Hubert Schwerhoff

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Hubert Schwerhoff (* 24. Dezember 1913 in Groß Reken in Westfalen; † 3. November 1972) war als SS-Oberscharführer (SS-Nr. 131906) Angehöriger der Sicherheitspolizei und der Geheimen Staatspolizei (Gestapo). Während des 2. Weltkriegs war er an Kriegsverbrechen im Generalgouvernement beteiligt.

Lebensdaten[Bearbeiten]

Als Sohn eines Tischlers wuchs er mit sieben Geschwistern in einem katholisch geprägten Elternhaus auf. Nach dem Besuch der 8. Klasse vollendete er die Volksschule im Jahre 1928. Danach arbeitete er zwei Jahre in der Landwirtschaft bei seinen Eltern, um die Familie zu ernähren. Dann arbeitete er als Saisonarbeiter in einem Ziegelei- und Sägewerkbetrieb, wobei sein Lohn zur Begleichung der Schulden seines Vaters herangezogen wurde.[1][2] Im Jahre 1932 wurde er Mitglied im Kommunistischen Jugendverband. Zu diesem Zeitpunkt war er arbeitslos. Sein älterer Bruder Alois war 1932 Mitglied der SS geworden. Mit dessen Beeinflussung und anderer Bekannter wurde er am 15. März 1933 Mitglied der SS.

Laufbahn in der SS[Bearbeiten]

Ihm schwebte eine gesicherte Beamtenlaufbahn vor, um den Wirren der sozialen Not und den Folgen einer dauernden Arbeitslosigkeit zu entkommen. Im Jahre 1934 bewarb er sich um eine Position bei der SS-Einheit Leibstandarte SS Adolf Hitler, in der er am 15. Oktober 1934 eingezogen wurde. Zwei weitere Brüder wurden 1934 bzw. 1936 ebenfalls Angehörige der Leibstandarte Adolf Hitler. Zuerst erhielt er eine infanteristische Grundausbildung in den ersten drei Monaten in Jüterborg. Danach wurde er in Berlin bis 1938 in der Bewachung von Dienstgebäuden eingesetzt. In dieser Zeit bewachte er auch eine Villa von Heinrich Himmler und den zeitweiligen Sitz von Adolf Hitler in Berchtesgaden. Seine militärische Fortbildung erstreckte sich in dieser Zeit in der Unterweisung als Krad- und LKW-Fahrer.

Im Frühjahr 1938 nahm er mit seiner SS-Einheit an der Besetzung von Österreich teil, wofür er die Medaille zur Erinnerung an den 13. März 1938 erhielt. Mitte 1938 besuchte er in Sankt Georgen im Schwarzwald eine SS-Berufsschule, wo er Kenntnisse im Maschinenschreiben und der Handhabung der Kurzschrift erhielt. Im Oktober 1938 schied er als SS-Rottenführer aus der Leibstandarte Adolf Hitler aus, um eine Laufbahn bei der Grenzpolizei zu beginnen.

Nach erfolgreicher Bewerbung bei der Grenzpolizei kam er im November 1938 zu einer drei Monate dauernden Ausbildung zur Grenzpolizeischule nach Pretzsch, wo er den Dienstgrad eines SS-Scharführers erhielt. In der Prüfung am 31. Januar 1939 zum Kriminalassistenten auf Probe musste er Kenntnisse im Zoll-, Fahndungs- und Erkennungsdienst, in Grundlagen des Strafrechts, der Kriminalistik und der Grenzsicherung nachweisen. Seine erste Versetzung führte ihn zum Grenzpolizeiposten Stollenwasser. In der Zeit vom 1. Februar bis zum 18. August 1939 wurde er auf dem Grenzbahnhof Brünneck im Streifen- und Kontrolldienst eingesetzt.

Am 19. August 1939 erhielt er einen Gestellungsbefehl nach Wien, wo er unter dem Kommando des späteren SS-Standartenführers Ludwig Hahn (SS-Nr. 65823) in das Einsatzkommando 1 der Einsatzgruppe I aufgenommen wurde. Im Zuge des Überfalls auf Polen ab dem 1. September 1939 wurde diese Einheit in Gleiwitz bei dem Überfall auf den Sender (Unternehmen Tannenberg), bei Beuthen, bei Kattowitz und am 28. September 1939 bei Sanok eingesetzt.

Grenzpolizei-Kommissariat Przemysl[Bearbeiten]

Im November 1939 wurde das Einsatzkommando 1/I aufgelöst. Damit wurde er zum Grenzpolizei-Kommissariat Przemysl (GPK Przemysl) kommandiert, das dem Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD (KdS) in Krakau unterstellt war und anfangs von SS-Hauptsturmführer Friedrich Preuss geführt wurde. In Przemysl wurde er im Referat „Widerstand, Abwehr und Sabotage“ eingesetzt, das anfangs von SS-Hauptscharführer Breitloff und später von SS-Oberscharführer Mademann geleitet wurde[3].

