Außenpolitik Somalilands

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Zentrales Thema von Somalilands Außenpolitik ist das Bemühen um eine internationale Anerkennung seiner de facto bestehenden Unabhängigkeit. Es verweigerte die Teilnahme an gesamtsomalischen Friedensgesprächen und lehnte eine Wiedereingliederung in Somalia ab.

Die Übergangsregierung Somalias strebt weiterhin die Wiedereingliederung Somalilands an. Sie befasst sich derzeit aber kaum mit dieser Frage, da sie damit beschäftigt ist, sich in Südsomalia gegen erhebliche Widerstände diverser Gegner zu behaupten.

Politische Lage Somalilands im Horn von Afrika

Beziehungen zu Äthiopien[Bearbeiten]

Mit dem angrenzenden Äthiopien unterhält Somaliland gute (wirtschaftliche) Beziehungen; seit dem Eritrea-Äthiopien-Krieg 1998–2000 wird ein Großteil der äthiopischen Exporte über den Hafen von Berbera abgewickelt, da Äthiopien die Häfen Eritreas (Massawa und vor allem Assab) nicht mehr nutzen kann. Diese Beziehungen stehen im Gegensatz zur von vielen Somali in anderen Gebieten empfundenen „traditionellen Feindschaft“ gegenüber Äthiopien und vor dem Hintergrund, dass viele Nordsomalier bereits den Ogadenkrieg Siad Barres gegen Äthiopien nicht unterstützt hatten und die SNM von Äthiopien gefördert worden war.[1] Bislang haben sie jedoch nicht zu einer offiziellen Anerkennung durch Äthiopien geführt.

Äthiopien unterstützt zugleich auch die Übergangsregierung in Südsomalia gegen Islamisten und weitere Gegner und intervenierte dort von Ende 2006 bis Anfang 2009 auch militärisch. Diese Militärpräsenz war weitgehend unpopulär und wurde verbreitet als Besetzung betrachtet. Teile der somalischen Bevölkerung werfen Äthiopien vor, Somalia schwächen und fragmentieren zu wollen, um künftigen Ansprüchen auf ein Groß-Somalia vorzubeugen.[2] Aus dieser Sicht betrachten sie die äthiopische Unterstützung für Somaliland als Teil dieser Strategie bzw. Somalilands Zusammenarbeit mit Äthiopien als Verrat.

Beziehungen zur internationalen Gemeinschaft[Bearbeiten]

Andere Staaten der Region lehnen aus verschiedenen Gründen eine Anerkennung von Somaliland ab. So befürchtet Dschibuti, dass bei einer Anerkennung der Hafen Berbera an Bedeutung gewinnen und damit zur Konkurrenz für den eigenen Hafen werden würde. Aus sudanesischer Sicht wäre die Anerkennung Somalilands auch ein Zeichen für die Unabhängigkeit Südsudans. Ägypten, das mit Äthiopien um die Verteilung des Nilwassers streitet, sähe die Entstehung eines Äthiopien freundlich gesinnten Staates ebenfalls ungern.[3] Es befürwortet wie andere arabische Staaten – insbesondere Saudi-Arabien – ein geeintes Somalia als Gegengewicht zu Äthiopien, welches christlich geprägt ist und gute Beziehungen zu den USA und zu Israel unterhält.[4]

