Fausts Charakter

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Der Charakter von Goethes Faust:[Bearbeiten]

Heinrich Faust ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Er ist ein Exzentriker, ein Ausnahmemensch, der ungewöhnlich ist im Streben, Sehnen und Wollen, aber auch im Verfehlen, Sünde und Schuld. Doch genau dadurch, dass Goethe ihn mit diesen außergewöhnlichen Charaktermerkmalen auszeichnete, war es im möglich das allgemeine Wesen des Menschen verschärft deutlich zu machen. Sein Streben wird dabei enorm durch die „paracelsische“ Sehnsucht geprägt. Faust genießt bei seinen Mitmenschen einen außerordentlich respektvollen Ruf. Er gilt als „allwissend“ unter ihnen. Er selbst jedoch ist in sich aufgewühlt und unbefriedigt. Er stellt fest, dass er trotz langandauernden Studien und Forschungen nicht an das heran gelangt, wonach er sie so sehr sehnt (V.354-365: „Habe nun, ach! Philosophie,/ Juristerei und Medizin,/ Und leider auch Theologie!/ Durchaus studiert, mit heißem Bemühn./ Da Steh ich nun ich armer Tor/ Und bin so klug als wie zuvor./ Heiße Magister, heiße Doktor gar,/ Und ziehe schon an die zehen Jahr,/ Herauf, herab und quer und krumm,/ Meine Schüler an der Nase herum,/ Und sehe, dass was wir nicht wissen können!/“: Endlich zu verstehen „Was die Welt im innersten zusammenhält“ (v. 382). Dieser Vers beschreibt den Zentralaspekt von Faust Sehnen und ist prägend für den Verlauf und Entwicklung der Tragödie. Das „Streben“ ist spezifisch für Fausts eigene geistige Welt. Diese Sehnsucht in Faust ist so erdrückend groß, dass sie in Maßlosigkeit ausartet und ihn anfällig macht. Er bedient sich der Magie, indem er den Erdgeist beschwört, um in übernatürliche Sphären vorzustoßen. Der Versuch scheitert, und Faust bleibt umso ruheloser und trauriger zurück. Bald jedoch soll Faust (fragwürdige) Hilfe erhalten, denn während mehr und mehr an sich selbst und der Welt zweifelnd auf der Suche nach Erkenntnis und Offenbarung ist, haben der Herr und Mephisto im Himmel ein Abkommen vereinbart (Prolog im Himmel). Der Herr erteilt Mephisto das Recht seinen Knecht Faust von seinem Streben abzuhalten. (V. 324: „Nun gut, es sei dir überlassen!/ Ziehe diesen Geist von seinem Urquell ab“). Mephisto versucht also, Faust von dem Weg des Strebens abzubringen, indem er ihn in die Freuden und Genüsse der Welt einweiht. Hier tritt nun ein bemerkenswerter Charakterzug Fausts auf. Es ist Mephisto niemals möglich, das Streben von Faust zu unterbinden oder zu unterbrechen. Es bleibt unentwegt intakt und büßt nie seine Ausprägung ein. Hieraus resultieren die Gelehrtentragödie und die Gretchentragödie. Doch wieso zeigt sich Faust letztendlich so anfällig für Mephistos Versprechen? Die Antwort liegt in Fausts Charakter bzw. in seiner ungewöhnlichen Sehnsucht, welche über die Grenzen seiner eigenen Persönlichkeit also seines Ichs hinausgehen. Für viele mag hier der Ausweg in der Religion liegen, nicht aber für Faust. Seine Sehnsucht scheint ihn auf einen Irrweg zu lenken, und er verstrickt sich mit ihr immer tiefer in das weltlich Irdische. Er will das Überirdische erfahren, wird aber nur maßloser. Diese Maßlosigkeit und das Gefühl der Verzweiflung, welche entstand, als er feststellte, gescheitert zu sein, führen in dazu, erst sich an der Magie zu versuchen und, als dies scheitert, mit dem Teufel selbst einen Pakt zu schließen und mit ihm in sein dunkles Handeln einzutauchen. Mit Mephisto an seiner Seite öffnet sich Faust ein unbekannter, neuer Weg: Die Liebe. Zu diesem Zeitpunkt ist Faust jedoch schon zu sehr in den Händen von Mephisto und seine Liebe zu Gretchen endet in grausamen Schuldgefühlen. Durch Mephisto im Bösen verstrickt gelingt es Faust nicht, gegen Mephistos dunkle Zielsetzungen anzukommen, und alles, was er beginnt, endet im Bösen. Das Böse scheint zu triumphieren, doch nie kommt es endgültig dazu. Denn immer dann, wenn Mephisto ihn in seine Abgründe führt, siegt in Faust wieder sein Streben, welches Mephisto niemals versteht und es deswegen auch nicht besiegen kann. Mephistos Pakt, dass er Faust die Genüsse der Welt zeigt, wandelt Faust in eine Wette um, dass er im Geiste immer strebend bleiben wird. Der Versuch, Faust in Lüsternheit und Gier zu führen, wird bei Faust zu Liebe und selbst das Einweisen in die teuflische Walpurgisnacht hält Faust nicht davon ab an Gretchen zu denken. Mit Heinrich Faust wurde ein überaus bemerkenswerter Charakter geschaffen, welcher trotz dunkelster und bösester Beeinflussung niemals von seinem „Urquell abweicht“, egal wie sehr sich der Teufel zusammen mit seinen Dienern darum bemüht, und der die geistigen Ideale der damaligen Zeit und die Sehnsüchte eindrucksvoll zu erkennen gibt und vielleicht auch den einen oder anderen autobiographischen Zug seines Schöpfers beherbergt. [1] [2]

Einzelnachweise:[Bearbeiten]

  1. Erläuterungen und Dokumente Johann Wolfgang Goethe Faust Der Tragödie zweiter Teil Ulrich Gaier Philipp Reclam jun. Stuttgart
  2. Johann Wolfgang von Goethe Werke Hamburger Ausgabe Band 3 Dramatische Dichtungen I dtv Dünndruck (bearbeitet von Erich Trunz
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