Corps Palaiomarchia-Masovia Kiel
Das Corps Palaiomarchia-Masovia ist ein Corps (Studentenverbindung) im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV), dem ältesten Dachverband deutscher Studentenverbindungen. Das Corps ist pflichtschlagend und farbentragend. Es vereint Studenten und ehemalige Studenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Corpsmitglieder werden Altmärker-Masuren (im Jargon „PMer“) genannt.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte[Bearbeiten]
Masovia[Bearbeiten]
Das Corps Masovia wurde am 14. Juni 1830 in Königsberg (Preußen) gestiftet. Es rekrutierte seine Mitglieder aus der Studentenschaft der Albertus-Universität Königsberg. Nach dem Beschluss der Dekredierung vom 24. Oktober1935 suspendierte das Corps Masovia am 28. Oktober 1935.
Palaiomarchia[Bearbeiten]
Das Corps Palaiomarchia in Halle ist eine 28. Oktober 1844 gestiftete Studentenverbindung im Hallenser Senioren-Convent. Im Kösener Senioren-Convents-Verband (KSCV) gehört es seit der Gründung zum sog. blauen Kreis. Das Corps vereint aktuelle und ehemalige Studenten aller Fachrichtungen der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Der Name Palaiomarchia ist ein Kunstwort für Altmark (griech. παλαιός = alt und lat. marchia = die Mark) als Ausdruck für die Herkunft ihrer Gründungsstudenten („Altmärker“). Palaiomarchia weigerte sich, zwei jüdische Corpsbrüder auszuschließen und entzog sich der Gleichschaltung und dem Beitritt in den Nationalsozialistischen Studentenbund (NSDStB). Deshalb wurde Palaiomarchia 1935 zwangsweise suspendiert.
Gründung der Palaiomarchia-Masovia in Kiel[Bearbeiten]
Nach dem Zweiten Weltkrieg, am 3. November 1946, schlossen sich ehemalige Kriegsteilnehmer, Studenten der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, zusammen als Collegium Albertinum. Sie verstanden sich als ein Freundeskreis, der über die Studienzeit hinaus reichen sollte, und pflegten korporationsstudentisches Gedankengut. Am 14. Januar 1950 schlossen sich ehemaligen Mitglieder von Palaiomarchia und Masovia, denen die Rückkehr an die Heimatuniversitäten in Königsberg und Halle verwehrt war, zu einem gemeinsamen Corpsburschen-Convent (CC) mit dem Namen Corps Palaiomarchia-Masovia in Kiel zusammen. Am selben Tag recipierten sie auch die Angehörigen des Collegium Albertinum als Corpsburschen. So wurde das Corps Palaiomarchia-Masovia in bewusster „Fortsetzung“ der Tradition „der beiden heimatvertriebenen Corps Masovia und Palaiomarchia“ gegründet.
Besondere Ereignisse aus der Geschichte[Bearbeiten]
Der Kösener Senioren-Convents-Verband (oKC) erteilte 1954 dem Corps Palaiomarchia-Masovia die Ausnahmegenehmigung, „für die Dauer ihrer vorübergehenden Aktivität in Westdeutschland zwei Bänder zu verleihen, die durch eine Spange verbunden sein müssen“. Der KSCV ließ diese zunehmend obsolet erscheinende Einschränkung 1978 stillschweigend fallen.
Anlässlich des 129. Stiftungsfestes der Masovia und des 115. Stiftungsfestes der Palaiomarchia zogen die Altmärker-Masuren am 12. Juni 1959 von der Bartelsallee 3 in Kiel in das neue Corpshaus in der Düppelstraße 27, das von den Alten Herren des Corps finanziert worden war. Das Corpshaus, eine 1907 im Gründerzeitstil 1907 erbaute Villa, wurde in den 2023 erschienenen Bildband „Die schönsten Corpshäuser – Architektur und Geschichte“ aufgenommen.