Hauptgrund für die Zurückhaltung der übrigen internationalen Gemeinschaft ist die Befürchtung, eine Anerkennung Somalilands würde sich auf die Friedensbemühungen im übrigen Somalia negativ auswirken und von anderen nach Unabhängigkeit strebenden Gebilden als Präzedenzfall herangezogen werden. Innerhalb Afrikas gelten namentlich Südafrika, Sambia, Ruanda und Ghana[5] als Unterstützer Somalilands.[4] Sie zögern aber ebenso wie westliche Staaten mit einer Anerkennung, solange die Afrikanische Union diesen Schritt nicht tut. Innerhalb der Europäischen Union stehen namentlich Großbritannien sowie Dänemark und Schweden Somaliland positiv gegenüber, während vor allem Italien – ehemalige Kolonialmacht des übrigen Somalia – die Einheit Somalias aufrechterhalten möchte.[6] Die USA unterstützen derzeit die Übergangsregierung; da sich diese bislang als weitgehend unpopulär und erfolglos erwiesen hat, befürworten manche außenpolitische und militärische Kreise unterdessen einen Wechsel der US-Unterstützung auf die Seite Somalilands. Somaliland selbst hat sich als Standort für das Regionalkommando der US-Streitkräfte AFRICOM angeboten, nachdem dieses in weiten Teilen Afrikas auf Ablehnung gestoßen war.[7][8][9]

Als Folge der Nichtanerkennung erhielt Somaliland kaum äußere Unterstützung für seinen wirtschaftlichen und politischen Aufbau, was zum Teil durch die Geldüberweisungen im Ausland lebender Somaliländer wettgemacht wird.[10] Manche Beobachter meinen, dass Somaliland gerade deshalb stärker in der eigenen Bevölkerung verankert sei und die negativen Auswirkungen einer Abhängigkeit von auswärtiger Hilfe vermeiden konnte.[4] Im Gegensatz zu vielen afrikanischen Staaten hat Somaliland keine Auslandsschulden, da es keine Kredite der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds erhält.

Mittlerweile wird Somaliland in verschiedener Hinsicht praktisch wie ein Staat behandelt, ohne dass dies mit einer offiziellen Anerkennung verbunden ist. Diese Entwicklung wurde als „schleichende informelle und pragmatische Akzeptanz Somalilands als politische Realität“[11] beschrieben. So akzeptieren Dschibuti und Äthiopien somaliländische Pässe. Großbritannien, die EU und die USA haben die Durchführung von Wahlen unterstützt. Eine Reihe von internationalen Organisationen und Unternehmen, die in Somaliland aktiv sind, stehen in Kontakt mit somaliländischen Behörden und haben Abkommen mit diesen geschlossen. Der Präsident Dahir Riyale Kahin wurde 2008 bei Besuchen in London und Washington von offiziellen Vertretern in Empfang genommen, und auch in Ägypten, Äthiopien, Frankreich, Italien, Kenia und Jemen wurden Vertreter Somalilands empfangen. Äthiopien unterhält ein Handelsbüro in Hargeysa, das faktisch einer Botschaft gleichkommt.[4] Somaliland unterhält seinerseits in Äthiopien, Südafrika, Ghana, London und Brüssel offiziell anerkannte Vertretungen.[12]

Somaliland ist Mitglied der UNPO und hat im Dezember 2005 einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Afrikanischen Union gestellt.[13] Eine Fact-finding mission der AU besuchte im April und Mai desselben Jahres Somaliland und sprach sich in ihrem Bericht vorsichtig für eine Anerkennung des Landes aus. Die AU-Vorgängerorganisation OAU hatte dies abgelehnt, da sie befürchtete, die Anerkennung einer Abspaltung könnte weiteren Unabhängigkeitskriegen in Afrika Vorschub leisten.[14][15] Sie hatte seit ihrer Gründung an dem Prinzip festgehalten, dass die in der Kolonialzeit gezogenen Staatsgrenzen nicht verändert werden dürfen, um das Konfliktpotential zu verringern. Somaliland hält dem entgegen, dass es in der Kolonialzeit als Britisch-Somaliland ein eigenes abgegrenztes Gebiet war, das fünf Tage nach seiner anerkannten Unabhängigkeit freiwillig die Vereinigung mit Italienisch-Somaliland gewählt habe und diese nun in Übereinstimmung mit den kolonialen Grenzen wieder verlassen wolle. Völkerrechtlich stellt es sich auf den Standpunkt, dass es keine Sezession, sondern die Auflösung einer Union vollzogen habe.[16]

Die International Crisis Group spricht sich in einem Bericht 2006 dafür aus, Somaliland Beobachterstatus in der AU, bei den Vereinten Nationen und in der regionalen Organisation IGAD einzuräumen und eine Anerkennung der Unabhängigkeit zu prüfen.

