Attila Dézsi

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Attila Dézsi, 2025

Attila Dézsi (* um 1988) ist ein historischer Archäologe, der sich insbesondere mit Neuzeitarchäologie zur jüngsten Zeitgeschichte befasst.

Leben[Bearbeiten]

Attila Dézsi studierte historische Archäologie an der Universität Wien und am Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Hamburg.[1] Während des Studiums nahm er 2011 als Grabungshelfer an einer Ausgrabung im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen in Österreich teil.[2] Seit 2020 ist Dézsi beim Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg beschäftigt. Dort ist er an einem Forschungsprojekt zur archäologischen Inventarisation des KZ-Komplex Natzweiler tätig,[3] unter anderem durch die Untersuchung der Reste des KZ-Außenlagers in Asbach.[4]

Themen[Bearbeiten]

Seine 2013 an der Universität Hamburg vorgelegte Bachelorarbeit befasst sich mit neuzeitlichem Graffiti am Beispiel des Casino Zögernitz in Wien.[5] Seine Masterarbeit von 2016 hat die synchrone und diachrone Variabilität der Geschlechterverhältnisse des frühen und mittleren Neolithikums zum Inhalt.[6]

Ausgrabung am Standort des früheren Hüttendorfes der Republik Freies Wendland, 2017

Schwerpunkte von Attila Dézsi sind zeitgeschichtliche Archäologie des 20. und 21. Jahrhunderts, Theorien und Methoden sowie Archäologie der Geschlechterverhältnisse.[7] 2019 war er Doktorand der Graduiertenschule Geisteswissenschaften der Universität Hamburg, wofür ihm die Universität ein zweijähriges Stipendium gewährte.[8] Sein Dissertationsprojekt trägt den Titel Zeitgeschichtliche Archäologie des 20. Jahrhunderts an Orten des Protests. Kritische Archäologie und Community Archäologie der Freien Republik Wendland.[9] Es befasste sich mit dem Hüttendorf der Republik Freies Wendland in Niedersachsen, dessen Aufbau und 33-tägiges Alltagsleben Dézsi anhand der Hinterlassenschaften rekonstruieren wollte.[10] Dazu führte er von 2016 bis 2018 die archäologische Untersuchung der „Republik Freies Wendland“ durch.[11] Das Hüttendorf wurde 1980 von Atomkraftgegnern während einer Platzbesetzung aus Protest gegen den Bau des Atommülllagers Gorleben errichtet und vier Wochen später bei der polizeilichen Räumung zerstört. Dézsi hielt das Thema für ein Stück deutscher Demokratie-Geschichte[12] und den Ort für kulturelles Erbe.[13] Laut dem Sprecher der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg Wolfgang Ehmke habe Dézsi den Gorleben-Widerstand „vermessen“.[14] Die wissenschaftliche Erforschung des einstigen Protestcamps ist das erste Projekt zeitgeschichtlicher Archäologie zur Alltagskultur des späten 20. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum.[15] Es knüpft an die aktuellen Entwicklungen in der internationalen zeitgeschichtlichen Archäologie an[9].

Auszeichnungen[Bearbeiten]

Für seine an der Universität Hamburg eingereichte Dissertation zur Archäologie der Freien Republik Wendland wurde Dézsi 2024 mit dem Studienpreis für Archäologie ausgezeichnet. Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird von mehreren archäologischen Vereinigungen in Niedersachsen gemeinsam mit der VGH Stiftung vergeben. In der Entscheidung der Jury hieß es, dass Dézsi „ein wichtiges Denkmal der Protestkultur des 20. Jahrhunderts vor dem Vergessen bewahrt“ habe.[16]

2024 erhielt er für seine Dissertation den Deutschen Studienpreis für Archäologie der Deutschen Gesellschaft für Ur-und Frühgeschichte (DGUF). Die DGUF würdigt seine fachübergreifende Methodik und die Community Archaeology durch das Einbeziehen von Nicht-Archäologen. Seine Dissertation enthalte eine methodische Handreichung, die bei zukünftigen zeitgeschichtlichen archäologischen Untersuchungen als Vorbild dienen könne.[17]

