Arbeitsbedingungen während der Gründerzeit

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Arbeitsbedingungen während der Gründerzeit Deutschlands waren geprägt von Industrialisierung, gewerkschaftlichen und parteipolitischen Organisationsbestrebungen der Arbeiter und der Entwicklung wirtschafts- und sozialpolitischer Gesetzlichkeit durch die Reichsregierung. Die Ausgangslage zum Zeitpunkt der Reichsgründung entsprach in etwa der Lage der arbeitenden Klasse in England, die Friedrich Engels 1845 sehr eingehend beschreibt. Die Arbeitsbedingungen im 19. Jahrhundert waren teilweise menschenunwürdig.

Hochindustrialisierung in Deutschland[Bearbeiten]

Die Hochindustrialisierung in Deutschland begann in den Gründerjahren und erstreckte sich über den Zeitraum von 1870 bis 1914. Die Modernisierung der Wirtschaft und der damit verbundene Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt führte in den Industriebetrieben, aber auch in der kleingewerblichen Heimarbeit teilweise zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Durch den wirtschaftlichen Aufschwung entstanden immer mehr Fabriken und Kaufhäuser. Dadurch wurden neue Arbeitsplätze im Bereich Logistik und Industrie geschaffen. Durch die erhöhte Nachfrage, wurden die Produktionsprozesse mechanisisiert und durch die Einführung der Fließbandarbeit effizienter organisiert.

Die Erfindung der Lokomotive, der Ausbau des Eisenbahnnetzes und die Überseeschifffahrt ermöglichten den schnelleren und massenhaften Gütertransport über weite Entfernungen. Die Industrieproduktion, der Warenhandel und die Finanzwirtschaft entwickelten sich mit zunehmender Ausrichtung auf den Weltmarkt.

Allgemeine Arbeitsbedingungen[Bearbeiten]

Die Fabrikarbeit zu Beginn der Industrialisierung stieß an körperliche Grenzen und psychische Überbeanspruchungen. Die Unternehmer ließen die Arbeitnehmer in großen, überfüllten und eingeengten Fabrikhallen mit tiefen Decken und schlechter Luft arbeiten.

Löhne lagen nahe dem Existenzminimum. Arbeitnehmer waren oft nicht im Stande ihre Familien damit zu ernähren und mussten mit den Angehörigen einschließlich der arbeitsfähigen Kinder Nebenerwerbsarbeiten erledigen. Diese Benachteiligung der Arbeitnehmer wirkte sich positiv auf die Gewinne der Arbeitgeber aus.

Die durchschnittliche Lebensarbeitszeit lag bei 15 Jahren. Im Durchschnitt befanden die Arbeiter sich im Alter von 18 Jahren. Arbeiter mussten bis zu 18 Stunden arbeiten. Es gab keine Sonntagsruhe und keinen oder unzureichenden Arbeitsschutz. Zuspätkommen oder fehlerhafte Leistung führte zu Lohnkürzungen.

Männer erhielten einen höheren Lohn als Frauen.

Frauenarbeit[Bearbeiten]

Frauenarbeit

Die Rolle der Frauen im 19. Jahrhundert hat sich im Laufe der Industrialisierung gewendet. Vor der Industrialisierung war es den Frauen nicht möglich ohne männliche Begleitung in die Öffentlichkeit zu treten. Die Eröffnung der Kaufhäuser ermöglichte es den Frauen ins Berufsleben zu treten und unabhängiger zu werden. Teilweise verfügten sie sogar über einen eigenen Wohnraum und ihnen wurde es gestattet in ihrer Mittagspause in der betriebseigenen Kantine zu speisen (den Männern wurde der Ausgang gewährt). Dennoch arbeiteten die Frauen bis zu 13 Stunden täglich für einen Hungerlohn (ohne Sitzpause). Sie mussten sich stets vor einer Kündigung fürchten, wenn sie keine Gewinne erzielten.  Die Frauen durften sich nicht zu attraktiv kleiden (schwarze Standardkleidung), da sich keine Rivalität zwischen Kundinnen und Verkäuferinnen entwickeln sollte. Die Situation der Frauen verbesserte sich ab 1883 durch die Freistellung der Arbeiter an Sonn- und Feiertagen und die Einführung der Betriebsrente und des bezahlten Urlaubs (→ Bismarck).

Nach jahrelanger Arbeit wurde es ihnen ermöglicht selbstständig zu werden. Im Laufe der Jahre strebten die Frauen nach mehr Rechten und gingen aus diesem Grund auf die Straßen um zu demonstrieren (Frauenbewegung).

Um ihr eigenes Gehalt aufzubessern oder deren Schulden zu begleichen, sahen sie keinen anderen Ausweg als die Prostitution.

Kinderarbeit[Bearbeiten]

Kinderarbeit in der Fabrik

Familien, deren finanzielle Mittel nicht zum Leben ausreichten, sahen sich gezwungen ihre Kinder zur Arbeit zu schicken.

Kinder waren unter anderem im Untertagebau tätig, da sie durch ihre Größe für diesen Beruf geeignet waren.

Später wurde das Gesetz zum Schutz der Kinder eingefügt, welches ein Arbeitsverbot für Kinder unter 9 Jahren in Textilfabriken,

ein Nachtverbot und eine maximale Arbeitszeit von 12 Stunden vorschrieb.

Dieses Gesetz wurde in den weiteren Jahren immer weiter ausgebaut und somit mussten Kinder ab 1853 ein Mindestalter von 12 Jahren vorweisen.


Bismarcksche Sozialversicherung[Bearbeiten]

Der Schöpfer der Sozialversicherung in Deutschland

Die Einführung der Sozialversicherung unter Reichskanzler Otto von Bismarck verbesserte die soziale Lage der Arbeitnehmer erheblich.

1881: Absicherung der Arbeiter gegen Krankheit, Unfall, Invalidität und Alter

1884: Krankengeld, ärztliche Behandlung, Arznei, Hilfsmittel, Krankenhausbehandlung, Sterbegeld, Mutterschaftsgeld

1885: Unfallversicherungsgesetz

1891: Altersrenten ab 70 Jahren

Arbeiter, die bei der Arbeit gesundheitlich beeinträchtigt wurden, waren im Falle einer Erkrankung finanziell abgesichert.

Senioren konnten mit Auszahlungen aus der Rentenversicherung aus der Arbeitswelt ausscheiden, ohne ihr Leben danach abhängig von unsicheren Almosen bestreiten zu müssen.

Durch Bismarck verbesserten sich die allgemeinen Arbeitsbedingungen und die Arbeitnehmer profitierten auch finanziell und gesundheitlich davon.

Statistik[Bearbeiten]

Lebenserwartung 1870 und 1950 im Vergleich

Alter 1870 1950 Anstieg in %
0-14 12,52 14,51 15,89
15-44 21,64 28,70 32,62
45-64 11,72 18,46 57,51
65-84 7,10 16,30 129,58
>84 0,73 5,80 694,52
Gesamt 53,71 83,77 55,97

Zu sehen ist, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung erheblich gestiegen ist. Zurückzuführen ist dies wahrscheinlich auf die verbesserten Arbeitsbedingungen, auch ausgelöst durch Bismarck, sowie auf den medizinischen Fortschritt. (Angabe Anzahl der Menschen in Altersgruppe)

Quellen[Bearbeiten]

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