Am 15. Oktober 1960 verliehen sich die Alten Herren der AHV von Masovia und Palaiomarchia in Hannover feierlich gegenseitig ihre Bänder. Damit trugen – bis auf wenige Ausnahmen - alle Mitglieder der Palaiomarchia-Masovia beide Bänder und führten die Zirkel beider Gründercorps.
In der Zeit der 1968er Studentenbewegung schuf der Corpsburschenconvents (CC) der Palaiomarchia-Masovia auf Empfehlung des KSCV das Amt eines Hochschulbeauftragten und veranstaltete auf seinem Corpshaus auch hochschulöffentliche Vorträge, auf Einladung des damaligen CC und des AStA- und VDS-Vorsitzenden Christoph Ehmann zum „politischen Mandat der Studentenschaft“.
1973 war der Seniorenconvent (SC) zu Kiel Vorort des KSCV. Palaiomarchia-Masovia war präsidierendes Corps und stellte den Vorortsprecher.
Im Sommersemester 1980 wurde das Stiftungsfest der Palaiomarchia-Masovia anlässlich des 150. Gründungstags der Masovia begangen. Unter anderem fand eine Ausstellung „150 Jahre Masovia Königsberg“ und ein Festakt im Kieler Schloss statt, zu dem auch Vertreter der Universität und der Stadt Kiel Glückwünsche überbrachten. Den Festvortrag hielt der Historiker und Burschenschafter Oswald Hauser zum Thema „Das geistige Preußen“.[27]
Beim 160. Stiftungsfest im Sommersemester 1990 wurden die Traditionen der Heimatuniversitäten beider Gründercorps mit einem Festvortrag des Kieler Politologen und Juristen Ulrich Matthée zum Thema „Geist von Pietismus und Aufklärung an den preußischen Universitäten Königsberg und Halle“ aufgegriffen.
Nach der Deutschen Einigung gelang dem Corps Palaiomarchia 1991 die Rückkehr an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Dort bildeten Vertreter des Corps einen selbstständigen und unabhängigen Corpsburschen-Convent und rekonstituierten damit in Halle das Corps Palaiomarchia. Das Corps Masovia verlegte 2000 offiziell seinen Sitz von Kiel nach Potsdam und führte seitdem als selbstständiger CC die Tradition des masurischen Landescorps fort. Vor diesem Hintergrund gilt seit dem Jahr 2000 das Corps Palaiomarchia-Masovia in Kiel als Neugründung mit dem Traditionsbewusstsein der beiden Muttercorps Masovia und Palaiomarchia. Gleichzeitig blickt Palaiomarchia-Masovia heute auf eine jahrzehntelange gelebte schleswig-holsteinische Tradition zurück.
Zur Unterstützung der beiden Rekonstitutionen haben eine große Anzahl von Alten Herren der Palaiomarchia-Masovia ihren Beitritt zur Altherrenschaft der beiden rekonstituierten Corps Masovia und Palaiomarchia erklärt. Damit sollte gleichzeitig eine persönliche und traditionsbewusste Verbundenheit verdeutlicht werden. Die beiden Corps Palaiomarchia in Halle und Palaiomarchia-Masovia in Kiel verdeutlichen ihre besondere corpsstudentische und traditionsreiche Beziehung durch den Abschluss eines Eisernen Kartells.
Palaiomarchia-Masovia gehört zu den Kieler Verbindungen die seit 1952 eine Segelyacht besitzt. Das Pflegen der Seemannschaft, das Leben auf engem Raum während mehrwöchiger Törns in Ost- und Nordsee vermitteln unvergessliche Eindrücke und Erfahrungen. Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl und sind für Paliomarchia-Masovia ein wesentliches Element der Corpsgemeinschaft. Bereits 1952 wurde ein Seekreuzer der Wismarer Werft Schröder & Schakow erworben. 1974 folgte eine schnelle Arpège der französischen Werft Dufour und 2013 eine Scalar 36 der renommierten Bootswerft Henningsen & Steckmest, Kappeln.