Im Jahr 2024 erhielt Dézsi für seine Dissertation zur Freien Republik Wendland den Barbara Scholkmann Nachwuchsförderpreis für Historische Archäologie.[18] Der mit 2000 Euro dotierte Preis wird vom Verein zur Förderung der Archäologie des Mittelalters Schloss Hohentübingen und vom Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters an der Universität Tübingen vergeben. Laut der Jury des Preises dehne die Arbeit die bisher übliche zeitliche Grenze zeitgeschichtlicher Archäologie in Deutschland aus und zeige das Potenzial archäologischer Herangehensweisen für die Erforschung der jüngsten Vergangenheit.[19]

Veröffentlichungen (Auswahl)[Bearbeiten]

  • Neuzeitliche Graffiti als archäologisch-kulturanthropologische Quellengattung. Am Beispiel des Casino Zögernitz, Wien, ungedruckte Bachelorarbeit, Hamburg 2013
  • Eine Studie zu synchroner und diachroner Variabilität der Geschlechterverhältnisse des frühen und mittleren Neolithikums, ungedruckte Masterarbeit, Hamburg 2016
  • Zeitgeschichtliche Archäologie des 20. Jahrhunderts an Orten des Protests und der „Freien Republik Wendland“ in: Frank Nikulka, Daniela Hofmann, Robert Schumann (Hrsg.): Menschen – Dinge – Orte. Aktuelle Forschungen des Instituts für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Universität Hamburg, 2018, S. 195–202 (Online, pdf)
  • Historical and Community Archaeology at a Late-20th-Century Protest Camp Site at Gorleben in: The SHA Newsletter, Winter 2018, Band 51, Nr. 4, 2019, S. 22–24.
  • mit LouAnn Wurst: The Historical Archaeology of Capitalism’s Cracks in: International Journal of Historical Archaeology 28, 2024, S. 1–10
  • Archäologie der Republik Freies Wendland. Zu einer kritischen Archäologie der Zeitgeschichte, Sidestone Press Dissertations, 2025 ISBN 978 946 4280 852 (Online)

Weblinks[Bearbeiten]

 Commons: Attila Dézsi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten]

  1. Carolin George: Was von der „Republik Freies Wendland“ übrig blieb in Die Welt vom 6. November 2016
  2. Gerhard Ziegler: Freie Republik Wendland: Die Vermessung der Widerstandsgeschichte hat begonnen bei wendland.net vom 23. November 2017
  3. KZ-Komplex-Natzweiler: Denkmalfachliche Evaluierung der Außenlager und Arbeitsstätten in Baden-Württemberg beim Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg
  4. Ehemaliges KZ-Außenlager soll untersucht werden in Rhein-Neckar-Zeitung vom 21. Juli 2021
  5. Abgeschlossene Bachelorarbeiten beim Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
  6. Abgeschlossene Masterarbeiten beim Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie
  7. Doktorand Attila Dézsi, M.A. bei Universität Hamburg
  8. Promotionsprojekt startet: Archäologische Erforschung der Freien Republik Wendland Presseerklärung von Attila Dézsi (Universität Hamburg) vom 27. Oktober 2016
  9. 9,0 9,1 Beschreibung des Dissertationsprojektes von Attila Dézsi bei Graduiertenschule Geisteswissenschaften der Universität Hamburg
  10. Gerhard Ziegler: Graben nach den Resten der Freien Republik Wendland bei wendland.net vom 5. Dezember 2016
  11. Reimar Paul: „Republik Freies Wendland“ soll wissenschaftlich erforscht werden in Weser-Kurier vom 9. Oktober 2016
  12. Jörg Römer: Archäologen erforschen Achtzigerjahre bei Der Spiegel vom 21. September 2017
  13. Präsentation zeigt Funde aus der „Republik Freies Wendland“ in: Süddeutsche Zeitung vom 22. Februar 2019
  14. Jens Feuerriegel: Graben nach den Widerstands-Wurzeln in Elbe-Jeetzel-Zeitung von 24. Februar 2019
  15. Archäologische Ausgrabung des Protestcamps „Freie Republik Wendland“. bei Focus Online vom 8. November 2017
  16. Studienpreise für Denkmalpflege und Archäologie 2024 bei Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege
  17. 2024: Deutscher Studienpreis für Archäologie für Attila Dézsi M.A. bei DGUF vom März 2024
  18. Archäologe Attila Dézsi für Forschungsarbeit über Republik Freies Wendland ausgezeichnet beim Gorleben Archiv vom 15. Juli 2024
  19. Oliver Häußler: Auszeichnung für archäologische Arbeit zur jüngsten Vergangenheit bei idw vom 18. Juli 2024
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