Übersetzerkollektiv Leipzig
Das Übersetzerkollektiv Leipzig 1955 bis 1959 war ein Zusammenschluss freiberuflicher Übersetzer und Dolmetscher in Leipzig.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Zu der Recherche über das Übersetzerkollektiv
- 2 Die Gründung des Übersetzerkollektivs
- 3 Entwicklung 1956 bis Herbst 1958
- 4 Der nachrichtendienstliche Aspekt
- 5 Entwicklung Herbst 1958 bis Herbst 1959
- 6 Das Ende des Übersetzerkollektivs
- 7 Einzelnachweise
- 8 Wikilinks - Wikis & Websites mit Artikeln zum Thema
Zu der Recherche über das Übersetzerkollektiv[Bearbeiten]
In den Erzählungen von Josef A. Köhler und Anderen nimmt das Übersetzerkollektiv für die 50er Jahre eine zentrale Stellung ein. Aber außer den Erzählungen gab es keine Indizien für dessen Existenz. Am Anfang stand also, als einziger materieller Nachweis eine Postkarte.
Die Gründung des Übersetzerkollektivs[Bearbeiten]
Der offizielle Ausgangspunkt für die Gründung lag nach Aussagen von Josef A. Köhler, auch von IM Kirchner[1] erwähnt, in seiner Zusammenarbeit mit Joachim K.(Jonny) Schneider bei der Übersetzung des Buches „Treff Café Schwalbe“ von Arkadij Adamov [2] ins Deutsche. Bei der Übersetzung des Romanes "Treffpunkt Cafe Schwalbe" durch Herrn Schneider und mich im Kollektiv machten wir die Erfahrung, daß durch Zusammenarbeit mehrerer Kollegen bessere Übersetzungen erreicht werden. Da wir diese Zusammenarbeit auch bei technischen Übersetzungen praktizierten, stellten wir fest, daß die Qualität unserer Arbeit weit besser war als bei individueller Übersetzertätigkeit. [3] IM Kirchner behauptete allerdings, dass diese Gründung auf Anregung des sowjetischen Nachrichtendienstes erfolgte. Auf engste Anregung der sowj. Freunde[4] erfolgte im Herbst 1956 die Bildung eines "Übersetzerkollektivs Leipzig [5] Eingefügt sei hier, dass Köhler und Schneider sich aus der gemeinsamen Arbeit bei der „Nationalen Front“ kannten und dort auch in der "RuZ-Kommission" (Rückkehrer und Zuwanderer) gemeinsam gearbeitet hatten.
Ein anderer Aspekt der Gründung war natürlich die Auftragsbeschaffung für die Freiberufler. In der DDR gab es einen staatlichen Übersetzungsbetrieb, den „VEB GLOBUS Zeitungsausschnitt- und Übersetzungsdienst“ in Berlin. Nach Aussagen des IM Kirchner nahmen bereits 1955 die Übersetzer Josef A. Köhler und Peter Rudel Kontakt mit „Globus“ auf.[6]
Entwicklung 1956 bis Herbst 1958[Bearbeiten]
1956 und 1957 wurde das Übersetzerkollektiv ständig personell erweitert, außer Übersetzern aus Leipzig kamen auch Muttersprachler, meist ausländische Studenten, und Schreibkräfte dazu. Ebenso wurden Mitarbeiter für die redaktionelle Bearbeitung der Übersetzungen beschäftig. In dieser Zeit stießen Mitarbeiter wie Ernst Hassenrück, A.P.[7], Dressler und auch Wolfgang Höher dazu. Da aber das Übersetzerkollektiv kein Betrieb im rechtlichen Sinne war, wurden verschiedene Modi für die Bezahlung der Mitarbeiter angewandt.[8]
Bis 1957 wurde ein großer Teil der Aufträge durch den VEB „Globus“ erteilt, aber spätestens Ende 1957 kam es zum Bruch zwischen „Globus“ und dem Übersetzerkollektiv. IM Kirchner datiert dies auf Ende 1959 und stellt einen Zusammenhang zur Verhaftung des Leo Peter Rudel in Westdeutschland her.[9] Der Zusammenhang ist nicht nachweisbar.