Grenzstreit mit Puntland[Bearbeiten]

  •  Grenzverlauf nach Ansicht Somalilands
  •  nach Ansicht Puntlands
  •  Maakhir-Staat
  • Mit dem im Osten angrenzenden Gebiet Puntland, das sich 1998 für autonom erklärte, bestehen Differenzen bezüglich der Zugehörigkeit der Region Sool und der östlichen Teile der Regionen Sanaag und Togdheer. Da sich Puntland vor allem auf den Clan der Harti-Darod stützt und in diesen Gebieten ebenfalls Harti-Darod (von den Subclans der Warsangeli und Dolbohanta) leben, erhebt Puntland Anspruch auf sie; Somaliland beruft sich hingegen auf den Grenzverlauf des Protektorats Britisch-Somaliland, in dessen Kontinuität es sich sieht. Dass im umstrittenen Gebiet und in umliegenden Regionen Erdölvorkommen vermutet werden, erhöht das Konfliktpotential.[17] Dieser ungelöste Gebietsstreit ist ein weiterer Grund, weshalb die internationale Gemeinschaft Somaliland nicht anerkennt.

    Das betreffende Gebiet ist ländlich geprägt, schwach entwickelt und dünn von viehzüchtenden Nomaden besiedelt, die immer wieder von Dürre betroffen sind. Die Dolbohanta und Warsangeli hatten Somaliland zunächst mehrheitlich unterstützt, fühlten sich jedoch innerhalb Somalilands zusehends gegenüber den Isaaq und Dir marginalisiert. Ein Teil von ihnen wandte sich deshalb nach 1998 Puntland oder später der im Jahr 2000 gebildeten Übergangsregierung Somalias zu.[18]

    Ab 2002 übernahm Puntland die Kontrolle über Teile des Grenzgebietes. Seither kam es mehrfach zu Zusammenstößen. 2004 brachen in der Umgebung der Stadt Las Anod in Sool Kämpfe zwischen puntländischen und somaliländischen Kräften aus,[19] im April 2007 gab es Konflikte in Sanaag.[20] Am 15. Oktober 2007 eroberte Somaliland nach schweren Kämpfen Las Anod wieder. Beim anschließenden Besuch somaliländischer Minister gab es Proteste von Teilen der Bevölkerung.[21] Ende 2007 bekräftigte der Präsident Somalilands, das gesamte beanspruchte Gebiet einnehmen zu wollen.[22]

    Die Bewohner des umstrittenen Gebietes sind heute teils zu Somaliland, teils zu Puntland loyal, zum Teil lehnen sie auch beide ab und bevorzugen eine regionale Eigenständigkeit und Selbstverwaltung innerhalb eines künftig geeinten Somalia. Dazu trägt die hier verbreitete Ansicht bei, Somaliland wie Puntland betrachteten das Gebiet vor allem als militärische Front und würden ansonsten wenig in seine Entwicklung investieren. Vor diesem Hintergrund riefen Warsangeli in Sanaag im Juli 2007 ihren eigenen Maakhir-Staat aus, im Mai 2008 folgte die Ausrufung des Northland State durch Dolbohanta in Sool.

    Somaliland und Exil-Somaliländer[Bearbeiten]

    Bedingt durch eine lange Tradition der Auswanderung zwecks Handelstätigkeiten, Ausbildung oder Arbeitssuche, und in jüngerer Zeit deutlich verstärkt infolge von Diktatur und Bürgerkrieg von den 1970ern bis Anfang der 1990er Jahre, lebt heute eine große Zahl von Personen aus dem Gebiet Somalilands als Flüchtlinge und Wirtschaftsmigranten in arabischen Staaten, in Europa oder Nordamerika. Diese Exil-Somaliländer haben wesentlich zur Herausbildung Somalilands beigetragen, spielen weiterhin eine tragende Rolle für die Wirtschaft und engagieren sich zu einem großen Teil in der Politik Somalilands. Somaliland wurde daher auch als „transnationaler Staat“ bezeichnet, dessen Hauptstadt Hargeysa ist, von dem aber zahlreiche Bürger in der ganzen Welt verstreut leben und einen Großteil der Wirtschaftsleistung dort erbringen.