Couleur[Bearbeiten]
Palaiomarchia-Masovia hat die Farben himmelblau-weiß-feuerrot und orange-weiß-schwarz von unten (v.u.) jeweils mit silberner Perkussion und verbunden durch eine silberne Spange mit dem Albertus - dem Schutzpatron der Albertus-Universität Königsberg. Dazu wird eine himmelblaue Mütze mit einem orange-weiß-schwarzen (v.u.) Seitenband getragen. Die Füchse der Palaiomarchia-Masovia tragen die Farben orange-weiß-blau mit silberner Perkussion.
Die Wahlsprüche lauten Virtus contemnit mortem![1] und Concordia fidesque per vitam mortemque![2]
Ehrenmitglieder seit 1950[Bearbeiten]
Wiederholt wurden Corpsbrüder, die sich besonders für das Corps engagiert haben, zu Ehrenmitgliedern ernannt, so zum Beispiel beim Aufbau des Corps nach 1950, für das Zusammenwachsen von drei AHV-Vereinen zu einer Altherrenschaft, für die Corpsgemeinschaft und für die Weiterführung des jungen Corps, nachdem die beiden Muttercorps nach Halle bzw. nach Potsdam gegangen sind und ihre Corps rekonstituiert haben:
- Prang (1955), fr. Palaiomarchia, sp. Masovia
- Schrater-Rottmers (1955), fr. Palaiomarchia, sp. Masovia
- Weiß (1982), fr. Collegium Albertinum
- Löwe II (1982), fr. Palaiomarchia, fr. Guestphalia Bonn, sp. Masovia
- Müller-Dieckert III (1982), fr. Masovia, sp. Palaiomarchia
- von Collas (1982), fr. Collegium Albertinum
- von Bismarck (2004),
- Ernesti (2007), fr. Collegium Albertinum
- Büttner (2018)
Segelyacht Coronel[Bearbeiten]
Im Jahre 1952 erwarb das Corps Palaiomarchia-Masovia den Spitzgatter Coronel II, der als Zweimaster mit 65 m² am Wind getakelt war. Das Schiff hatte zum Zeitpunkt des Erwerbs keine Maschine mehr, bewährte sich aber umso mehr auf großen Fahrten. 1974 wurde das Schiff verkauft.[3] Dafür wurde eine Arpége (Baujahr 1972) erworben, dieses Mal ein Segelschiff mit einem Motor. Mit der Arpége, die ebenfalls den Namen Coronell II trug, wurden viele Kurz- und Langtörns gesegelt.
2012 wurde eine Scalar 36 gekauft und anlässlich des Stiftungsfestes am 8. Juni 2013 auf den Namen Coronell III getauft. Das Boot wird an Wochenenden und auf 1- und 2-Wochentörn in deutschen und dänischen Gewässern mit großer Begeisterung gesegelt.
Beziehungen zu anderen Korporationen (Verhältnisse) =[Bearbeiten]
Das Corps pflegt, bedingt durch seine Wurzeln, eine Vielzahl an Kartellen und befreundeten Verhältnissen. Aufgrund der Struktur seiner Verhältnisse zu anderen Corps wird das Corps Palaiomarchia-Masovia zum Blauen Kreis innerhalb des Kösener Senioren-Convents-Verbands gezählt.