Die Bedeutung des Übersetzerkollektivs ist für 1957 nicht eindeutig feststellbar, aber folgendes Zitat lässt doch einige Rückschlüsse zu. [...] Die Durchführung der "Internationalen Verlegerkonferenz der Sozialistischen Länder 1957", bei der der Dolmetschereinsatz in den Kabinen und zur Betreuung der Regierungsdelegationen ausschließlich durch Mitarbeiter unseres Kollektivs bestritten wurde [...] Das gleiche stellte sich während des IV. Weltgewerkschaftskongresses, des UFI-Kongresses, des DBD-Parteitages usw. heraus, wo ich jeweilig als Chefdolmetscher wirkte.[10]
Der nachrichtendienstliche Aspekt[Bearbeiten]
Bereits für die Gründung des Übersetzerkollektivs wurde durch IM Kirchner behauptet, dass diese durch die „Freunde“ initiiert wurde. Sieht man ab von Wolfgang Höher dessen Tätigkeit bekannt ist, so erscheint die Steuerung durch die sowjetischen Nachrichtendienste glaubhaft. Auch der Absatz Das Übersetzerkollektiv wurde, besonders dank der personellen Verknüpfung der 3 Gründer Köhler, Rudel und Schneider als Funktionäre der Kommission für Rückkehrer und Zuwanderer beim B.A. der NF Leipzig[11], zu einem Auffangbecken für aus WD zuziehende Personen. Nach erfolgter Siebung wurden immer mehr Personen, die aus der Bundesrepublik, tw. auch aus anderem Ausland, zugezogen waren, als Übersetzer oder tw. auch als Dolmetscher eingebaut und je nach Eignung für die sowj. Freunde angeworben. Immer war das Übersetzerkollektiv in irgendeiner Form materielle Grundlage für die Angeworbenen und Aushängeschild für eine freischaffende Tätigkeit. Dabei traten so abenteuerliche Gestalten wie die Personen Roos (8), Westenberger (9), Frau "Dr." Engels (10), "Dr." Jansen (11), Petzold (12), Meyer (13) und auch Höher (14) auf. kann als wahr betrachtet werden. Die Begründungen liegen in den Biografien der genannten Personen und werden später vom MfS bestätigt.[12][13]
Entwicklung Herbst 1958 bis Herbst 1959[Bearbeiten]
Im Fokus des MfS tauchte das Übersetzerkollektiv erst im Herbst 1958 auf. Dies liegt wohl daran, dass der sowjetische Nachrichtendienst, mit der Übergabe des Wolfgang Höher an das MfS, auch die Steuerung des Übersetzerkollektivs aufgab. So trug Höher seinen Einfluss dem MfS an: Er machte mir einen interessanten Vorschlag, indem die Arbeitsstelle in Leipzig, in der er jetzt beschäftigt ist und die er sich selbst suchte und in der er sozusagen "die zweite Geige" spielt - es ist das Übersetzer-Kollektiv Leipzig…[14] Die wirtschaftliche Bedeutung des Übersetzerkollektivs lässt sich aus einigen Dokumenten erkennen. So war die Rede von einem Dolmetscherbüro welches mit …ca. 250 Dolmetschern im Gebiet der gesamten DDR, mit ausländischen Studenten in der DDR, mit einigen Personen im Ausland u.a. in Westdeutschland und Jugoslawien, in Verbindung steht.[15] Es wurde geschrieben von Übersetzungen in 18 Fremdsprachen, einer Auftragsdecke von ca. achthunderttausend DM, von der Übersetzung der gesamten Auslandspropaganda der DDR in alle Weltsprachen, Geheimen und Vertraulichen Verschlußsachen, Strahltriebwerksbau, Erdölverarbeitung und Luftfahrtindustrie[16], diesen Angaben wurde auch nicht widersprochen.