Seine Dienstfähigkeiten wurden durch einen Lehrgang auf der Fachschule in Krakau weiter gebildet, wo er die Prüfung I für Kriminalbeamte der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) absolvierte. Somit wurde er am 12. Mai 1940 zum SS-Oberscharführer und außerplanmäßigen Kriminalassistenten befördert. Für seine Einsätze im Rahmen des Grenzpolizei-Kommissariats erhielt er 1941 das „Kriegsverdienstkreuz II. Klasse ohne Schwerter“. Am 14. Januar 1943 wurde er zum KdS nach Krakau versetzt. Ab dem 19. Januar 1943 wurde er dort mit Aufgaben des Wachdienstes betraut, um dann ab Mitte März 1943 in der Dienststelle Gestapo des KdS im Referat IV C2 (Schutzhaft) eingesetzt zu werden.

Zur Staatspolizeileitstelle Oppeln der Gestapo wurde er am 16. Oktober 1943 abkommandiert. Im Zeitraum Februar/März 1944 erfolgte seine Versetzung zum Grenzpolzeiposten Blachstätt, wo er im Rahmen der Dienststelle „Widerstand, Abwehr und Sabotage“ eingesetzt wurde. Nach der Auflösung der Dienststelle der Grenzpolizei in Blachstätt konnte er sich Anfang 1945 nach Oppeln absetzen. Dort wurden seine Dienstpapiere vernichtet, die ihn als Angehörigen der Gestapo auswiesen. Zur Tarnung erhielt er eine Wehrmachtsuniform und ein entsprechendes neues Soldbuch als Angehöriger der Wehrmacht.

Kriegsende[Bearbeiten]

Mit zurückgehenden Wehrmachtseinheiten geriet er in den letzten Kriegsmonaten in Pisek (CSR) in die Hände von tschechoslowakischen Widerstandskämpfern, die ihn der Roten Armee übergaben. Es gelang ihm die Flucht aus der Kriegsgefangenschaft. Zuerst kehrte er zu seinen Eltern nach Groß-Reken zurück. Dort erhielt er neue Ausweispapiere. Danach suchte er seine Familie auf, die in Berlin-Blankenburg wohnte.

Tätigkeiten in der SBZ bzw. DDR[Bearbeiten]

Von 1946 bis 1958 war er als Transportarbeiter und LKW-Fahrer im VEB Lederfabrik Blankenburg tätig. Seine Spuren als Angehöriger der SS und Gestapo hatte er gründlich getilgt. So gehörte er von 1946 bis 1948 der SED an, aus der er aber aus eigenem Entschluss wieder austrat. In den folgenden Jahren wurde er einmal als Aktivist und zweimal als Bestarbeiter ausgezeichnet, wobei er auch die Aufbaunadel in Silber erhielt. Auch trat der dem Gewerkschaftsbund FDGB bei und brachte es dort zum Organisator einer Gewerkschaftsgruppe. Im Jahre 1958 wechselte er zum VEB Deutsche Spedition, der späteren VEB Autotrans. Dort qualifizierte er sich im Jahre 1960 zum Facharbeiter als Berufskraftfahrer. Seit 1968 übte er dort die Funktion eines Bodenmeisters aus.

Prozess vor dem Stadtgericht Groß-Berlin[Bearbeiten]

Am 18. September 1969 wurde er in Ost-Berlin in die Untersuchungshaft überführt. Vor dem Strafsenat 1a des Stadtgerichts in Groß-Berlin wurde er angeklagt, gemeinschaftlich oder allein Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Das Gericht setzte sich aus dem Oberrichter Walter Genrich, einem Ergänzungsrichter, einem Ersatzrichter und zwei Schöffen zusammen. Als Pflichtverteidiger wurde am 23. Februar 1972 Friedrich Wolff[4] bestellt. Zweiter Pflichtverteidiger war der Rechtsanwalt Rudi Bell.[5]

Die Hauptverhandlung begann am 11. April 1972 und dauerte weitere elf Prozesstage. Am 9. Mai 1972 wurde das Urteil (Az: 101a Bs 7/72) gefällt.

Anklagepunkte[Bearbeiten]

In den folgenden Punkten werden die Anklagepunkte kurz erläutert.

Sanok[Bearbeiten]

Etwa 50 jüdische Bürger wurden aus Sanok und den angrenzenden Ortschaften zusammengetrieben und unter Androhung und Anwendung von Waffengewalt über den Grenzfluss San getrieben. Unter den Vertriebenen waren auch Mütter mit Kleinkindern.

Dydnia[Bearbeiten]

Anfang Oktober 1939 wurde Schwerhoff in der Ortschaft Dydnia eingesetzt, um jüdische Bürger aus ihren Wohnungen zu holen und über den Grenzfluss San zu vertreiben. Diese Aktionen wurden von ihm und anderen Angehörigen des Einsatzkommandos 1/I im November 1939 etwa 15 bis 20 km östlich von Sanok fortgesetzt.

