Gerhard Carsten

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Gerhard Carsten (* 3. Februar 1909 in Sorquitten, Kreis Sensburg in Ostpreußen) war als Kriminalsekretär ein Angehöriger der Geheimen Staatspolizei (Gestapo).

Jugend und Schulzeit[Bearbeiten]

Als Sohn eines Reichsbahnobersekretärs wohnte er bei seinen Eltern bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs Anfang August 1914 in Johannisburg (Ostpreußen). Wegen der Kriegsereignisse ging er zu Verwandten in Bromberg und Hohensalza, um dort ungefährdet zur Schule zu gehen. In Rastenburg besuchte er 1927 bis zur Obersekunda das Realgymnasium.

Dienst bei der Polizei[Bearbeiten]

Seit dem 2. April 1928 absolvierte er in der Polizeischule Sensberg (Ostpreußen) einen Lehrgang als Polizeianwärter, wo er die Prüfung zum Polizeiwachtmeister bestand. In den Dienst des Kommandos der Schutzpolizei Tilsit trat er 1929 als Polizeiwachtmeister ein und blieb dort bis 1935. Dann leistete zwei Jahre den Wehrdienst bis 1937 beim Radfahrbataillon I in Tilsit. Danach kehrte er zur Schutzpolizei zurück. Als er sich am 1. September 1937 um eine Stelle bei der Kriminalpolizei bewarb, wurde dieser Antrag nach seinen Angaben abgelehnt.

Dienst bei der Gestapo[Bearbeiten]

Nach einer Verfügung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) soll er dann zur Staatspolizeistelle Tilsit (Stapo Tilsit) kommandiert worden sein. Im Jahre 1938 absolvierte er auf der Führerschule der Sicherheitspolizei in Berlin-Charlottenburg einen Lehrgang für drei Monate, wo er die damit verbundenen Fachprüfungen bestand. Im Jahre 1937 wurde er Mitglied in der NSDAP. Als er sich um die Mitgliedschaft bei der SS bewarb, wurde dies von einem Rassereferenten verweigert. Als er jedoch zum Kriminalassistenten befördert wurde, bekam er die Erlaubnis, die Uniform eines SS-Unterscharführers zu tragen. Im Herbst 1938 kam er zum Grenzpolizeiposten Waldheide (GPP Waldheide) in Ostpreußen. Im März 1939 übernahm er nach der am 3. März 1939 erfolgten Eingliederung des Memellandes ins Reichsgebiet die Leitung des GPP Schmalleningken, der von vier weiteren Beamten besetzt war. Nach seiner Beförderung zum Kriminaloberassistenten am 1. April 1940 konnte er die Uniform eines SS-Hauptscharführers tragen.[1]

Massaker von Georgenburg (Litauen)[Bearbeiten]

Am 22. Juni 1941, dem Tag des Überfalls auf die Sowjetunion, erhielt er von dem Leiter der Stapo Tilsit SS-Hauptsturmführer Hans-Joachim Böhme[2] den Befehl, alle „potentiellen Gegner“ nach einer Erfassung einer „Sonderbehandlung“[3] zu unterziehen. Carsten und seine Beamten und Angehörige des litauischen Ordnungsdienstes nahmen darauf hin alle bekannten Kommunisten und Juden des nahe der Grenze gelegenen litauischen Ortes Georgenburg fest. Am 3. Juli 1941 wurden durch ein Exekutionskommando von 30 bis 40 Angehörigen der Stapo und des SD aus Tilsit insgesamt 322 Personen durch Schüsse auf dem jüdischen Friedhof getötet. Darunter befanden sich fünf Frauen und ihre Kleinkinder. Carsten soll am selben Abend gegenüber einem Freund gesagt haben:

„Heut morgen haben die Juden in Georgenburg über die Klinge springen müssen.“[4]

Im Juli oder August 1941 erfolgte durch Carstens die Tötung von mindestens weiteren 100 Juden aus Georgenburg. Carsten wurde im November 1943 zum Kriminalsekretär befördert. Im Dezember 1944 erfolgte seine Versetzung zum Grenzpolizei-Kommissariat Kopenhagen.

Nachkriegszeit[Bearbeiten]

Mit der Kapitulation der Wehrmacht am 8./9. Mai 1945 kam er in dänische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 4. November 1950 entlassen wurde. Er ging nach Nordrhein-Westfalen, wo seine Familie wohnte. In Neheim-Hüsten fand er eine Beschäftigung als Industriearbeiter. Am 1. August 1953 konnte er bei der Kriminalpolizei in Arnsberg auf eine Bewerbung hin den Dienst als Kriminalassistent auf Probe aufnehmen. In den Unterlagen zu seiner Bewerbung hatte er wesentliche Punkte seiner Funktion und Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg nicht angegeben. Verantwortlich für die Einstellung war der Polizeichef von Arnsberg Ferdinand Hahnzog[5]. Es folgte seine Beförderung zum Kriminalsekretär.

Am 18. Januar 1957 wurde er vorläufig festgenommen. Es folgte eine Untersuchungshaft durch den Haftbefehl des Amtsgerichts Ulm vom 3. Januar 1957. Das Schwurgericht Ulm verurteilte ihn wegen der Tötungsdelikte in Litauen am 29. August 1958 zu vier Jahren Haft.

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Irene Sagel-Grande et al. (Hrsg.): Justiz und NS-Verbrechen. Band 15. Amsterdam 1976, S. 24 (expostfacto.nl [abgerufen am 4. August 2018] Lfd.Nr. 465).
  2. Hans-Joachim Böhme in der deutschsprachigen Wikipedia
  3. Sonderbehandlung in der deutschsprachigen Wikipedia
  4. Stefan Noethen: Alte Kameraden und neue Kollegen: Polizei in Nordrhein-Westfalen 1945–1953 (= Geschichtsort Villa ten Hompel Münster: Schriften. Nr. 3). Klartext-Verlag, Essen 2003, ISBN 3-89861-110-8, S. 398–399 (567 S.).
  5. Ferdinand Hahnzog in der deutschsprachigen Wikipedia
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