Im Jahr 1959 wurde durch Josef A. Köhler und Wolfgang Höher die Gründung einer Genossenschaft oder eines VEB angestrebt. Dies stieß jedoch auf Widerstand, zumindest wurde eine personelle Veränderung angestrebt. Die „führende Rolle der SED“ sollte durchgesetzt werden. Von den Leitungsmitgliedern war aber nur Joachim K. Schneider SED-Mitglied.[17][18] Trotzdem zeichnete sich die Zustimmung der offiziellen Stellen, des Wirtschaftsrates des Bezirkes Leipzig[19] und auch des MfS[20] ab. In letzterem Schreiben wurde betont : Von der Leitung des Ministeriums für Staatssicherheit wurde Unterzeichneter beauftragt, sich dafür einzusetzen, daß es zur Bildung eines volkseigenen Übersetzerbüros in Leipzig kommt, weil dadurch für unser Organ die Absicherung wichtiger Übersetzungsarbeiten besser möglich ist. Entsprechende Vorbereitungen wurden bereits getroffen, um zuverlässige Kader in diesem Büro unterzubringen, um unseren Einfluß dort zu sichern.
Das Ende des Übersetzerkollektivs[Bearbeiten]
Am 25. September 1959 verstarb Wolfgang Höher. Die alleinige Leitung des Übersetzerkollektivs ging in die Hände von Josef A. Köhler über. Er forcierte die Gründung eines volkseigenen Betriebes, gegen die verbleibenden Widerstände. Mit Joachim K. Schneider gemeinsam wurde Ende 1959 (das von IM Kirchner behauptete Datum 01.12.1959 konnte nicht bestätigt werden) der VEB TEWI (VEB Büro für technisch-wissenschaftliche Übersetzungen) gegründet. Dazu nochmals IM Kirchner: Inzwischen forcierten Köhler und Schneider über die damaligen Funktionäre Setzepfand (15) und Luft (16) des Rates des Bezirks Leipzig die Umwandlung des Kollektivs in einen VEB. Ab Spätsommer 1959 gab es auch bereits Geschäftsräume für den künftigen Betrieb: 701 [1959 noch C1 T.K.] Dr.-Kurt-Fischer-Str. 52/III. Ende September verstarb Höher. Ab Oktober wurde ein "Kaderleiter" eingesetzt: Hans Baurittel (17) und ab 1. Dezember 1959 der VEB TEWI gebildet. Köhler fungierte als technischer Leiter, Schneider war Parteisekretär der GO[21]…[22]
Am 24. Dezember 1959 wurde Josef A. Köhler verhaftet, während seiner Haft wurde der „VEB Tewi“ liquidiert und an den „VEB Globus“ angeschlossen. Aus dem „VEB Globus“ wurde später der SED eigene Betrieb INTERTEXT.
Einzelnachweise[Bearbeiten]
- ↑ IM Kirchner, Klarname dem Autor bekannt, ist ein wichtiger Zeitzeuge durch seine Berichte für das MfS. Seine Aussagen sind allerdings strittig. Selbst sein Führungsoffizier schrieb, dass die Aussagen des Kirchner stark subjektiv gefärbt sind.
- ↑ Adamov, Arkadij G. Treff Café Schwalbe : Kriminalroman / Arkadi Adamow. Übers. aus d. Russ. von J. Köhler u. J. K. Schneider Adamov, Arkadij G. Verl. Kultur u. Fortschritt.
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, 355/61, Bd. I, Köhler, Josef Schreiben an Direktor IHK Leipzig und Statut VEB 16.12.1958, 7 Blatt, Nr. 9-15
- ↑ Mit „Freunde“ wurden beim MfS die sowjetischen Nachrichtendienste bezeichnet. Thomas K.