GPK Przemysl[Bearbeiten]

Im Zeitraum von Dezember 1939 bis Januar 1943 hatte Schwerhoff auf dem Gebiet des Generalgouvernements und ab 1941 in den besetzten Gebieten der Sowjetnunion an der Festnahme und Verschleppung von mindestens 17 Personen mitgewirkt bzw. selber ausgeführt. Dabei wandte er auch körperliche Gewalt bei der Festnahme an. In den Diensträumen des GPK Przemysl verhörte Schwerhoff die Gefangenen auch selbst und im Zusammenwirken mit anderen Angehörigen der Dienststelle, wobei zur Erlangung von Geständnissen schwerste Gewalt und Folter eingesetzt wurde. Im Gefängnis von Dubiecko misshandelte Schwerhoff vom 6. Mai bis 10. Mai 1940 einen 12-jährigen Jungen, damit dieser das Versteck einer Pistole seines Vaters verraten sollte. Schwerhoff bestritt in der Verhandlung, solche Verhöre in Dubiecko ausgführt zu haben.

Im Frühjahr 1940 wurden in der Umgebung des Soldatenfriedhofs von Przemyśl mindestens 10 polnische Unteroffiziere erschossen. Der Kommandierende Offizier der Einweisung war der SS-Untersturmführer Neugebauer, der auch Schwerhoff in den Ablauf der Aktion einwies. Schwerhoff, der teilweise an den Erschießungen teilnahm, behauptete, die Unteroffiziere wären von einem Standgericht in Krakau verurteilt worden. Schwerhoff bestritt die Teilnahme an der Aktion vor Gericht nicht. Die ganze Aktion leitete SS-Sturmbannführer Hans Kraus aus der Dienststelle des KdS Krakau.

Im Zeitraum April/Mai 1942 nahm Schwerhoff an der Erschießung jüdischer Bürger auf dem jüdischen Friedhof von Przemyśl teil, wobei er mindestens acht Personen eigenhändig tötete.

Im Sommer 1942 wurden im Wald von Grochowce in der Umgebung von Przemysl 160 polnische Bürger erschossen. Hier räumte Schwerhoff ein, es vergessen zu haben, dass er an dieser Aktion teilgenommen hat. Er gab aber an, keine Erinnerungen zu haben, dass er selber an den Erschießungen teilgenommen hat.

Im Juli 1942 kam es nach der Räumung des Ghettos von Przemyśl zu Erschießungsaktionen, etwa 20 bis 25 km von Przemyśl entfernt. Hier beteiligte sich Schwerhoff nach eigenen Angaben an den Tötungsaktionen.

Grenzpolizeiposten Blachstätt[Bearbeiten]

Der Grenzpolizeiposten Blachstätt gehörte als Dienststelle zum Grenzpolizei-Kommissariat Loben, die wiederum der Staatspolizeileitstelle Oppeln unterstellt war. Der Leiter des Grenzpolizeipostens war Februar/März 1944 SS-Obersturmführer Karl Schampel. Sein Stellvertreter war SS-Oberscharführer Korten, später nach dessen Versetzung SS-Oberscharführer Christiansen. Ende 1944 hat nach Angaben von Zeugen Schwerhoff auf dem Hof der Dienststelle Blachstätt einen polnischen Widerstandskämpfer erschossen. Schwerhoff hat diese Tat bestritten.

Urteil[Bearbeiten]

Am 9. Mai 1972 wurde Schwerhoff vom Stadtgericht Groß-Berlin zum Tode verurteilt. Eine Berufung beim Obersten Gericht der DDR vom 29. Juni 1972 (Az: 1a Ust 16/72) wurde abgewiesen, wobei zwei Punkte des Schuldausspruches des Stadtgerichts im Freispruch endeten. Das Urteil wurde am 3. November 1972 vollsteckt.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Christiaan F. Rüter, Dick W. de Mildt (Hrsg.): DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Band II, 2002, ISBN 978-3-598-24612-8, S. 239–278, Lfd. Nr. 1043a und 1043b (uva.nl [abgerufen am 19. August 2017]).
  2. Friedrich Wolff: Verlorene Prozesse: meine Verteidigungen in politischen Verfahren 1952–2003. Edition Ost, Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01800-7, S. 143–148 (607 S.).
  3. Christiaan F. Rüter, Dick W. de Mildt (Hrsg.): DDR-Justiz und NS-Verbrechen. Band II, 2002, ISBN 978-3-598-24612-8, S. 246, Lfd. Nr. 1043a und 1043b (uva.nl [abgerufen am 19. August 2017]).
  4. Friedrich Wolff in der deutschsprachigen Wikipedia
  5. Friedrich Wolff: Verlorene Prozesse: meine Verteidigungen in politischen Verfahren 1952–2003. Edition Ost, Berlin 2009, ISBN 978-3-360-01800-7, S. 143 (607 S.).
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