    Praktisch alle Exil-Somaliländer überweisen regelmäßig Geld nach Somaliland, jährlich schätzungsweise 200 bis 500 Mio. US-Dollar (für ganz Somalia reichen die Schätzungen von 500 Mio. bis zu einer Milliarde). Etwa die Hälfte dieser Überweisungen geht an Verwandte als Beitrag zum Haushaltseinkommen. Neben dieser direkten Unterstützung an die eigene Familie fließt ein Teil der Geldüberweisungen auch an einheimische nichtstaatliche Organisationen oder in Form von Investitionen. Exil-Somaliländer finanzierten den Aufstand der SNM in den 1980er Jahren und engagierten sich im Friedensprozess Anfang der 1990er Jahre. Als Rückkehrer bringen sie in wachsender Zahl Qualifikationen und Erfahrungen mit, und sie stellen die wichtigste Finanzierungsquelle für die seit 2002 bestehenden politischen Parteien dar. Vor allem Isaaq, die im Ausland leben, setzen sich dort für eine Anerkennung Somalilands ein.[23]

    Siehe auch[Bearbeiten]

    Quellen/Einzelnachweise[Bearbeiten]

    1. Maria Brons: Somaliland: Zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung, 1993, ISBN 978-3-928049-23-8 (S. 11, 23, 25)
    2. Ken Menkhaus: Zum Verständnis des Staatsversagens in Somalia: interne und externe Dimensionen, in: Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Somalia – Alte Konflikte und neue Chancen zur Staatsbildung, 2008
    3. GEO No 338, Avril 2007: Somaliland – Bienvenue au pays qui n' existe pas!
    4. 4,0 4,1 4,2 4,3 Seth Kaplan: The Remarkable Story of Somaliland, in: Journal of Democracy, Volume 19, Number 3, July 2008
    5. Dahir Riyale Kahin, The Washington Post: Bittersweet Independence (zu Ghana)
    6. The Senlis Council: Chronic Failures in the War on Terror, From Afghanistan to Somalia (S. 67)
    7. Guardian.co.uk: It's time Somaliland was declared independent
    8. J. Peter Pham, World Defense Review: The U.S. and Somaliland: A Road Map
    9. Al Jazeera english: Africa's isolated state
    10. David H. Shinn: Somaliland: The Little Country That Could (2002).
    11. Mark Bradbury, Adan Yusuf Abokor, Haroon Ahmed Yusuf: Somaliland: Choosing Politics over Violence, in: Review of African Political Economy - Vol. 30 No. 97 (creeping informal and pragmatic acceptance of Somaliland as a political reality).
    12. afrol News: Somaliland closer to recognition by Ethiopia (Juni 2007).
    13. International Crisis Group: Somaliland: Time for African Union Leadership.
    14. Mail&Guardian Online: AU supports Somali split
    15. The East African/unpo.org: Somaliland: AU Mission to Somaliland Says Recognition Overdue
    16. Brons 1993
    17. Somaliland Times/The Economist: Breaking into even smaller bits?
    18. Mark Bradbury: Becoming Somaliland, 2008, ISBN 978-1-84701-310-1 (S. 126, 130f.)
    19. BBC News: Somali regions clash over border
    20. Reuters AlertNet: Somaliland, Puntland clash over disputed turf again
    21. Reliefweb.int: Somalia: Thousands flee homes in disputed region fearing renewed clashes
    22. Garowe Online: Somalia: We will reach international border, says Somaliland leader
    23. Mark Bradbury: Becoming Somaliland, 2008, ISBN 978-1-84701-310-1 (S. 146–151, 174–179)



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