftig. Kritisiert wird vor allem die Bemessungsgrundlage der Steuer, der Einheitswert. Zum einen gilt das Verfahren der Einheitsbewertung als unpraktikabel und wenig transparent. Zum anderen führen die seit Jahrzehnten eingefrorenen Einheitswerte heute zu erheblichen Verzerrungen; sie spiegeln weder das Niveau noch die Relation der tatsächlichen Grundstückswerte angemessen wider.

Umsatzsteueranteil[Bearbeiten]

Seit 1998 sind die Gemeinden mit einem Anteil von 2,2 Prozent an dem Aufkommen der Umsatzsteuer beteiligt, das nach Abzug eines Vorweganteils von 5,63 Prozent für den Bund verbleibt. Durch den Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer sollte der Wegfall der Gewerbekapitalsteuer kompensiert werden. Das Aufkommen des kommunalen Umsatzsteueranteils lag 2005 bei 2,6 Mrd. Euro. Das entspricht einem Anteil von ca. 4,8 Prozent an allen kommunalen Steuereinnahmen. Der Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer gilt als eine stetige und gut kalkulierbare Einnahmequelle der Kommunen. Allerdings ging die Verstetigung der Einnahmen mit einer deutlichen Dezimierung der kommunalen Autonomie einher. Eine Gemeindesteuer mit Hebesatzrecht, die Gewerbekapitalsteuer, wurde durch eine Beteiligung der Gemeindeebene an einer Gemeinschaftssteuer ersetzt. Im Gegensatz zur Einkommensteuer, ist bei der Umsatzsteuer eine Beteiligung der Gemeinden nach dem örtlichen Aufkommen technisch nicht realisierbar. Das gleiche gilt im Prinzip auch für ein kommunales Hebesatzrecht. Folglich hat der kommunale Umsatzsteueranteil eher den Charakter einer verfassungsrechtlich fixierten Bundeszuweisung ohne Auflage, als den einer Gemeindesteuer. Bei der Neuordnung des kommunalen Steuersystems sollte die Umsatzsteuerbeteiligung daher keine tragende Rolle spielen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Bundesministerium der Finanzen, BMF (2003a): Bericht der Arbeitsgruppe „Kommunalsteuern“ an die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen, Berlin.
  • Bundesverband der Deutschen Industrie/Verband der Chemischen Industrie, BDI/VCI (2001): Verfassungskonforme Reform der Gewerbesteuer. Konzept einer kommunalen Einkommen- und Gewinnsteuer, Köln.
  • Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände (2003a): Vorschlag für eine modernisierte Gewerbesteuer, Berlin.
  • Frey, D (1988): Die Finanzverfassung der Bundesrepublik Deutschland, in: Arnold, V. und O.-E. Geske (Hrsg.): Öffentliche Finanzwirtschaft, München, S. 11-55.
  • Karrenberg, H. (2006): Kommunalfinanzen 2004-2006 – Prognose der kommunalen Spitzenverbände, Berlin.
  • Stiftung Marktwirtschaft (2006): Kommission „Steuergesetzbuch“. Einfacher, gerechter, sozialer: Eine umfassende Ertragssteuerreform für mehr Wachstum und Beschäftigung. Steuerpolitisches Programm, Berlin.
  • Zimmermann, H. (2002): Notwendigkeiten und Perspektiven einer Gemeindefinanzreform in Deutschland. Druckfassung eines Vortags auf dem Symposium „Kommunale Steuer- und Finanzreform“ zur Feier des 75-jährigen Gründungsjubiläums des Finanzwissenschaftlichen Forschungsinstituts an der Universität zu Köln.
  • Zimmermann, H. und Postlep, R.-D. (1980): Beurteilungskriterien für Gemeindesteuern, in: Wirtschaftsdienst, Jg. 60, H. 5, S. 248-253.

Weblinks[Bearbeiten]

Wikilinks - Wikis mit Artikeln zum Thema[Bearbeiten]

(Trage hier dein Wiki mit Link zum Artikel ein, wenn du in deinem Wiki ebenfalls einen Artikel zu diesen Thema hast oder du diesen Artikel in dein Wiki exportiert hast)

Info Sign.svg Dieser Wikipedia-Artikel wurde, gemäß GFDL, CC-by-sa mit der kompletten History importiert.