Gustav Wierzoch

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Gustav Wierzoch (* 31. Oktober 1912 in Gelsenkirchen; † 25. November 2005 in Nordhorn) war deutscher SS-Hauptsturmführer in der Zeit des Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik Deutschland Polizeihauptkommissar in Niedersachsen.

Leben[Bearbeiten]

Der Bergmannssohn besuchte 1927 nach achtjähriger Volksschulzeit die höhere Handelsschule in Gelsenkirchen, die er 1929 mit der Mittleren Reife abschloss. Wegen der Weltwirtschaftskrise konnte er seinen Wunschberuf Kaufmann nicht erlernen. Er verließ deshalb das Ruhrgebiet und verdingte sich bis 1934 als Knecht auf Bauernhöfen in Mecklenburg-Vorpommern.

Im Oktober 1931 trat Wierzoch der NSDAP–Ortsgruppe Liebuch, Kreis Schwerin, im Gau Ostmark und der SA bei. Im illegalen Grenzschutz kämpfte er gegen polnische Verbände. 1934 meldete er sich freiwillig zur Reichswehr. Wierzoch war in Frankfurt (Oder) stationiert und bildete Rekruten aus. 1936 wurde er aus den mittlerweile in Wehrmacht umbenannten Streitkräften als Unteroffizier der Reserve entlassen. 1937 trat Gustav Wierzoch in die Berliner Schutzpolizei ein, der er bis Ende 1939 angehörte. Der Polizeioberwachtmeister besuchte Lehrgänge der Polizeischule Rathenow, der Polizeisportschule Berlin–Spandau und nahm an Lehrgängen der Polizeioffizierschulen Berlin-Köpenick und Fürstenfeldbruck teil. 1939 wurde er zum Leutnant der Schutzpolizei befördert.

Ende 1939 trat Wierzoch in die SS ein, wurde zum SS–Untersturmführer ernannt und Anfang 1940 zur Polizeiverwaltung Elbing versetzt. Im Zweiten Weltkrieg wurde der 1941 zum Oberleutnant beförderte alte Kämpfer der NSDAP Mitglied verschiedener SS-Stäbe im besetzten Osteuropa. Wiederholt meldete er sich freiwillig zu Kampfeinsätzen bei den Bandenkampfverbänden (BKV), die im Generalgouvernement, in Galizien, in Russland, in der Ukraine und in Lettland eingesetzt waren. Die bunt zusammengewürfelten Verbände, die Wierzoch befehligte, bestanden aus Polizisten der „grünen“ Polizei, einzelnen Gestapo- und SD-Beamten, Soldaten der Wehrmacht (Heer, Luftwaffe, Kriegsmarine), SS–Männern und lettischen und weißrussischen Hilfswilligen. Im Kampfeinsatz sollten sich die Männer für höhere Aufgaben „bewähren“. Auch deshalb gingen die BKV rücksichtslos gegen „Banden“ (sowjetische Partisanen) und gegen die Zivilbevölkerung vor. Massenexekutionen gefangener Partisanen und bei der Zivilbevölkerung, vor allem von Frauen und Kindern, sowie verbrannte Dörfer gehörten zum Alltag der BKV. Für seine Tätigkeit erhielt Wierzoch 1943 das Eiserne Kreuz zweiter Klasse (EK II). Bei den Kämpfen mit Partisanen wurde er mehrfach verwundet, erhielt das Verwundetenabzeichen in Silber und das Bandenkampfabzeichen in Gold. An Hitlers Geburtstag, dem 20. April 1944, wurde er zum Hauptmann der Schutzpolizei und zum SS-Hauptsturmführer befördert.

Nach Kriegsende geriet Wierzoch für zwei Jahre in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Ab 1947 lebte der Kriegsversehrte zeitweilig in Berlin und in Salzburg. Er schlug sich zunächst als Gelegenheitsarbeiter durch und betrieb auf juristischem Wege seine Wiedereinstellung in den Polizeidienst. 1953 fand Gustav Wierzoch in Niedersachsen eine Neuanstellung als Polizeibeamter. Als „131er“ hatte er Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung und auf eine Besoldung als Polizeihauptkommissar. So wurde er Revierleiter bei der Schutzpolizei in Bad Nenndorf, Hameln und Pyrmont.

Die Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg ermittelte gegen Gustav Wierzoch wegen seiner Beteiligung an Massenerschießungen in Kurland gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Allerdings wurden die Ermittlungen eingestellt, weil Zeitzeugen während des Kalten Krieges nicht aus der Sowjetunion ausreisen und in der Bundesrepublik Deutschland vor Gericht aussagen durften. Ehemalige Angehörige der SS, die nun in der niedersächsischen Polizei ihren Dienst verrichteten, schwiegen oder gaben an, nichts zu wissen.

Im Zuge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wurde der Polizeioberbeamte 1958 in den Regierungsbezirk Osnabrück versetzt. An der holländischen Grenze wurde er in Nordhorn bis 1973 mit der Leitung des Polizeiabschnitts Grafschaft Bentheim beauftragt. Hier befehligte mehr als hundert Polizeibeamte. Innerhalb der Polizeikameradschaft des abgelegenen Grenzkreises (spezieller Funkcode „Gustav 01“) führte Gustav Wierzoch getreu seinem Motto „Hart, aber fair“ ein autoritäres und strenges Regiment. Dafür wurde er von einem Großteil seiner Untergebenen - viele waren wie er Kriegsteilnehmer - gehasst.

Seine Sportbegeisterung für den Vereinsfußball verschaffte ihm jedoch außerhalb der Polizei Anerkennung und Bewunderung. Der bekennende Schalke-Fan engagierte sich bei der Kreisverkehrswacht Grafschaft Bentheim, gehörte 14 Jahre lang dem Musterungsausschuss des Kreiswehrersatzamtes in Meppen an, war 2. Vorsitzender des Nordhorner Sportvereins "NS Sparta 09", Vorsitzender des Kreissportgerichts Grafschaft Bentheim und wurde mit dem goldenen Ehrenkreuz der Deutschen Verkehrswacht sowie der Silbernadel des Niedersächsischen Fußballverbandes ausgezeichnet. Mit 62 Jahren, nach Ende seiner aktiven Laufbahn, wurde er Mitglied im SV Eintracht Nordhorn, der ihn anlässlich seines 90. Geburtstages herzlich beglückwünschte.[1]

Eine umfangreiche öffentliche Laudatio beschreibt Wierzochs „Maxime“, der er „ein Leben lang treu geblieben sei: lebensbejahend, pünktlich, verlässlich, menschlich, freundlich und gerecht zu jedermann.“ Und der Laudator urteilt: „Der Polizeihauptkommissar i. R. hat sich für die Grafschafter Menschen eingesetzt und verdient gemacht“.[2]

Literatur[Bearbeiten]

  • Andrej Angrick: Besatzungspolitik und Massenmord: Die Einsatzgruppe D in der südlichen Sowjetunion 1941 - 1943. Hamburger Edition, Hamburg 2003, ISBN 3-930908-91-3.
  • Christopher R. Browning: Ganz normale Männer: Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die "Endlösung" in Polen. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60800-6.
  • Stefan Klemp: „Nicht ermittelt“: Polizeibataillone und die Nachkriegsjustiz - Ein Handbuch (= Villa ten Hompel. Band 5). Klartext-Verlag, Essen 2005, ISBN 3-89861-381-X.

Weblinks[Bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Grafschafter Nachrichten vom 2. November 2002.
  2. Grafschafter Wochenblatt Nr. 5 vom 28. Januar 1998.
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