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II, Kirchner Bericht Intertext 21.06.1972, 9 Blatt, Nr. 58-66
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II, Kirchner Bericht Intertext 21.06.1972, 9 Blatt, Nr. 58-66: Globus unterhielt 1955 [...] Kontakt zu freischaffenden Übersetzern und Dolmetschern. Die ersten beiden Leipziger Mitarbeiter waren Josef Köhler (5) und Leo Peter Rudel (6).
- ↑ A.P. gab mir die Genehmigung seine Aussagen zu verwenden, wünscht allerdings anonym zu bleiben. Thomas K.
- ↑ MfS, BV Leipzig Leitung Entlassungsbeschluß Köhler, Josef 09.05.1960 [Eigenbestand, O 3/6] 4 Blatt.: Die Auftraggeber bezahlten die Leistungen fast ausschließlich per Scheck oder per Überweisung, viele der freien Mitarbeiter hatten jedoch kein Konto für den Zahlungsverkehr. Besonders traf dies für die Mitarbeiter aus dem Ausland zu. Es wurde für diese Kollegen folgender modus operandi gewählt, für die Zahlungseingänge wurde das Postscheckkonto von Josef Köhler, später auch das von Wolfgang Höher, benutzt. Von diesem wurden dann die Beträge in bar abgehoben und an die Mitarbeiter ausgezahlt
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II, Kirchner Bericht Intertext 21.06.1972, 9 Blatt, Nr. 58-66
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, 355/61, Bd. I, Köhler, Josef Schreiben an Direktor IHK Leipzig und Statut VEB 16.12.1958, 7 Blatt, Nr. 9-15
- ↑ Bezirksausschuss der Nationalen Front
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II, Kirchner Bericht Intertext 21.06.1972, 9 Blatt, Nr. 58-66
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 355/61,Beiakte Bd. 2, MfS BV Leipzig Leitung Schreiben an MfS HA III Leiter 29.01.1959, 2 Blatt, Nr. 45-46: Da es sich bei einem Teil der leitenden Angestellten dieses Büros um inoffizielle Mitarbeiter des MfS bezw. befreundeter Stellen handelt, wäre eine gewisse Absicherung der Arbeit dieses Büros gegeben.
- ↑ , MfS, BV Leipzig, Personal 355/61, MfS, BV Leipzig Bericht, Kontaktaufnahme "Mahnert" 22.10.1958, 15 Blatt, Nr. 17-28
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 355/61, Beiakte Bd. II, MfS Hauptabteilung III/1 Schreiben an MfS BV Leipzig Abteilung III 05.01.1959
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 355/61 Bd. I, Übersetzerkollektiv Leipzig Schreiben an Rat des Bezirkes Leipzig 15.08.1959, 2 Blatt, Nr. 52-53
- ↑ Köhler, Josef Wiederaufnahme SED - Stellungnahme 28.11.1962, Eigenbestand
- ↑ Köhler, Josef Einspruch gegen Streichung der Mitgliedschaft - Schreiben an Vorsitzenden der ZPKK der SED 12.07.1963, Eigenbestand
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 355/61, Beiakte Bd. I, MfS, BV Leipzig ohne 04.08.1959, 1 Blatt, Nr. 81
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 355/61, Beiakte Bd 1, MfS BV Leipzig Leitung Schreiben an SED Bezirksleitung Leipzig 15.09.1959, 2 Blatt, Nr. 52-53
- ↑ Grundorganisation der SED
- ↑ BStU, MfS, BV Leipzig, AIM 035/84, Bd. II, Kirchner Bericht Intertext 21.06.1972, 9 Blatt, Nr. 58-66
Wikilinks - Wikis & Websites mit Artikeln zum Thema[Bearbeiten]
- Josef A. Köhler - Versuch einer Biographie: Versuch einer Biographie
- Wolfgang Höher: Wolfgang Höher