Eisernes Kartell[Bearbeiten]
• Corps Palaiomarchia, Halle
Befreundete Korporationen[Bearbeiten]
- Rhenania Freiburg (innig befreundet)
- Corps Starkenburgia, Gießen
- Corps Lusatia, Leipzig
- Corps Austria, Frankfurt
- Corps Isaria, München
- Corps Moenania, Würzburg
- Corps Rhaetia Innsbruck zu Augsburg
- Corps Borussia Halle, Halle
Vorstellungsverhältnis[Bearbeiten]
- Corps Suevia Prag (suspendiert)
Traditionsverhältnis[Bearbeiten]
- Corps Albertina, Hamburg
Träger der Klinggräff-Medaille[Bearbeiten]
Mit der Klinggräff-Medaille des Stiftervereins Alter Corpsstudenten wurden bisher ausgezeichnet:
- Sven Becker (1994)
- Peter Heinrich Selhausen II (2017)
Literatur[Bearbeiten]
- 150 Jahre Corps Palaiomarchia-Masovia (1980)
- 160 Jahre Corps Palaiomarchia-Masovia (1990)
- 60 Jahre Segeln bei PM (2011 mit Ergänzung 2014)
- Wilhelm Schrader-Rottmers: Zur Vorgeschichte. In: Corpszeitung der Altmärker-Masuren. Nr. 43. Kiel 1968, S. 846 f.
- Rudolf Tappe im Interview: Es ging uns um Wahrhaftigkeit, Freundschaft und Toleranz". In: Kösener SC-Verband und Verband Alter Corpsstudenten (Hrsg.):Corps - Deutsche Corpszeitung. Jahrgang 124, Nr. 3/2022, S. 20–25.
- Wolfgang Erich: Die Entwicklung des Collegium Albertinum von seiner Gründung im Jahre 1946 an bis zum Anschluss an die Palaiomarchia-Masovia im Wintersemester 1949/50. Corpszeitung der Altmärker-Masuren
- Günter Ernesti: Vom Collegium Albertinum zum Corps Palaiomarchia-Masovia. Heide, Boyens Verlag 2008, S. 179 ff.
- Günter Ernesti: 50 Jahre Bestehen des Corps Palaiomarchia-Masovia, Corpszeitung der Altmärker-Masuren 102/104, Kiel 2000, S. 830
- Carsten Beck: Die schönsten Corpshäuser: Architektur und Geschichte. Hrsg.: Kösener SC-Verband [KSCV]. 1. Auflage. CORPS Media, Bad Kösen 2023,ISBN 978-3-9825254-0-2, S. 274 ff.
- Hans Löwe: Zur wechselseitigen Bandverleihung. In: Corpszeitung der Altmärker-Masuren. Nr. 28. Kiel 1960, S. 327 – 329.
- Gerhard Daniel: Die Lage jüdischer Corpsbrüder 1930 bis 1935 am Beispiel Palaiomarchia. In: Altmärker-Bote. Nr. 4. Halle 1996.
- Wilhelm Schrader-Rottmers: Die Beziehungen der Palaiomarchia zu anderen Corps von 1844 bis 1950 (1. Folge). In: Corpszeitung der Altmärker-Masuren. Nr. 49. Kiel 1975, S.1033–1037.
- Gerhard Daniel: AH Friedrich. Wilhelm Koenig. Corpszeitung der Altmärker-Masuren Nr. 79, Kiel 1986, S. 2365 f.
- Horst-Alex Schmidt: Neues von der Coronell III, Corpszeitung der Altmärker-Masuren Nr. 130, Kiel 2016, S. 2113 f.
- Horst-Alex Schmidt: 60 Jahre Segeln bei PM, 2012.
- Günter Martens; Die corpsstudentische Idee im Spannungsfeld der modernen Gesellschaft, Festrede zum 140. Stiftungsfest; Corpszeitung der Altmärker-Masuren Nr. 47, Kiel 1970, S.945 f.
- CC und AHV der Palaiomarchia-Masovia; Nochmals: Masovia in Kiel – aus der Sicht von Palaiomarchia-Masovia, Kiel, Einst und Jetzt 2023, S. 288
Weblinks[Bearbeiten]
- Offizielle Website der Palaiomarchia-Masovia Kiel
54.33783210.143761Koordinaten: 54° 20′ 16,2″ N, 10° 8′ 37,5″ O